
© Kevin Kindel
Gäste singen antisemitisches Lied in Dortmunder Kneipe – Wirt: Habe es nicht mitbekommen
„Gelsenkirchener Juden“
Im Netz kursiert ein Video aus einer Dortmunder Kneipe, auf dem Gäste „Gelsenkirchener Juden“ grölen. Dagegen unternommen wurde nichts. Der Wirt will mit Extremismus aber nichts zu tun haben.
Ein Video, das am Wochenende in einer Nordstadt-Kneipe aufgenommen wurde, hat sich schnell verbreitet: Das „Vater und Sohn“ ist voll mit jungen Leuten, bunte Lampen leuchten, aus den Boxen dröhnt eine Elektro-Version des Songs „Moonlight Shadow“.
Diese Melodie singen Schalker Fußballfans regelmäßig im Stadion. Auf dem Video von der Schützenstraße ist zu sehen, wie mehrere junge Männer die Arme in die Luft strecken und statt „FC Schalke“ etwas anderes grölen: „Gelsenkirchener Juden“. Dazu sind Hitlergrüße zumindest kurz angedeutet.
Zwi Rappoport, Landesverbandsvorsitzender der jüdischen Gemeinden, warnte noch im November in Dortmund: „,Du Jude‘ wird auf Schulhöfen und Fußballplätzen vielfach als Schimpfwort benutzt.“ Der wachsende Antisemitismus finde in weiten Teilen der Gesellschaft Zustimmung.
Unternommen wurde in der Nordstadt-Kneipe nichts. Zwar wurden an dem Abend einzelne Personen aus der Kneipe geschmissen, allerdings nicht wegen des Gesangs. Bei extrem Betrunkenen sorge man immer für Ruhe, betont der Kneipenbesitzer, der selbst vor Ort war: „Uns ist aber kein Rechter aufgefallen.“
Lied über zu Tode geprügelten Schalker
Den ganzen Abend über hätten Besucher Borussia-Lieder gesungen. Darunter sei auch eine andere weit verbreitete Umdichtung gewesen: „Am Tag als Conny Kramer starb“ wird darin zu „Am Tag als der FC Scheiße starb“.
Gerade in den Wochen vor dem Derby sei es doch „gang und gäbe“, Stimmung gegen Schalker zu machen, meint der Chef der Kneipe. In den Strophen wird besungen, wie Schalker zu Tode geprügelt werden.
Über den Instagram-Account von „Vater und Sohn“ ist ein Video des Juden-Gesangs sogar weiterverbreitet worden. „Am nächsten Tag bin ich darauf aufmerksam gemacht worden“, sagt der Mann, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen möchte. Dann habe er das Video sofort gelöscht.
In der lauten Nacht habe er schlicht nicht mitbekommen, was da gesungen wurde. Wäre er sich der Botschaft bewusst gewesen, hätte er den Beitrag sicherlich nicht geteilt: „Ich bin doch kein Selbstmörder“, sagt er.
Der Wirt betont: „Wir sind auf jeden Fall keine Rechten-Kneipe.“ Er sponsere mehrere Dortmunder Sportvereine mit vielen Migranten, an dem Abend mit dem antisemitischen Lied seien auch viele Ausländer in der Kneipe zu Gast gewesen. „Ich habe mich für nichts zu entschuldigen“, sagt der Wirt.
Kneipen-Team: „Wir wollen niemanden beleidigen“
Über Facebook schreibt das Team von „Vater und Sohn“ von einer „rassistischen Entgleisung mehrerer fremder Gäste“. Mindestens einen von ihnen kenne der Wirt aber bereits seit einigen Jahren, sagt er selbst. „Das sind harmlose Fußballjungs“, meint er. Die Kneipe sei „ein weltoffener, vielfältiger und internationaler Ort für all unsere Gäste“.
Dem Team liege die Aufwertung der Schützenstraße und der Nordstadt insgesamt am Herzen. „Wir geben uns richtig Mühe. Wir wollen niemanden beleidigen“, sagt der Dortmunder.
Ausdrücklich will er sich von sämtlichen extremistischen Gruppierungen distanzieren, rechts wie links, christlich wie muslimisch oder vonseiten anderer Religionen. Der Chef verweist auf fast 1500 Gefällt-mir-Angaben bei Facebook und mehr als 500 bei Instagram. Das „Vater und Sohn“ ist offenbar bei einer breiten Schicht ganz verschiedener Leute beliebt.
Kevin Kindel, geboren 1991 in Dortmund, seit 2009 als Journalist tätig, hat in Bremen und in Schweden Journalistik und Kommunikation studiert.
