Gisela K. ist Anfang 50, als ihr Leben in Scherben liegt. Sie weist sich selbst in die Psychiatrie ein. „Ich konnte nichts mehr. Ich habe funktioniert, ich habe den Haushalt gemacht, aber ich habe nicht mehr gelebt“, sagt sie heute. Es ist dieses eine Wort, das ihr damals den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Heroin.
Dabei könnte man das Wort vielleicht mit einem Schulterzucken abtun. Aber wenn es im Zusammenhang mit dem eigenen Sohn steht, dann geht das nicht. Gisela K.s Sohn ist 20 Jahre alt, als sie herausfindet, dass er regelmäßig Heroin konsumiert. An Heroin sterben Menschen. Man kann sich totspritzen, sind ihre Gedanken damals. „Ich hatte panische Angst“, sagt die Mutter.
Gisela K. ist heute 76 Jahre alt. Seit 2005 leitet sie den Angehörigenkreis Drogen konsumierender Menschen in Dortmund. Eine Selbsthilfegruppe für Eltern, die das gleiche Schicksal wie Gisela K. teilen. Ihr Kind ist drogenabhängig.
K. spricht offen über das Thema, ihren Nachnamen möchte sie in diesem Artikel aber lieber abgekürzt lesen. Zum Schutze ihres Sohns. Sie will nicht, dass die Familie seiner Freundin etwas erfährt.
Drogensucht, das ist noch immer ein Tabu-Thema. „Wenn man an Drogen denkt, denkt man an diese Abgerissenen, Abgetakelten, die in der Innenstadt rumhängen. Damit will niemand etwas zu tun haben“, sagt Gisela K. Das Thema zu enttabuisieren, ist zu ihrer Lebensaufgabe geworden.
Mittlerweile ist ihr Sohn Mitte 40, der letzte Rückfall, von dem sie weiß, liegt mehrere Jahre zurück. Begonnen hat seine Drogengeschichte mit einem Joint auf dem Schulhof. Da war er 13 Jahre alt.
Gisela K. erfährt erst davon, nachdem sie das Wort Heroin im Zusammenhang mit ihrem Sohn gehört hat. Er wollte dazu gehören, sagt er ihr später. Mitmachen, wissen, wie das ist. Dass er abhängig werden könne, kam ihm nicht in den Sinn.
Sie dachte, das wächst sich raus
Geahnt hat Gisela K. nichts. Klar, ihr Sohn ist unterwegs, kommt auch mal später nach Hause. Naja, denkt sie, die jungen Leute trinken halt Alkohol, feiern. Das ist die Pubertät. Das wächst sich raus. An harte Drogen verschwendet sie keinen Gedanken. Die Mutter hatte mit ihren zwei Söhnen über Drogen gesprochen, was sie anrichten können. Darüber hinaus wusste sie nicht viel. Nicht wie sie aussehen, wie sie riechen. Jemand sagte zu ihr: „Du hättest was merken müssen.“ Aber sie sei zu unbedarft gewesen.
Sie war der Meinung, in ihrer Familie passiert sowas im Leben nicht. Denn Drogen, das gibt es doch nur bei Asozialen. Oder bei Reichen, die keine Zeit für ihre Kinder haben. Aber nicht in einer ganz normalen Handwerkerfamilie. „Heute weiß ich, dass das großer Schwachsinn ist“, sagt Gisela K.
Wir sitzen am Esstisch im Wohnzimmer der 76-Jährigen. Im Hintergrund tickt die große Standuhr. Durch das Fenster blickt man in den Garten. Eine Reihenhaus-Siedlung im Dortmunder Süden. Heile Welt.
Aber Drogen sind im kleinsten und idyllischsten Dorf Deutschlands zu bekommen, weiß Gisela K. heute. Dortmund sei nicht allein mit dem Problem, das es hier auch immer schon gegeben habe und sich in den vergangenen Jahren zugespitzt hat. In Hamburg, Berlin, Frankfurt, überall kämpfe man gegen Drogen an.
Seit sie vom Drogenkonsum ihres Sohns weiß, habe sie alles aufgesaugt, wie ein Schwamm. Hunderte Seminare, Vorträge, Gespräche. Sie weiß über die Wirkungsweise, von Therapieansätzen. Mittlerweile ist sie auch eine Expertin, sagt sie und lacht.
„Es war die Hölle“
Damals, Anfang der 2000er Jahre, konnte sie die Mundwinkel nicht einmal leicht zu einem Lächeln anheben. „Es war die Hölle. Für die ganze Familie.“
Wenn sie Sirenen von Einsatzwagen hörte, dachte sie: Hoffentlich will die Polizei nicht zu uns. „Ich hatte immer das Gefühl, irgendwann kriege ich den Anruf oder die stehen vor der Tür und sagen, dass sie den irgendwo tot gefunden haben.“ Die Vorstellung quält sie. Tag und Nacht.
„Mein Leben war eine Katastrophe damals. Ich hatte keinen Spaß mehr an irgendwas. Wenn ich essen gegangen bin, ist mir das Essen im Halse stecken geblieben, weil ich gedacht habe: Du haust dir hier die guten Sachen rein, wer weiß, ob dein Sohn was hat“, sagt Gisela K. Es ist der Punkt, an dem sie sich in die Psychiatrie einweisen ließ.

„Fühlen Sie sich schuldig?“, war eine der ersten Fragen, die ihr eine Ärztin stellte. „Ja klar! Natürlich“, habe sie damals geantwortet. Ihr Mann war arbeiten. Sie war zu Hause und hat die Kinder erzogen. Natürlich sei sie es gewesen, die die Fehler gemacht habe. Es ist, was K. damals denkt. Heute nicht mehr. „Ich habe keine Schuldgefühle mehr.“ Heute ist sie der Überzeugung: „Wir Eltern sind nicht schuld daran.“ Sie macht es an den Geschichten aus der Selbsthilfegruppe fest.
Eine Mutter sagte: „Hätte ich mich mal nicht scheiden lassen, danach hat mein Sohn angefangen.“
Eine andere sagte: „Hätte ich mich mal eher scheiden lassen, dann hätte mein Sohn das ganze Theater nicht mitbekommen und hätte nicht angefangen.“
Eine dritte sagte: „Ich bin arbeiten gegangen, ich hatte zu wenig Zeit für mein Kind.“
Die vierte: „Ich war zu viel zu Hause, ich habe zu viel auf meinem Kind gehockt.“
K. ist mittlerweile der Meinung: Es ist völlig müßig zu überlegen, warum. Über das Warum hat sie sich jahrelang den Kopf zerbrochen. Warum hat er das gemacht? Warum mein Sohn? Warum mein anderer Sohn nicht?
„Es gibt keine Antwort“
„Es gibt keinen wirklichen Grund. Es gibt keine Antwort.“ Man sagt: Sucht hat immer eine Geschichte. Für K. nicht. „Natürlich gibt es die Missbrauchs-Geschichten, das schwierige Elternhaus. Aber: Es kann auch einfach so passieren.“ Manche Jugendliche wollen sich einfach ausprobieren, auf einmal hängen sie fest.

In ihrem Angehörigenkreis sitzen Ärzte, Lehrerinnen, Handwerker, Sozialhilfe-Empfänger. Sie kommen aus Kirchhörde und aus der Nordstadt. „Gemeinsam haben sie, dass ihnen daran gelegen ist, dass ihre Kinder da rauskommen. Sonst säßen sie nicht da“, ist sich K. sicher. „Der Beruf spielt keine Rolle. Es ist einfach Schicksal. Ich weiß es nicht.“
Viele fallen erst aus allen Wolken und dann ins Bodenlose, wenn sie vom Drogenkonsum ihrer Kinder erfahren. Bei Gisela K. ist es genauso. Ihr Sohn machte seinen Schulabschluss, dann eine Lehre. Es lief doch alles. Wenn ihr Sohn auf Heroin war, merkte sie es nicht mal. „Der hat sich nicht zugeknallt, sondern nur eine bestimmte Menge genommen. Er war lustig und fröhlich. Damit hat er funktioniert.“
Ärger mit der Polizei
Aber irgendwann wurde der Konsum auffällig. Es gab immer mehr Krach. Die Polizei fand bei Kontrollen Heroin in seiner Tasche. Es folgten Geldstrafen, Sozialdienste. Im Gefängnis landete er nie.
Irgendwann verlor er das erste Mal seine Arbeit. In einer Phase starken Konsums tauchte er einfach nicht mehr auf. „Mein Sohn arbeitet sehr gerne.“ Er habe sich immer wieder etwas Neues gesucht. „Mach dir keine Sorgen, Mama, ich habe das im Griff. Mir geht's doch gut“, habe er ihr damals gesagt.
Mit 22 Jahren dann die erste Entgiftung. Nach einer Woche brach er sie ab. „Der dachte, ich mach‘ das mal eben, dann gibt’s kein Theater mehr zu Hause. Dann ist das Problem erledigt.“ K. dachte das auch: Kurz entgiften, dann habe ich meinen Sohn wieder. Aber so leicht ist es nicht.
Diese Erkenntnis reifte damals bei Gisela K. Bei ihrem Sohn ist es eine andere: „Mama, ich bin ja abhängig.“ Er sei total entsetzt gewesen, erinnert sich K. mehr als 20 Jahre später. Gisela K. brauchte zu diesem Zeitpunkt Abstand. Sie suchte ihrem Sohn eine Wohnung, in der er noch heute lebt. Mittlerweile haben sie ein gutes Verhältnis, sagt die Mutter.
Aber es gibt einiges, was sie auch heute nicht weiß: Wie regelmäßig ihr Sohn nach dem ersten Joint gekifft hat. Was er danach noch nahm, auch nicht. Sie hat im Nachhinein nie danach gefragt. Früher habe sie immer gesagt, sie wolle alles wissen. Heute nicht mehr. „Er hat mir zu viel in der Zwischenzeit erzählt, was ich am liebsten nie gehört hätte.“
„Ich habe auch alles geglaubt“
Zum Beispiel die Geschichte ihres Lieblingsparfüms, das ihr Sohn ihr einmal geschenkt hat. Damals kostete es 70 Mark. „So ein gutes Kind, er hat extra für mich gespart“, dachte sich Gisela K. damals. Jahre später erfährt sie von ihm: Das Parfüm war gestohlen. „Ich wäre doch nicht darauf gekommen, dass mein Kind klauen geht. Mein Kind doch nicht. Ging doch nicht.“ Ging doch nicht. Kann doch nicht. K. benutzt immer wieder diese Formulierungen, wenn sie über die Vergangenheit spricht. Mittlerweile weiß sie schon lange: Geht alles. Kann alles. Passiert alles.
Heute muss sie manchmal grinsen, wenn ihr Eltern etwas erzählen. Die glauben alles, was ihre Kinder ihnen an Ausreden auftischen. „Ich habe die Entgiftung abgebrochen, weil die mich gemobbt haben, die sind so aggressiv. Mama stell dir vor, die konsumieren da Drogen.“ Gisela K. sagt es ohne Vorwurf. „Mir ist es damals nicht anders gegangen. Ich habe auch alles geglaubt.“

Wenn Gisela K. über die Eltern in der Gruppe spricht, sagt sie häufig „meine Eltern“, meistens aber „meine Mütter“, denn es seien vor allem die Mütter, die kommen. Gisela K. ist für sie vielleicht auch so etwas wie eine Mutterfigur, die man nach Rat fragen kann. Während wir sprechen, macht es immer wieder Pling. Eine neue Nachricht auf dem Handy.
Sie schreibt den Eltern nichts vor. Dafür hat sie in den unzähligen Seminaren und Vorträgen zu viel gehört. Ihr helfen die Sitzungen auch selbst. Auf einmal merkte sie, ich bin nicht allein und sie lernte: „Es gibt keinen Königsweg, es gibt kein Allheilmittel. Und es gibt auch nichts, was die Hoffnung kaputt machen kann. Es gibt Menschen, die ganz unten waren, die es geschafft haben und jetzt clean sind.“ Gleichzeitig mache sie den Eltern nichts vor. Ihr Kind kann deshalb zusammengeschlagen werden, kann im Gefängnis landen, kann sterben.
Eine Frage als Ratschlag
Das einzige, was sie den Eltern rate, sei eigentlich eine Frage, die sie damals gestellt bekommen habe: Was tust du für dich?
Sie versteht die Frage damals nicht. Ihr Kind ist krank, nicht sie. Heute sagt sie den Eltern im Angehörigenkreis: „Pass mal auf: Wenn du auf der Nase liegst, wenn du so fertig von dem Ganzen bist, kannst du auch deinem Kind nicht mehr helfen. Da hilfst du gar keinem mehr.“ Ablenkung sei wichtig. Zum Sport, ins Kino.
Und sie hat einen weiteren Rat. „Du musst gar nichts.“ In Beratungsstellen bekomme man immer noch zu hören: „Schmeißen Sie den raus, halten Sie Abstand und kümmern Sie sich um sich selbst.“ Auch ihr wird das damals geraten. Sie erinnert sich an das Gespräch:
„Warum sollte Ihr Sohn sich ändern? Der hat es doch gut bei Ihnen. Der hat eine warme Wohnung, der kriegt die Wäsche gewaschen, der kriegt Essen gekocht.“
„Ja und?“
„Schmeißen Sie den raus!“
K. habe dort gesessen und geweint, dann sei sie wütend und laut geworden: „Ja super, Ihr Kind ist es ja nicht. Wenn Sie mir jetzt sagen, wenn ich den rausschmeiße, dann ändert der sich. Dann fliegt der gleich in der nächsten Viertelstunde, wenn ich zu Hause bin.“
„Nee, das kann ich Ihnen auch nicht sagen.“
„Was wollen Sie mir dann als Mutter erzählen? Meinen Sie, mir geht es besser, wenn der auf dem Westenhellweg sitzt und bettelt? Oder wenn der irgendwo übernachtet in der Botanik?“
„Geht gar nicht“, sagt sie heute.
„Kann ich auch in den Kanal schmeißen“
Man müsse die Sorgen der Eltern ernst nehmen. Die Beratung habe sich gebessert, die Profis hätten mit vielem recht, aber man müsse seinen eigenen Weg finden.
Sie rät ihren Eltern: „Wenn du ihn rausschmeißen möchtest und du kannst das, dann machst du das. Und wenn nicht, dann lässt du ihn zu Hause.“
Sie habe ihrem Sohn immer den Kühlschrank vollgemacht. Einmal habe ihr jemand gesagt, das darfst du nicht, dann kauft er sich von dem Geld, das er übrig hat, nur wieder Drogen. „Und was glaubst du, was der sich kauft, wenn der noch 10 Euro hat?“, habe sie damals entgegnet: „Brot bestimmt nicht!“ Sie füllt ihm weiter den Kühlschrank. Dann weiß sie, er ernährt sich wenigstens.
„Ich weiß, jeden Euro, den ich einem Drogensüchtigen gebe, kann ich auch in den Kanal schmeißen, dann ist der auch weg“, sagt Gisela K.
„Natürlich ist er zu kurz gekommen“
Seit mehreren Jahren mache sie viel aus dem Bauch heraus. „Heute bin ich hart und sage, weißt du, von mir nicht. Und morgen sage ich, komm, nimm den Zehner und hau ab.“ Sie gebe ihrem anderen Sohn auch Geld. Und der kaufe sich davon nicht unbedingt das, was sie toll finde.
Hat ihr anderer Sohn unter der Drogensucht seines Bruders gelitten?
„Vermutlich ja“, sagt K., dann überlegt sie und sagt: „Natürlich ist der zu kurz gekommen. In allem. Ein krankes Kind steht immer im Fokus und der andere fällt irgendwo hintenüber.“
Nimmt er ihr das übel? „Gar nicht.“ Seinem Bruder? „Auch nicht. Nee, die haben ein gutes Verhältnis.“
Das Verhältnis zwischen Gisela K. und ihrem Mann wurde durch die Drogensucht ihres Sohnes aber massiv auf die Probe gestellt. Fast zerbrach die Ehe daran. Ihr Mann merkte, wie sie unter der Drogensucht des Sohnes litt.
Die Wut auf den Sohn stieg
Je mehr sie litt, desto größer wurde die Wut auf den Sohn. „Dann haben sie sich gestritten. Danach haben wir uns gestritten, weil es ja nichts brachte, wütend auf ihn zu sein“, sagt Gisela K. Dabei sei sie auch wütend auf ihren Sohn gewesen.
Es habe gedauert, bis sie verstanden hat, dass ihr Sohn das nicht macht, um sie zu ärgern, um sich von der Familie abzugrenzen. „Ich habe gedacht, der weiß doch, dass mir das wehtut. Wie kann der nur?“ Sie macht eine Pause und gibt sich selbst die Antwort: „Sucht ist stark. Sucht ist ganz stark.“
Dein Kind erzählt dir: „Ich habe doch kein Problem. Mir geht es doch gut.“ Und um es herum geht alles kaputt. „Das ist, was für die Eltern so schwierig ist. Diese Hilflosigkeit. Danebenzustehen, während das eigene Kind sein Leben vor die Wand fährt. Das tut furchtbar weh.“ Sie kenne etliche Eltern, die in der Psychiatrie landen.
Ihr Sohn erlebt einen Knackpunkt
Viele Ehen würden an der Drogenabhängigkeit der Kinder zerbrechen. Die Lösung von Gisela K. und ihrem Mann war, dass sie sich um das Drogenproblem ihres Sohns kümmerte, ihr Mann hielt sich raus. Es funktionierte. Irgendwann habe es auch bei ihrem Sohn Klick gemacht.
Er habe von sich aus gesagt: „Ich gehe in die Therapie.“ Da sei der Knackpunkt gewesen. „Es funktioniert erst dann, wenn der Süchtige selbst davon überzeugt ist, dass er was ändern will“, sagt Gisela K. „Die müssen davon wegkommen wollen, dann haben sie eine Chance.“
Auch danach gab es noch Rückfälle, aber seit er ausgezogen ist, sagt Gisela K.: „Wie er von den Drogen wegkommt, wie er damit lebt, liegt seitdem in seiner Verantwortung. Er hat die Wohnung, seine Freundin, Arbeit. Es läuft, ich bin zufrieden.“ Es sei nicht mehr unbedingt ihr Thema. Wo ist er? Was macht er? Hat er was zu essen? Hat er Geld? Kommt er zurecht? „Da mache ich mir heute keinen Kopf mehr drum. Schon lange nicht mehr. Das ist seine Sache, nicht meine. Wenn er mich braucht, weiß er, Mama ist da.“
Aber sie habe auch ein eigenes Leben. Das musste sie erst begreifen. „Ich habe gelernt, damit zu leben, wieder Urlaub zu machen, wieder Spaß am Leben zu haben.“ Es sei auch das, was sie in ihren Gruppen immer ihren Eltern weitergebe: „Ihr habt ein Recht auf eure eigenen Leben. Ich lebe nicht mehr das Leben meines Sohnes.“ Sie wolle, dass sie wieder lachen können.
„Eigentlich müsstest du mir dankbar sein“
Irgendwann habe ihr Sohn mal zu ihr gesagt: „Mama, eigentlich müsstest du mir dankbar sein, dass ich abhängig bin.“
Sie habe nur ein „Hallo?“ entgegnet.
„Überleg doch mal, welche Entwicklung du gemacht hast. Welche Leute du kennengelernt hast. Wo du rumgekommen bist. Was du alles erlebt hast. Das hättest du nie ohne meine Drogensucht erfahren.“
„Irgendwie hat er recht“, sagt Gisela K. heute. Sie hat durch die Seminare Freunde in ganz Deutschland gefunden. Bei der Schulpflegschaft damals hatte sie noch mit piepsiger Stimme gesprochen, heute ist ihre Stimme fest, wenn sie über all das Schlimme spricht, das sie erlebt hat. Nur einmal bricht sie, als sie von ihrer engen Freundin spricht. Ihr Sohn ist an Drogen gestorben. Sie hat alles mitbekommen. „Das geht mir unters Fell.“
Sie hätte in ihrem Leben gut auf all das verzichten können. Verharmlosen möchte sie nichts: „Es ist alles schlimm“, sagt sie, „aber man kann damit leben.“
Dieser Text erschien erstmals am 10. September 2023.
Der Angehörigenkreis Drogen konsumierender Menschen (Dortmund) trifft sich jeden 2. und 4. Mittwoch um 19.30 Uhr in der Dortmunder Innenstadt.
Weitere Infos bekommen Sie unter der Telefonnummer (0231) 48 20 18.
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