
© Oliver Schaper
Bittermark und Rombergpark: 300 Menschen von den Nazis „grausam und heimtückisch ermordet“
Karfreitags-Gedenken
Rund 300 Menschen wurden im Rombergpark und in der Bittermark ermordet. Gräueltaten der Nazis. Die Erinnerung daran gibt den Menschen eine Aufgabe. An Karfreitag wurde sie erneut erfüllt.
Es ist gut, dass da dieser große Betonklotz steht. Grau, monumental, die Witterung hat ihn bedrohlich nachdunkeln lassen. Er ist ein Mahnmal. Ohne den Klotz – ein Werk des von den Nazis geächteten Künstlers Karel Niestrath – wäre diese Veranstaltung nicht das, was sie ist: ein Gedenken an die Gräuel des Nationalsozialismus. Denn unterm Klotz sitzen die Menschen in der Sonne, es weht eine leichte Brise. Der Karfreitag in der grünen Bittermark wäre allzu lieblich.
Doch für die Menschen, die hierher gekommen sind, ist die Schönheit dieses Tages in diesen Momenten zweitrangig. Sie haben eine Aufgabe. Sie wollen nicht vergessen machen, was hier vor über 70 Jahren geschah. Bis zu 300 Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und Widerstandskämpfer - eine genaue Zahl ebensowenig bekannt wie die Namen der Toten - wurden hier ermordet. „Grausam und heimtückisch“, wie Oberbürgermeister Ullrich Sierau es in seiner Ansprache beschreibt.
Dortmunder Zivilgesellschaft und Gäste versammelt
Da sind sie also wieder versammelt. Die Entschlossenen. Die Botschafter der Erinnerung, Menschen, die mit Zeitzeugen sprachen, um selbst als Zeugen von vergangenem Grauen zu berichten. Da sind Offizielle, Politiker, Fußballfans, die ihres Vereinswarts und Widerstandskämpfer Heinrich Czerkus mit einem Lauf hoch zur Bittermark gedenken, da sind Menschen, die nicht hinnehmen wollen, dass Ressentiments, Rassismus und Faschismus noch einmal das Handeln der Menschen korrumpieren und Tod und Leid verursachen können.
Mit bewegter Stimme spricht Oberbürger Ullrich Sierau. Er spricht ruhig, bedacht, er zitiert Bertolt Brecht:
“Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.“
So lautet die Zeile im Gedicht, und Sierau sagt: „Wir denken an die, die getötet wurden - und damit leben sie!“ Die Anwesenden erinnert er an ihre Verantwortung: Sorge zu tragen, dass das nie wieder geschieht. Das Mittel sei die Erinnerung: „Die Erinnerung ist unser Zeichen auch des Respekts gegenüber den Ermordeten und ihren Hinterbliebenen.“
Der Tote stellvertrend für die vielen
Auf der Wiese vor dem grauen Betonmahnmal wehen bunt die Fahnen der verschiedenen Parteien und Organisationen, die bei dieser Veranstaltung geeint auftreten. Es sind viele Kränze, die sie vor die Krypta gelegt haben. Hier wurde 1958 ein Ermordeter zur Grabe gebettet. Stellvertretend für die ungezählten Toten. Die Namen, die bekannt sind, werden an diesem Tag laut vorgetragen. Die unvollständige Liste ist zu lang, sie darf niemals mehr länger werden.

Ein Ermordeter ist in der Krypta beerdigt worden, stellvertrend für die vielen anderen Toten. © Oliver Schaper
Denn der Schoß, mahnt Sierau erneut in Anlehnung an Brecht, sei offenbar noch fruchtbar. „Da ist noch was zu tun, aber das kriegen wir noch hin, bis Dortmund nazifrei ist.“
Neues Mahnmal in Hörde
Ein weiteres Mahnmal soll diese Stadt bekommen, dort, wo die Zwangsarbeiter malochen mussten, in Hörde. Die Ausbeutung der Zwangsarbeiter, 80.000 Menschen waren es in Dortmund, sei nichts gewesen, was im Verborgenen stattgefunden habe. Deshalb müsse auch die Erinnerung an sie sichtbar sein. Sierau begrüßte den nun beschlossenen Standort auf der Kulturinsel am Phoenix-See. „Und wer dem Mahnmal etwas antun möchte, den kann die Polizei an der Brücke direkt in Empfang nehmen.“
Ebenfalls ein Symbol ist die brennende Kathedrale Notre Dame in Paris. Ein Symbol für Europa, das nur gemeinsam wiedererrichtet werden könne, so Sierau: „Europa ist die Antwort darauf, dass wir zwei höllische Kriege erleben mussten und ist die Lösung für den Frieden.“
Die Aufgabe lautet: Niemals vergessen! Auch bei strahlendem Sonnenschein, wenn angenehmere Dinge locken. Die Menschen, die in der Bittermark dabei waren, haben sie einmal mehr erfüllt. Für alle anderen gibt es den Betonklotz, den es vielleicht einmal zu besuchen gilt.
Leitender Redakteur, seit 2010 in der Stadtredaktion Dortmund, seit 2007 bei den Ruhr Nachrichten.
