Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass diese Gammel-Immobilie einst ein schmuckes Mehrfamilienhaus im Stil der Backstein-Gotik war. Wer von weitem aus einer Anhöhe zum ersten Mal darauf blickt, kann nur erahnen, wie schlecht es um dieses ehemalige Traumhaus mit hohen Fenstern, Türmchen und riesigem Grundstück steht.
Beim Näherkommen ist auch dem Laien klar, dass für das Haus an der Eichenstraße 12 in Dortmund-Dorstfeld, nur ein Steinwurf entfernt von Schulte-Witten-Park und Wilhelmplatz, selbst der Begriff „Renovierungsstau“ noch geschmeichelt wäre. Die Immobilie ist ein Fall für ein Abriss-Unternehmen – so sieht es auch ihr Eigentümer.
Bereits im August 2020 äußerte sich der Kölner Unternehmer, der namentlich nicht genannt werden möchte, gegenüber unserer Redaktion dazu. „Eigentlich sollte dort schon lange ein schickes, neues Haus stehen“, sagte er damals.
Er berichtete, dass ihm das Haus seit 1996 gehöre. Schon seit Generationen sei es in Familienbesitz gewesen. „Im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft wurde eine Zwangsversteigerung durchgeführt, bei der ich die Immobilie ersteigert habe“, erklärte er. Schon zu diesem Zeitpunkt habe das Haus leer gestanden und sei als „abbruchreif“ beschrieben worden.
Juristische Schwierigkeiten
„Zur Vermeidung juristischer Schwierigkeiten sind derzeit eine Renovierung beziehungsweise der Abriss und Neubau für mich immer noch nicht risikofrei möglich“, erklärt der Unternehmer 2020. Doch nach der Beilegung der Streitigkeiten, so versicherte er damals, wollte er seinen Plan in die Tat umsetzen und bei entsprechender Baugenehmigung durch die Stadt Dortmund einen Neubau „unter besonderer Berücksichtigung ökologischer Aspekte errichten“.
Knapp drei Jahre später möchten wir wissen, was aus seiner Absicht, neuen Wohnraum in Dorstfeld zu schaffen, geworden ist. Denn nach wie vor steht das Gebäude leer und verfällt zunehmend. Türen und Fenster sind verbarrikadiert, das große Grundstück des Geisterhauses ist verwildert und eingezäunt.

Auf unsere Mail bekommen wir schnell eine Antwort. Von den Auseinandersetzungen innerhalb der Erbengemeinschaft ist in der Mail des Eigentümers keine Rede mehr. Den Stillstand begründet der Unternehmer diesmal mit der Pandemie: „Hier hat ,Corona‘ vieles überlagert, Planungen obsolet werden lassen. Wir hatten Lockdowns“, heißt es in der knappen Antwort-Mail Ende März. Im Wirtschaftsleben habe es Umwälzungen gegeben, die auch von seiner Person höchste Aufmerksamkeit erfordert hätten.
Indirekt bestätigt der Rheinländer, dass er an seinem Vorhaben festhält, ein neues Gebäude zu bauen und die Wohnungen zu vermieten. Denn er schreibt: „Was Pläne bezüglich der abbruchreifen Immobilie und einen Neubau in Dortmund angeht, freue ich mich über Ihr Interesse frühestens Ende 2024.“
Stillstand wegen Corona
Diese Antwort offenbart zudem, dass die Anwohner noch lange mit dem Geisterhaus-Anblick leben müssen. Eine Nachbarin, die wir zufällig während unseres Besuchs vor Ort treffen, bedauert den Leerstand sehr. Sie berichtet, dass sich ein Bekannter für die Immobilie interessiert habe. „Doch der Kaufpreis von 1,5 Millionen Euro war einfach zu hoch.“
Ähnlich wie an der Wittener 38 und 40, wo sich zum Ärger der dortigen Nachbarschaft weitere unbewohnte Gammelhäuser befinden, bestehen hinsichtlich der Instandhaltung auch bei dem Gebäude an der Eichenstraße seitens des Stadtplanungs- und Bauordnungsamtes keine Eingriffsmöglichkeiten. Der Grund: Weil die Vermietungsabsichten schon vor 2012 aufgegeben wurden und das Gebäude entsprechend lange leer steht, kann hier nicht die Wohnraumschutzsatzung vom 30. Juni 2012 greifen. Seitdem gilt in Dortmund grundsätzlich ein Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum – dazu zählt auch Leerstand.
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