Kontaktverbot und Abstandsregeln: Die Corona-Krise stellt Hebammen vor große Herausforderungen. Geburtsvorbereitung findet jetzt per Video-Chat statt, erzählt Hebamme Katrin Geiger im Interview.
Berühren,, umarmen, streicheln: Zwischenmenschliche Nähe ist für Hebammen ein wesentlicher und wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit mit Schwangeren, Babys und jungen Eltern. Doch in der Corona-Krise sind innige und enge Kontakte nicht erlaubt.
Über die erschwerten Arbeitsbedingungen der Hebammen und ihre kreativen Lösungen in der Krise berichtet Katrin Geiger im Interview. Die 50-Jährige hat mit ihrer Kollegin Angela Schröder eine Hebammen-Praxis in Dortmund-Oespel.
Hallo Frau Geiger, erzählen Sie doch mal aus ihrem Hebammen-Alltag in der Corona-Krise. Versammlungsverbot, Kontaktverbot, Abstandsregeln, wie geht das alles zusammen?
Vor allem bleibt das Zwischenmenschliche auf der Strecke. Wir dürfen keine Kurse mehr in unseren Räumen geben, die Vorsorgen und Hausbesuche sollen so kurz wie möglich ausfallen. Die Väter dürfen die Schwangeren nicht in die Praxis begleiten, zu Hause dürfen sie und auch die Geschwister nicht mit im Raum sein.
Aber 1,50 bis 2 Meter Abstand halten, das kann doch gar nicht funktionieren?
Bei der Terminvergabe in unserer Praxis vergeben wir die Termine mit großen Lücken zwischen den Schwangeren, damit sie nicht in Kontakt kommen. Bei der Vorsorge selbst ist Abstand halten eher nicht möglich. Wir treffen aber Vorkehrungen mit Mundschutz und Handschuhen.
Und wir bitten alle Frauen, uns zu benachrichtigen, wenn sie Symptome zeigen, damit wir umplanen können.
Die Wöchnerinnen zu Hause leite ich, wenn irgend möglich, bei der Säuglingspflege aus der vorgegebenen Entfernung an. Manchmal ist das aber schon schwierig und kann nicht eingehalten werden.
Haben Sie Angst, sich anzustecken?
Ich habe nicht mehr Sorgen als sonst. Krätzewelle, TBC-Welle, Hepatitis-Welle, das haben wir ja alles gehabt. Einem gewissen Risiko sind wir immer ausgesetzt.
Also betreuen Sie auch infizierte Schwangere und Mütter?
Den Fall hatte ich bislang nicht. Doch auch bei Verdachtsfällen versuche ich einen Kontakt zu vermeiden, bis das Ergebnis feststeht. Im schlechtesten Fall wäre ich Überträgerin und würde andere Frauen gefährden.
Die Vor- und Nachsorgen laufen also mehr oder weniger normal weiter. Doch auf Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungskurse müssen Schwangere und Frauen nach der Geburt verzichten?
In den Praxen dürfen wir die Kurse nicht mehr anbieten. Unser Verband hat glücklicherweise bei den Krankenkassen durchgesetzt, dass wir Online-Kurse geben und auch abrechnen können. Wir haben jetzt auf Video-Telefonie umgestellt. Also Geburtsvorbereitung und Rückbildung im Video-Chat.
Was für Technik-Dinosaurier wie mich zunächst gar nicht so einfach war. Manche Hebammen mussten in eine neue Ausstattung investieren. Wir müssen den Datenschutz einhalten und unsere Wohnung umgestalten. Alles nicht so einfach.
Wie kommt das digitale Angebot bei den Frauen an?
Die Frauen sind toll. Sie geben einfach alles, um an den Kursen teilnehmen zu können. Zu Hause haben viele ja gar nicht die nötige Ruhe, da sind die Kinder, da sind Katzen, das Telefon klingelt. Die meisten spannen ihre Partner ein.
Wie kommunizieren Sie miteinander?
Die Frauen sehen mich auf dem großen Bildschirm und ich sehe sie in klein wie auf einem Schachbrett. Untereinander sehen sich die Frauen auch. Ich leite zum Beispiel die Übungen an und kann die Frauen dann korrigieren.
Die Schwangeren und jungen Eltern sind in diesen Krisenzeiten sicherlich verunsichert. Was beschäftigt sie am meisten?
Ob sich das Kind im Mutterleib oder auch direkt nach der Geburt, etwa durch Stillen, infizieren kann, davor haben die meisten Angst. Nach aktuellem Wissensstand besteht da keine Gefahr.
Ich kann nur allen empfehlen, sich nicht verunsichern zu lassen. Wir Hebammen verlinken auf unseren Seiten zu seriösen Informationen zum Coronavirus während und nach der Schwangerschaft. Etwa zur Seite des Robert-Koch-Instituts oder des Landesverbands der Hebammen.
Was bewegt die Frauen noch?
Vor allem die Situation in der Geburtsklinik. Darf der Vater bei der Geburt dabei sein, darf er nach der Geburt mit auf die Wöchnerinnen-Station? Was jede Klinik individuell entscheidet.
Gibt es aufgrund der Einschränkungen in den Kliniken eine erhöhte Nachfrage nach Hausgeburten?
Ja, es gibt vermehrte Anfragen, doch aufgrund der extrem gestiegenen Beiträge für die Berufshaftpflichtversicherung bieten immer weniger Kolleginnen Hausgeburten an. Ich biete sie auch nicht an.

Schwangere und junge Eltern können sich während der Kurse mit Katrin Geiger über Video-Chat austauschen. Die Vorsorge findet aber nach wie vor in ihrer Praxis statt. © privat
Haben Sie Tipps für die Leserinnen und Leser?
Geschwisterkinder sollten auf jeden Fall eine Atemschutzmaske tragen, bevor sie mit einem Neugeborenen kuscheln. Abknutschen sollten sie die Babys besser nicht. Kinder spielen draußen und flitzen nicht unbedingt immer sofort ins Badezimmer zum Händewaschen. So verhindert man stille Infektionen.
Generell bin ich froh, dass durch das Coronavirus mehr auf Hygiene geachtet wird. Das habe ich früher an einigen Stellen doch vermisst.
Wie ist Ihre persönliche Situation? Haben Sie noch genügend Hygieneartikel, fühlen Sie sich als Hebamme gut unterstützt?
Im Moment haben wir noch genug. Wir haben kürzlich, noch vor Corona, eine frische Lieferung Schutzmasken bekommen. Wir Hebammen sind aber erfindungsreich. Wir haben früher als alle anderen begonnen, Schutzmasken zu nähen.
Über die Kreisvorsitzende ist Desinfektionsmittel auf dem Weg.
Von dem Gesundheitsamt fühle ich mich alleine gelassen, man ist nicht aktiv für uns da. Aber die Mitarbeiter dort sind ja auch gerade überlastet und überfordert.
1968 geboren und seit über 20 Jahren Redakteurin bei Lensing Media. Zuständig für den Dortmunder Westen mit seinen Stadtbezirken Lütgendortmund, Mengede und Huckarde sowie für die Stadt Castrop-Rauxel.
