
© Oliver Schaper
„Ihr gefährdet Menschenleben!“ - So lief der Streiktag in Dortmund
Gewerkschaft
Kein Nahverkehr, keine Bürgerdienste, Kitas ohne Kinder: Ein erneuter Warnstreik in Dortmund sorgte am Donnerstag für Chaos. Auch in der kommenden Woche kann es weitere Streiks geben.
von Jessica Will, Dennis Werner, Robin Albers, Maximilian Konrad, Oliver Schaper
Dortmund
, 15.10.2020, 18:06 Uhr / Lesedauer: 2 minEin Warnstreik hat am Donnerstag das öffentliche Leben in Dortmund an vielen Orten lahmgelegt. Busse und Bahnen fuhren nicht, viele Kitas waren geschlossen oder nur eingeschränkt geöffnet, auch einige Bürgerdienste und Sparkassen ließen ihre Türen verschlossen.
Zudem sorgten ein Demonstrationszug und eine große Kundgebung der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi für eine Sperrung des Südwalls seit 6 Uhr am Morgen.
Rund um den Südwall ergaben sich am frühen Morgen und im Laufe des Vormittags lange Staus auf den wichtigen Zufahrtsstraßen im Süden in Richtung City. Viele versuchten, die Sperrung zu umfahren, weswegen es im Saarlandstraßenviertel und im Kreuzviertel voll wurde.
Zu Beginn des Feierabendverkehrs war es vor allem auf der Hamburger und der Brackeler Straße östlich der City voll. Außerdem staute es sich am Autobahnkreuz Dortmund-West (A40/A45) und auf der B1.
Im Allgemeinen war die Verkehrslage in der City am frühen Abend entspannt. Auf den zuvor angespannten Wegen Ruhrallee, Hohe Straße und Wall floss der Verkehr zügig.
Streiks auch in der kommenden Woche möglich
Zurück zum Streikgeschehen: Nach Angaben von Verdi versammelten sich rund 2500 Menschen auf dem Südwall zur zentralen Kundgebung. Die Polizei sprach von knapp 1800 Teilnehmern. Verdi-Bezirksgeschäftsführer Michael Kötzing war mit der Resonanz zufrieden und hatte zudem noch eine Ankündigung parat.
Solle es von Arbeitgeberseite zeitnah kein „vernünftiges und wertschätzendes Angebot“ vorlegen, werde man auch in der kommenden Woche wieder streiken. Kötzing fügte an: „Wer den Konflikt will, der kriegt ihn auch - auch in der Pandemie.“
Passantin schreit: „Jetzt seid ihr bei mir unten durch“
Die Demonstrierenden ernteten auch Kritik: Eine Passantin ließ ihrer Wut freien Lauf: „Jetzt seid ihr bei mir unten durch, ihr Penner. Ihr gefährdet Menschenleben“, schreit sie. Zu einer Diskussion kam es nicht, die aufgebrachte Frau wandte sich direkt ab.
Das Thema Corona begleitete den Streiktag in Dortmund durchgehend: Ist das Infektionsrisiko mitten in einer Pandemie und an dem Tag, an dem Dortmund den Inzidenz-Wert von 50 überschritten hat, zu groß?
Masken tragen, Abstand halten
Verdi bemühte sich am frühen Morgen, die Streikenden für das Thema Corona zu sensibilisieren. „Tragt Masken, haltet Abstand, es ist genug Platz da“, sagte Gewerkschaftssekretär Martin Steinmetz am größten Sammelpunkt, dem Platz am Cinestar, wiederholt durch die Lautsprecher.
Die Organisatoren hielten Masken und Abstandsbänder bereit. Masken trugen so gut wie alle der Teilnehmer, die sich um kurz vor 8 Uhr dort aufhielten.
#ÖffentlicherDienst Rund 2500-3000 Kolleg*innen waren heute mit Abstand und Maske in #Dortmund dabei. Klares Signal an die öffentl. Arbeitgeber, wir erwarten ein Angebot! Wir wollten diese Tarifrunde in der #Pandemie nicht, ihr könnt sie jetzt beenden! https://t.co/ehdwed2SBw pic.twitter.com/pUdPh5eHyr
— ver.di Westfalen (@verdi_Westfalen) October 15, 2020
Nein, Corona sei für sie kein Grund, nicht zu streiken, sagte eine junge Frau: „Masken sollten ja mittlerweile selbstverständlich sein, und wir achten darauf, nicht zu nah beieinander zu stehen.“
Lange Wartezeiten für Autofahrer
Als sich der Demo-Zug dann kurze Zeit später auf den Weg zum Südwall machte, bemühten sich die meisten um Abstand: Zwischen den Reihen ist oft viel Platz. Dementsprechend lang war der Menschenstrom – und dementsprechend lange mussten die Autofahrer an den Kreuzungen warten.

Sandra Struckmeier kostet der Streik auf dem Weg zur Arbeit viel Zeit. © Jessica Will
Sandra Struckmeier stand mit ihrem Auto daher einige Minuten an der Kreuzung Königswall/Brinkhoffstraße. Der genervte Unterton in ihrer Stimme war nicht zu überhören: „Ich komme zu spät zur Arbeit. Und ob man bei so hohen Corona-Zahlen in so großen Menschenmengen zusammenkommen muss, weiß ich auch nicht.“
Insgesamt lief der Zug zum Südwall aber ohne größere Anfeindungen oder Diskussionen ab. Die Stimmung war entspannt, viele Passanten schauten eher desinteressiert zu. Der Ausbruch der wütenden Frau am Bahnhof schien ein Einzelfall zu sein.
1983 im Münsterland geboren, seit 2010 im Ruhrpott zuhause und für die Ruhr Nachrichten unterwegs. Ich liebe es, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, Fragen zu stellen und vor allem: zuzuhören.

Leitender Redakteur, seit 2010 in der Stadtredaktion Dortmund, seit 2007 bei den Ruhr Nachrichten.

1990 im Emsland geboren und dort aufgewachsen. Zum Studium nach Dortmund gezogen. Seit 2019 bei den Ruhr Nachrichten. Findet gerade in Zeiten von Fake News intensiv recherchierten Journalismus wichtig. Schreibt am liebsten über Soziales, Politik, Musik, Menschen und ihre Geschichten.

Gebürtiger Brandenburger. Hat Evangelische Theologie studiert. Wollte aber schon von klein auf Journalist werden, weil er stets neugierig war und nervige Fragen stellte. Arbeitet gern an verbrauchernahen Themen, damit die Leute da draußen besser informiert sind.
