Als Horst Stachorra vom Urteil gegen Jens Lehmann im aufsehenerregenden „Kettensägen-Prozess“ liest, hat er direkt einen ähnlichen Vorfall mit seiner Nachbarin im Kopf: Zwar hat diese nicht mit einer Kettensäge die Dachbalken in seiner Garage angesägt, dafür aber mit einem Trennschleifer seine Zaunpfosten demontieren lassen.
Seit 1959 wohnt Horst Stachorra an der Hangeneystraße in Dortmund-Huckarde. Im Grunde fühlt er sich dort nach wie vor wohl, besonders sein großer Garten mit dem schönen Gartenteich war schon immer seine Oase. Doch sein Glück ist getrübt, eigentlich schon seit den 1980er Jahren.
Im Haus nebenan, das mit der Nummer 73, zog damals Hatice Cenan mit ihrer Familie ein. „Am Anfang war noch alles gut“, erinnert sich der 81-Jährige. Mit der Zeit aber seien die Nachbarskinder immer wieder auf sein Grundstück gelaufen, Stachorra spricht von „Grundstücksinspektionen“.
Zwei weitere Zäune errichtet
Über den Zaun seien sie geklettert oder drunter hergekrochen. „Einmal hing ihre Tochter oben im Zaun fest und lief schon blau im Gesicht an. Ich habe sie hoch gehoben und meine Frau die Feuerwehr gerufen“, erzählt er.
Daraufhin errichtete Horst Stachorra parallel zu dem vorhandenen einen weiteren Maschendrahtzahn mit Betonkante, um das Unterkriechen zu verhindern. Ein Stabmattenzaun kam mit der Zeit ebenfalls hinzu, auch Stacheldraht brachte der Kirchlinder oberhalb der Zäune an, damit niemand - ob Nachbarn oder Fremde - mehr rüberklettert.
Die Streitereien nahmen in den folgenden Jahrzehnten ihren Lauf: Horst Stachorra fühlte sich oftmals von der Lautstärke nebenan belästigt. „Da waren ständig viele Leute und laute Musik“, erzählt er. „Hier hat ein regelrechter Bevölkerungsaustausch stattgefunden“, sagt Stachorra und zieht Kulturunterschiede als Ursache des Konflikts heran. „Ich wurde auch bedroht.“

Seinen Höhepunkt erreichte der Nachbarschaftsstreit nun im vergangenen Sommer: Im Juli ließ die Nachbarin die Zaunpfosten, die zum alten Maschendrahtzaun gehörten, von einem anderen Nachbarn entfernen. „Den Zaun selbst hat sie über die Jahre hinweg schon Stück um Stück abgebaut“, sagt Stachorra.
„Der Nachbar hat die Pfosten eines Tages mit einem Trennschleifer weggeflext, und meine Nachbarin hat die Pfosten dann weggetragen“, empört sich Stachorra noch heute. Er habe den Nachbarn noch aufgefordert, damit aufzuhören - vergebens.
Anzeige wegen Sachbeschädigung
Der Senior griff zur Kamera und machte Beweisfotos. Ein paar Tage später erstattete er Strafanzeige wegen Sachbeschädigung und Diebstahl. Zudem suchte er sich bei einer Anwaltskanzlei rechtlichen Beistand, um Schadenersatz einzufordern. Wie er so erzählt, wirkt er überlegt und ausgeglichen. „Ich habe als ehemaliger Berufsschullehrer ja auch strapazierfähige Nerven“ sagt er augenzwinkernd.
Das Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft Dortmund allerdings im Mai 2024 ein. Dagegen legte Stachorras Anwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft Hamm Beschwerde ein, nun liegt die Ermittlungsakte bei der Staatsanwaltschaft Bochum.

Im September forderte die Kanzlei Hatice Cenan zur Zahlung von knapp 2900 Euro auf: Für die Errichtung eines neuen Zauns holte Horst Stachorra ein Angebot ein, dieses liegt bei 2507,52 Euro. Hinzu kommen in der Forderung 367,23 Euro für anwaltliche Bearbeitungsgebühren. Die Frist bis zum 30. September ließ die Nachbarin allerdings verstreichen.
„Warum soll ich etwas ersetzen, das auf meinem Grundstück gestanden hat?“, erwidert Hatice Cenan auf den Vorfall und die anwaltlichen Forderungen angesprochen. Viel sagen möchte sie zu der Sache nicht, auch bildlich möchte sie lieber nicht in Erscheinung treten.

Sie wirkt erschöpft von dem Streit, beharrt darauf, dass die Pfosten auf ihrem Grundstück gestanden haben. Dort liegen sie auch noch, ordentlich nebeneinander auf dem Pflaster. Von Diebstahl könne also keine Rede sein.
„Zwei Rasenmäher sind kaputtgegangen, weil ich beim Mähen immer gegen die Pfosten gekommen bin“, begründet sie das Entfernen. Und setzt nach: „Herr Stachorra hat einfach etwas gegen Ausländer.“ Früher habe er zum Beispiel die Bälle ihrer Kinder und Enkelkinder immer zerschnitten, wenn die beim Spielen mal über die Zäune geflogen seien.
Verhärtete Fronten
Horst Stachorra hingegen verweist auf einen Grenzstein, der die Grundstücksgrenzen markieren soll. Demnach habe der Maschendrahtzaun eindeutig auf seiner Seite gestanden. Die Fronten sind verhärtet, beide Seiten fühlen sich im Recht.
Immerhin: „Seit ich Anzeige erstattet habe, ist Ruhe“, sagt Stachorra. Einfach beigeben möchte der Kirchlinder dennoch nicht, er möchte gegen seine Nachbarin Klage einreichen und diese bis zur letzten Instanz durchziehen. „Wie der Nachbar von Jens Lehmann vorgegangen ist, hat mich beeindruckt“, betont er. „Ich werde diese Sache genauso durchziehen.“
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 7. November 2024.