Natürlich ist das ein unbequemes Thema, aber gerade darum müssen wir mal darüber reden. Ebenso wie viele Menschen glauben, der Strom kommt aus der Steckdose – was ja nur bedingt stimmt – glauben auch viele, das Fleisch kommt aus der Styropor-Box in die Kühltheke des Supermarktes von irgendwoher angeflogen.
Was auch nur bedingt stimmt. Aber vom Schlachten wollen wir nicht wirklich etwas wissen. Zur Beruhigung aller sensiblen Seelen: Das passiert in Dortmund nicht mehr. Es gibt keinen Schlachthof mehr und keinen Metzger, der selbst schlachtet.
Trotzdem essen wir hier alle Fleisch. Und zwar viel zu viel, wie wir ja wissen. Also wird woanders geschlachtet. Die nächstgelegenen Schlachthöfe sind in Unna und Bochum.
Nutztiere wertschätzen
Ich möchte jedem Fleischesser empfehlen, morgens um 4 Uhr ein Kurz-Praktikum dort zu machen. Und schwupp – hat man eine ganze andere Beziehung zum Fleisch. Wenn man es sich danach nicht gleich ganz abgewöhnt hat, bringt man dem Nutztier und den daraus entstehenden Lebensmitteln eine viel höhere Wertschätzung entgegen.
Warum ist westfälische Küche so „lecka“ und wie führt man ein Traditions-Gasthaus? Darüber – und über vieles mehr – schreibt Koch Günther Overkamp in seiner Kolumne. Hier finden Sie alle Folgen.
Ich hab dieses „Praktikum“ in Unna gemacht. Meine Hochachtung gegenüber Nutztieren ist jedenfalls noch mal erheblich gewachsen. Dort wird jedes Schlachttier – entsprechend der Größe – auf unterschiedliche Weise betäubt. Eine EU-Norm legt fest, dass das betäubte Tier dann innerhalb von 60 Sekunden getötet sein muss. Das geschieht durch das Durchtrennen der Hauptschlagader. Das Blut tritt aus und das Tier merkt nichts davon.
Transport ist das Problem
Aber! Großes Aber! Das eigentliche Problem entsteht vorher. Und ich rede jetzt nicht von Massentierhaltung, die ja sowieso gar nicht geht. Ich rede vom Transport. Je länger ich ein Tier lebend transportiere, desto schlechter wird die Fleischqualität.
Das Tier, das aus seiner hoffentlich einigermaßen artgerechten Umgebung herausgerissen und eingepfercht zwischen vielen Artgenossen durch die Gegend gefahren wird, schüttet jede Menge Adrenalin aus.
Im Schlachthof gibt es dann eine sogenannte „Beruhigungszone“, wo sich die Tiere aber ganz und gar nicht beruhigen. Sie haben Angst und schütten weiter Adrenalin aus. Das ist Säure, die im Muskelfleisch nachweisbar ist – das wir dann essen.
Da ich diesen Aspekt zutiefst bedaure, bin ich ein großer Freund des Wildes: Weil das Wild erlegt wird, wenn es fröhlich auf der Lichtung steht, ein wunderbares artgerechtes Leben geführt hat und den Schuss gar nicht mitkriegt. Damit haben wir nicht nur Bio-Fleisch, sondern auch ein gutes Gewissen.
Weideschlachtung für Tierwohl
Und jetzt komme ich zu dem, wo ich überhaupt hin will: Was dem am nächsten kommt und was überhaupt auch erst neuerdings erlaubt ist, ist die sogenannte Weideschlachtung. Das bedeutet, dass die Tiere (vor allem Rinder) dort geschossen werden, wo sie gelebt haben: auf der Weide.
Ich hab jetzt einen Metzger kennengelernt aus Ascheberg, der sich um diese Genehmigung bemüht. Und ich bemühe mich, möglichst viel Fleisch aus Weideschlachtung auf unsere Speisekarte zu bekommen.
Mutterkuh-Haltung ist wichtig
Ich bin froh, dass die EU sich zur Genehmigung durchgerungen hat. Und zwar unter der Prämisse der sogenannten Mutterkuh-Haltung, bei der das Kalb bis zu 11 Monate bei der Mutter bleibt. Es hat ein natürliches Leben auf der Weide. Dies ist die Haltungsform der Zukunft. Denn nur glückliche Tiere können auch glückliches Fleisch liefern.
So. Für alle, die bis hierhin durchgehalten haben, habe ich jetzt eine beruhigende Nachricht: In der nächsten Kolumne geht es um Blümchen und schöne grüne Sprossen. In diesem Sinne: Bis denne!
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