Dortmunder Lehrer über das Pisa-Desaster „Genau der Jahrgang, um den wir uns nicht gekümmert haben“

Pisa-Ärger: „Genau der Jahrgang, um den wir uns nicht gekümmert haben“
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Martin Heuer geht Jahrgang für Jahrgang durch. Nicht alle, sagt er, hätten gleich viel verloren in der Corona-Zeit. Vor allem aber seien es die Schülerinnen und Schüler gewesen, die dann für die neueste Pisa-Studie getestet worden seien. Ausgerechnet die.

Heuer ist Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Dortmund. Seit 25 Jahren unterrichtet der 59-Jährige mittlerweile an Hauptschulen im Stadtgebiet. Er weiß nicht nur, worüber sich die Lehrerkollegen beschweren. Er weiß auch aus dem Schulalltag, warum es so hakt.

„Die waren die Selbstlerner“

„Es ist der Jahrgang, der auch zu Corona-Zeiten verloren hat: genau die, die in der siebten Klasse waren.“ Um die Erst- und Zweitklässler habe man sich ja gekümmert, weil die neu im System Schule waren – auch um die Viertklässler, da für sie ja der Wechsel anstand. Die Fünft- und Sechstklässler hätten ebenfalls Aufmerksamkeit bekommen – sie seien ja wieder neu gewesen an ihren Schulen.

Schließlich die 9er und 10er oder diejenigen, die aufs Abitur zusteuerten. Klar, meint Heuer damit: Für all diese Schüler sei es ja um die Abschlüsse gegangen. Aber: „Die Schüler aus den anderen Jahrgängen waren immer die Selbstlerner.“ Jetzt aber werde der Lernstoff von damals bei ihnen vorausgesetzt – da gebe es keinen Corona-Bonus.

Jetzt drängt die Industrie

„Das blüht uns mit den ehemaligen Drittjahrgängen auch“, prophezeit Heuer. Zumal ganz abgesehen von Corona-Folgeschäden in Deutschland „Schule nie eine Priorität hat. Immer wenn es um Veränderungsprozesse geht, reden wir zuerst mit dem Finanzministerium, aber nicht mit dem Schulministerium.“

Wobei: Vielleicht werde das ja jetzt endlich anders, denn jetzt „haben wir eine Industrie, die sagt: Wir müssen die Schule ändern!“ Bisher aber habe Schule im gesellschaftlichen Transformationsprozess nie das geleistet, was notwendig und richtig gewesen wäre. „Wir setzen auf das falsche Pferd, weil Schule immer nur verstetigt und verwaltet wird“, findet Heuer.

„Im Bau würde man das nicht genehmigen“

„Unser Schulsystem ist verkrustet“, ärgert sich der Dortmunder GEW-Vorsitzende. Außerdem: „Im Bau würde man nicht genehmigen, was im Schulsystem geschieht.“ Zwei parallele Systeme – das pure Leistungsprinzip mit der Trennung in Gymnasium, Real- und Hauptschule auf der einen Seite, das integrative Konzept Gesamtschule auf der anderen Seite – das sei schon erstaunlich.

Dazu die Änderungen innerhalb der einzelnen Systeme – etwa von G9 auf G8 zurück auf G9 bei den Gymnasien. So finde der Schulalltag quasi statt in einem Haus, an dem ständig etwas um- und angebaut werde, anderes abgerissen werde und all das nicht gerade leistungsfördernd sei.

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