Pflanzprojekt auf Friedhof Gemüsebeete über Urnengräbern – befremdlich oder natürlich?

Gemüsebeete über Urnengräbern - befremdlich oder natürlich?
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Es ist ein ungewöhnlicher Friedhof an der Straße An der Goymark. Kaum noch Grabstätten, viel Wiese und in der Mitte ein Gebäude, das aussieht wie eine Schutzhütte. Dahinter eine Anzahl von frischen Beeten. Eigentlich nicht unnormal für einen Ort, an dem Menschen bestattet wurden. Nur, dass in diesen Beeten keine Blumen blühen, sondern Gemüse wächst.

„Bunte Beete“ heißt das Projekt, das vier junge Frauen ins Leben gerufen haben - mit der Unterstützung der evangelischen Kirchengemeinde in Hörde, zu der dieser Teil des Friedhofes auch gehört. „Der neue Teil“, wie man diese Fläche nennt, ist ein aussterbender Friedhof. 2016 wurde er entwidmet.

Seit Jahrzehnte findet hier keine Bestattung mehr statt, die Laufzeiten vieler Grabstätten sind abgelaufen. Zurück bleiben Wiesenflächen und noch vereinzelte Grabstätten, die noch besucht und gepflegt werden. Zurück bleiben aber auch die Überreste der Menschen, die dort einmal bestattet wurden, wo jetzt Gras wächst. Und aus diesem Grunde gibt es auch Kritik. So wird das Projekt in einer E-Mail als „ekelhaft und pietätlos“ bezeichnet.

Aus einem Blumenbeet wächst eine Pflanze.
Die ersten angebauten Gemüsesorten wachsen schon ordentlich. © Jörg Bauerfeld

Rechtlich kein Friedhof mehr

Lebensmittel auf dem Boden eines Friedhofes seien schockierend. Aber ist es das wirklich? Rein rechtlich ist der Teil der Fläche, auf der jetzt Gemüse angebaut wird, kein Friedhof mehr. Auch liegen die Pflanzbeete auf einem Wiesenstück, auf dem Urnen bestattet wurden. In einem Gemeinschaftsgrab. Das bedeutet, dass Stelen in diesem Bereich zwar die Namen der Verstorbenen tragen, der genaue „Liegeplatz“ der einzelnen Person aber nicht bekannt ist.

Das genau hier jetzt Gemüse wächst, hat nicht nur für die vier Organisatorinnen nichts Befremdliches. Auch nicht für die evangelische Kirche, schließlich ist es ein Gemeindeprojekt. Hannah Kochanek, Solveig Schaup, Jasmin Schulz und Julie Thimm hoben das Projekt aus der Taufe und vollführten mit den ersten „Neugärtnerinnen und Neugärtnern“ im April 2023 den ersten Spatenstich für die Gemüsebeete.

Auf diesem Teil des evangelischen Friedhofs in Hörde gibt es nicht mehr viele Gräber. Bei den meisten ist die Ruhezeit abgelaufen, sie sind verschwunden.
Auf diesem Teil des evangelischen Friedhofs in Hörde gibt es nicht mehr viele Gräber. Bei den meisten ist die Ruhezeit abgelaufen, sie sind verschwunden. © Jörg Bauerfeld

„Wir wollen mit den Beeten niemanden vor den Kopf stoßen“, sagt Hannah Kochanek. „Deshalb halten wir die Beete ordentlich und gepflegt.“ Die Anlage sei deshalb auch rund angelegt. Wenn statt roter Beete und Kürbisse auf die Flächen Dahlien oder Margeriten gepflanzt worden wären, hätte sich ja auch keiner gemeldet.

Bodenprobe veranlasst

„Pietätlosigkeit mag im Auge des Betrachters liegen, aber Lebensmittel auf einem Friedhof anzubauen erscheint uns nicht als problematisch. Uns ist es dabei nur wichtig, dass die Verzehrfähigkeit unseres Gemüses gewährleistet ist“, so Mitorganisatorin Solveig Schaup. Aus diesem Grund sei eine Bodenprobe veranlasst worden, deren Ergebnisse rechtzeitig vor der Ernte vorliegen werde.

Ein schönes Kartoffelfeld

Man habe damit gerechnet, dass auch negative Äußerungen zu dem Projekt kommen. „Aber wir versuchen dem entgegenzutreten, in dem wir dafür sorgen, dass unser Kartoffelfeld ein schönes Kartoffelfeld ist“, sagt Hannah Kochanek. Bei dem Projekt „Bunte Beete“ seien alle Menschen eingeladen, mitzumachen.

Das Logo des Gemeindeprojektes. An dem sich jeder. der Lust hat, beteiligen kann.
Das Logo des Gemeindeprojektes. An dem sich jeder, der Lust hat, beteiligen kann. © Screenshot Bauerfeld

„Von den Kindern, die hier lernen könnten, dass Gemüse nicht im Supermarktregal wächst, über junge und weniger junge Erwachsene, die sich an der frischen Luft im Grünen treffen möchten, bis zu den Seniorinnen und Senioren, die vermutlich viel mehr Erfahrung im Gemüseanbau haben als wir und uns beraten können“, sagt Hannah Kochanek.

Mitmachprojekt für jeden

Im Übrigen ist das Ziel des Projektes, dass zum Erntedankfest in der evangelischen Gemeinde eine Kartoffelsuppe aus Produkten aus eigenem Anbau zubereitet wird. Also von den Gemüsebeeten auf dem ehemaligen Friedhof in Hörde. Hier trifft sich die Gruppe auch in regelmäßigen Abständen. Wer dabei sein möchte, kann sich per Mail melden: buntebeetehoerde@gmail.com

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