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Großer Abstand geht nicht: Kinderbetreuung als echte Herausforderung
Corona-Krise und die Kitas
Schulen und Kitas sind wegen der Corona-Gefahren geschlossen. Doch es gibt eine Notbetreuung. Für die Erzieherinnen und Erzieher ist das eine ganz besondere Herausforderung.
Ira Kersebaum arbeitet seit 33 Jahren in der evangelischen Kita St. Nicolai im Dortmunder Kreuzviertel, seit 25 Jahre ist sie die Leiterin. Und in dieser Zeit hat sie schon viel erlebt - wie den Umbau der Kita bei laufendem Betrieb. Die Notbetreuung zur Corona-Zeit ist aber auch für sie eine absolute Ausnahmesituation.
Kitas und Schulen sind zwar seit Mitte März geschlossen, um die Ansteckung mit dem Coronavirus einzudämmen. Zugleich muss aber in allen Einrichtungen eine Notbetreuung garantiert werden. Seit Anfang der vergangenen Woche reicht es, wenn ein Elternteil nachweisen kann, in einem sogenannten Schlüsselberuf zu arbeiten - etwa im Gesundheitswesen, in der Verwaltung oder im Einzelhandel.
„Theoretisch hätten damit 43 Kinder bei uns einen Anspruch auf Notbetreuung“, rechnet Ira Kersebaum vor. Das ist knapp ein Drittel aller Kinder, die im Familienzentrum St. Nicolai betreut werden. „Doch die Eltern machen davon sehr umsichtig Gebrauch“, stellt die Kita-Leiterin fest. In der ersten Woche waren gerade einmal vier Kinder in der Notbetreuung, in der vergangenen Woche fünf. Ein weiteres Kind kommt in der neuen Woche dazu.
Verhaltene Nachfrage
Die Erfahrung in St. Nicolai entspricht dem stadtweiten Trend. Auch durch die Lockerung der Aufnahmebedingungen - anfangs mussten beide Elternteile in „Schlüsselberufen“ arbeiten - ist die Zahl der Kinder in der Notbetreuung in ganz Dortmund nicht gestiegen.
Im Gegenteil: Waren es anfangs bis zu 800 Kinder im Kita-Alter in der Notbetreuung, sank die Zahl in der vergangenen Woche stadtweit auf 659 Kinder in den Kitas und 90 Kinder in der Kindertagespflege, erklärte Stadtsprecherin Anke Widow auf Anfrage. Nur ganz vereinzelt gebe es Anfragen für eine jetzt auch mögliche Betreuung an den Wochenenden und in den Osterferien.
Bei Ira Kersebaum ist bislang noch keine Anfrage zur Betreuung an Wochenende gelandet. Zum Glück. Denn für die Kita-Leiterin ist es so schon nicht einfach, die Betreuung an den Wochentagen sicherzustellen. „Von den 19 Erzieherinnen und Erziehern, die wir normalerweise haben, stehen gerade einmal fünf zur Verfügung“, berichtet sie. Die anderen fallen aus, weil sie eigene Kinder betreuen müssen oder krank sind.
Denn es gilt: Schon der kleinste Schnupfen und der leiseste Husten führt zum Ausschluss. „Auch die Kinder müssen bei den kleinsten Anzeichen einer Erkältung sofort nach Hause“, sagt Ira Kersebaum. „In normalen Zeiten müsste dann in der Erkältungszeit die Hälfte der Kinder zuhause bleiben.“ Doch normalerweise gilt: Ab 38 Grad Fieber ist der Kita-Besuch tabu. „Jetzt müssen wir ganz rigoros sein“, erklärt die Kita-Leiterin.
Arbeiten in Zweier-Teams
Die Personalnot, die sich durch die strengen Vorgaben ergibt, führt aber auch dazu, dass der Wunsch, für alle Kinder einen festen Bezugserzieher vor Ort zu haben, nicht erfüllbar ist.
Die aktuell fünf Erzieherinnen und Erzieher in der Kita St. Nicolai sind in Teams aufgeteilt, die sich wöchentlich abwechseln. Zwei sind jeweils vor Ort, die anderen machen eine Woche Homeoffice mit Vor- und Nachbereitung für die Kita-Betreuung und halten sich in Bereitschaft. „Dafür ist man dann beim Dienst in der Kita von 7 bis 16 Uhr im Einsatz“, erklärt Ira Kersebaum.
Dank der geringen Zahl an Kindern ist es aber auf jeden Fall gewährleistet, dass sie in kleinen Gruppen betreut werden. Weil die Kita St. Nicolai ohnehin nach einem offenen Konzept ohne feste Gruppenstrukturen arbeitet, fällt die nun nötige Mischung der sechs Kinder nicht ins Gewicht.
Distanz ist nicht möglich
Und natürlich gelten in der Notbetreuung besondere Sicherheits- und Hygienemaßnahmen zum Schutz vor Corona. „Türklinken und Toiletten werden etwa deutlich häufiger desinfiziert“, nennt die Kita-Leiterin ein Beispiel.
Was nicht einzuhalten ist, ist die Forderung nach Abstand. „Wenn ein zwei- oder dreijähriges Kind hinfällt, muss man es natürlich auch auf den Arm nehmen können, um es zu trösten“, sagt Ira Kersebaum. Und man könne die Erzieherinnen und Erzieher auch nicht in Schutzanzüge stecken: „Dann kriegen die Kinder ja Angst.“
Ganz im Gegenteil sind die Erzieherinnen und Erzieher wie immer bemüht, dass sich die Kinder in der Notbetreuung möglichst wohl fühlen. Dabei gab es anfangs auch ganz besondere Programmpunkte: Weil die übliche Mittagessen-Lieferung über einen Caterer ausfällt, wurde in der ersten Woche mit den Kindern selbst gekocht. Inzwischen nutzt man den Außer-Haus-Service, den die Gastro-Initiative Dortmund unter dem Motto „Wir kochen für Dortmund“ bietet.
Alles gilt „bis auf Weiteres“. Denn in Corona-Zeiten kann man nur von Tag zu Tag oder allenfalls von Woche zu Woche planen. Auch wie sich die Nachfrage für die Notbetreuung weiter entwickeln wird, ist schwer abzuschätzen. „Es ist für die Familien ja auch nicht einfach, mit der Situation fertig zu werden“, stellt Ira Kersebaum fest.
Oliver Volmerich, Jahrgang 1966, Ur-Dortmunder, Bergmannssohn, Diplom-Journalist, Buchautor und seit 1994 Redakteur in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten. Hier kümmert er sich vor allem um Kommunalpolitik, Stadtplanung, Stadtgeschichte und vieles andere, was die Stadt bewegt.
