Großer Protest in Dortmund Apotheker und Ärzte demonstrieren gemeinsam - und vermissen Respekt

Apotheker und Ärzte demonstrieren gemeinsam - und vermissen Respekt
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Wie schon bei einer Kundgebung in Dortmund im Sommer ist es ein lauter und ein kreativer Protest. Er ist vor allem getragen von den Mitarbeitenden der Apotheken und Arztpraxen, der überwiegende Teil davon weiblich. „Wir sind viele, wir sind laut, weil ihr uns Gesundheit klaut“, schallt es über den Vorplatz des Dortmunder U, der seine Demo-Taufe erlebt.

Eindrucksvolles Bild

Von rund 5000 Menschen vor Ort sprechen die Organisatoren später, nach Schätzungen vor Ort könnten es auch etwas weniger gewesen sein. So oder so: Das Bild, das entsteht, ist wirkungsvoll. Mehrere Hundert Meter misst der Demonstrationszug, der vom U erst auf den Westenhellweg einbiegt, später die Hohe Straße füllt und an den Westfalenhallen endet.

Protest im Schatten des U-Turms.
Protest im Schatten des U-Turms. © Felix Guth

Agnes Szary, seit 36 Jahren Mitarbeiterin einer Hausarztpraxis im Dortmunder Stadtteil Holzen, geht den langen Weg mit an diesem Tag. Die Praxis schließt an diesem Tag schon um 10 Uhr. Mehrere Dortmunder Praxen handhaben es an diesem Mittwoch ähnlich. Zu einer flächendeckenden Schließung kommt es an aber nicht. Auch, weil die Teilnahme am Protesttag nach Aussagen einiger nicht ausreichend kommuniziert worden sei.

Szary sagt, es sei ihr und dem gesamten Praxisteam wichtig gewesen, den Protest der Apothekerinnen und Apotheker zu unterstützen.

Sorge um Nachwuchs

Wir arbeiten ja im Alltag immer eng zusammen. Die kurzen Wege sind wichtig“, sagt sie. Und man teilt gemeinsame Sorgen – etwa, wenn Medikamente fehlen. „Wir verbringen viel zu viel Zeit mit Bürokratie“, sagt Szary. Was beide Berufsgruppen ebenfalls eint: massive Nachwuchsprobleme. „Im Moment haben wir noch Auszubildende. Aber ich frage mich, was danach kommt“, sagt die 58-Jährige.

Fragen, die in ländlicheren Regionen schon längst viel konkreter beantwortet werden. Ein Apothekerinnen-Team aus Finnentrop im Sauerland berichtet von großem Druck bei der Versorgung. Viele können das hier bestätigen. Am U-Turm kommen an diesem Tag Beschäftigte aus ganz NRW, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland zusammen.

Komplexe Finanzierung

Das Finanzierungssystem von Apotheken und Hausärzten hängt in einem hochkomplexen System zusammen. Für die Apotheken geht es vor allem um die Erhöhung der Vergütungssätze. Diese festen Zuschläge garantieren, dass Medikamente marktunabhängig zu festen Preisen gehandelt werden können. Die Sätze sind allerdings seit mehr als zehn Jahren nicht gestiegen.

„Das muss angepasst werden, damit wir weiter wirtschaften können“, sagt eine Apothekerin aus dem Rheinland. Das Problem sei schon jetzt akut, könne sich aber noch weiter verschärfen. Denn das Risiko, eine Apotheke neu zu eröffnen, sei für viele viel zu hoch. Die Arbeit in der Versorgung vor Ort sei für Studien-Absolventinnen und -Absolventen nicht mehr attraktiv, kritisiert auch ein Sprecher der Gewerkschaft der Apothekenbeschäftigen.

Fehlender Respekt

Eine Dortmunder Stimme im Protest am Mittwoch war Lars Rettstadt als Vorsitzender des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe. „Wir müssen uns Gehör verschaffen, im Sinne unserer Praxisteams und im Sinne unserer Patientinnen und Patienten“, sagt Rettstadt.

Auf der Bühne erntet er viel Applaus für die Forderung nach mehr Respekt durch die Politik. „Wir haben die Pandemie gerockt“, so Rettstadt.

Plakate und Symbolisierungen des „Apotheken-Sterbens“ waren in Dortmund zu sehen.
Plakate und Symbolisierungen des „Apotheken-Sterbens“ waren in Dortmund zu sehen. © picture alliance/dpa

Am Ende ist es ein Tag, an dem viele unschöne Szenarien gezeichnet werden. Das Ende wohnortnaher Versorgung bei Praxen und Apotheken etwa, also weite Wege bei kleinen Beschwerden. Manch eine oder einer hier ist wütend. Ziel der Kritik ist häufig die Politik, die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verantwortet wird.

Tatsächlich schildern viele junge Angestellte diese häufige Frage aus ihrem Umfeld: „Warum tust du dir das an?“ Viele sagen auch, dass sie darauf immer seltener eine Antwort wissen.