Claudia Mosebach, Susann Fittkau und Antje Benedix (v.l.) sind über den Rückschnitt an der Grünfläche entsetzt.

Claudia Mosebach, Susann Fittkau und Antje Benedix (v.l.) sind über den Rückschnitt an der Grünfläche entsetzt. © Fittkau

Grünschnitt im Paradies: Spaziergängerinnen fürchten tödlichen Kahlschlag

rnPferdebachtal

Grünschnittarbeiten im Pferdebachtal alarmieren Bürgerinnen, die dort regelmäßig unterwegs sind. Entsetzt fürchten sie grobe Fehler und den Tod vieler Tiere. Das Umweltamt erklärt die Aktion.

Hacheney

, 12.09.2022, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Susann Fittkau dreht an ihrem Wohnort in Dortmund-Hacheney fast täglich eine „grüne Runde“, wie sie es nennt. Gemeinsam mit Nachbarin Claudia Mosebach spazieren sie vorbei an den Gartenanlagen im Pferdebachtal in Richtung Rombergpark. Besonders gefällt ihnen die sogenannte Feuchtwiese an der B54-Unterführung.

„Dieser Streifen gleicht einem Biotop, das den Tieren Unterschlupf, Nistplätze, Nahrung und so weiter bietet und den Menschen den Blick auf eine wunderschöne, naturbelassene Landschaft“, sagen die Hacheneyerinnen.

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Umso entsetzter waren sie über eine große Grünschnittaktion in ihrem Paradies: „Man fährt mit einem Mähfahrzeug hinein und in kurzer Zeit ist nichts mehr von der naturbelassenen Fläche übrig“, ärgern sich die Frauen. Sei meinen, hier wurden „grobe Fehler“ gemacht und schlagen Alarm, „um den verbleibenden Tieren und Pflanzen eine Chance auf Rettung zu bieten“, wie sie sagen.

Vor allem Igel werden durch Mähwerkzeuge stark verletzt

Susann Fittkau, die sich schon seit Jahren um Igel kümmert, befürchtet, dass die Mähaktion für viele Tiere das Todesurteil ist. „Ein Igel ist kein Fluchttier. Ganz im Gegenteil, er rollt sich ein und hofft, dass er die Gefahr mit seinen Stacheln abwehren kann. Seitdem die Mäharbeiten auf den Flächen begonnen haben, gab es etliche verletzte Igel, welche laut Tierarzt von den Rasentrimmern und anderen Mähwerkzeugen so stark verletzt wurden, dass sie nicht gerettet werden konnten.“

Außerdem sorgen sich die Frauen um brütende Vögel. „Die Aussage, dass man vorher nach Brutnestern geschaut hat, kann nicht standhalten, weil erst durch das Mähen Flächen zugänglich gemacht werden. Dann ist es allerdings für das Entdecken von Nestern zu spät.“

Die Fotos des Umweltamts zeigen Bereiche mit höherem Bewuchs.

Die Fotos des Umweltamts zeigen, dass Bereiche mit höherem Bewuchs geblieben sind. © Stadt Dortmund

In dem Gebiet seien auch Amphibien unterwegs, kleine Frösche wie Grasfrösche, Erdkröten und Teichmolche, die an dem nahegelegenen Gewässer geboren wurden. „Keines davon hat durch diese Mäharbeiten eine Überlebenschance.“

Und nicht zuletzt seien Bienen und Hummeln im Spätsommer auf jede einzelne, verbleibende Blüte angewiesen. Es mache keinen Sinn, den Tieren vorsätzlich die Nahrung zu nehmen.

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„Niemand darf zu dieser Zeit eine Hecke schneiden, das steht unter hoher Strafe. Mit welcher Berechtigung dürfen Sie den Auftrag zum Kahlschnitt eines solchen vielfältigen Lebensraums geben?“ Mit dieser Frage richten sich die Umweltschützerinnen an das Umweltamt der Stadt Dortmund. Sie wollen zudem wissen, warum die Mäharbeiten nicht, wie in den Jahren zuvor, von Schafen übernommen werden.

An den Wegerändern blieb das Buschwerk stehen.

An den Wegerändern blieb das Buschwerk stehen. © Stadt Dortmund

Das Umweltamt hat umgehend auf die Vorwürfe reagiert. Mitarbeiter haben sich vor Ort ein Bild von den Arbeiten gemacht, die die Firma Grünbau in ihrem Auftrag durchgeführt hat. Es sei keinesfalls ein Kahlschnitt erfolgt, teilt das Umweltamt daraufhin mit und schickt als Beweis Fotos von dem Grünbereich. Die Arbeiten seien wie zuvor abgesprochen durchgeführt worden.

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Man habe auch Rücksprache mit dem Grünbau-Bauleiter gehalten. Demnach seien die Gärtner nicht mit Mähfahrzeugen, sondern mit Handrasenmäher, Freischneider und Heckenschere vorgegangen. „Bei diesen Arbeiten wurden keine Tiere gesehen oder verletzt oder Gelege zerstört.“

Manchmal übernehmen auch Schafe die Arbeit

Für öffentliche Landschaftsbereiche wie das Pferdebachtal ist die Grünpflege festgelegt. Demnach wird die Grünfläche zweimal jährlich gemäht oder beweidet. In diesem Jahr sei die nördliche Hälfte der Fläche Anfang Juni durch Schafe beweidet worden. Ab Mitte August erfolgte dann die sogenannte Nachmahd.

Die Fläche ist beim Umweltamt als "Bachtal mit Feuchtwiesen und Gehölzbeständen" eingestuft.

Die Fläche ist beim Umweltamt als „Bachtal mit Feuchtwiesen und Gehölzbeständen“ eingestuft. © Stadt Dortmund

Damit werden aufkommende Gehölze, Verbuschungen und invasive Neophyten – gebietsfremde Pflanzen wie Herkulesstauden und drüsiges Springkraut, die sich stark ausbreiten – beseitigt. Die Pflegemaßnahmen haben so zu erfolgen, dass unterschiedlich stark genutzte und strukturierte Bereiche entstehen, heißt es in der Festlegung. Die Mäharbeiten im Bereich der Wege- und Gewässersäume sollen spät im Jahr – ab Mitte August – erfolgen.

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Gemäß dieser Anweisungen seien im Pferdebachtall in der Hauptsache Neophyten, Brennnesseln, Brombeeren und Austriebe von Eschen und Ahorn entfernt worden. „Blühbestände, der Bachsaum und dichte Gebüsche sowie alle Bäume und Gehölze wurden ausgespart“, so das Umweltamt.

Susann Fittkau und ihre Mitstreiterinnen können also beruhigt sein. Sie müssen sich aber auf weitere Schnittarbeiten auf ihrer grünen Runde einstellen. Denn das Umweltamt kündigt eine Fortsetzung an: „Die südliche Fläche ist so verbuscht, dass hier erst zu einem späteren Zeitpunkt Pflegemaßnahmen durchgeführt werden, wenn Gehölzschnittarbeiten erlaubt sind.“

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