
© Daniel Immel
Video: Wie kann man Fußball spielen, wenn man gehörlos ist?
Team aus Dortmund-Brackel
Fußball ist laut. Taktische Anweisungen, Emotionen, Schiedsrichterentscheidungen: alles wird beredet. Beim Gehörlosen-Fußball fällt das weg. Die Kommunikation auf dem Platz wird anders gelöst.
Alles ist mucksmäuschenstill. Nur das Geräusch, wenn ein Spieler gegen den Fußball tritt, ist zu hören. Ansonsten fast absolute Stille. Bis auf wenige Ausnahmen ist Gehörlosen-Fußball wohl eine der leisesten Sportarten. Die Stille vermittelt einen Eindruck, wie das Spielerlebnis für einen gehörlosen Fußballer sein muss.
Dienstag 19.30 Uhr: Die Fußballer des Gehörlosen Turn- und Sportverein Dortmund 1917 e.V. treffen sich zum Training auf einem der Kunstrasenkleinfeld der Dortmunder Löwen-Brackel 61. Dank einer Kooperation dürfen sie hier trainieren, nachdem sie zuvor fast ausschließlich in Hallen spielen mussten.
Zehn Gehörlose und Schwerhörige sind zum Training erschienen. Spielerisch unterscheiden sie die einzelnen Trainingselemente kaum vom gewöhnlichen Fußball. Der größte Unterschied ist die Kommunikation der Fußballer miteinander. Nichts oder kaum etwas als Spieler zu hören, macht es unumgänglich, dass stärker per Mimik und Gestik miteinander kommuniziert wird.
Normalerweise leitet Petros Papadopoulos, der Sportliche Leiter des Vereins, das Training. An diesem Tag übernimmt ein Mitspieler diesen Part. Mit Gebärdensprache deutet er an, welche Übungen gemacht werden, wie er sich die Ausführung mit oder ohne Ball vorstellt. 90 Minuten dauert die Einheit – inklusive Abschlussspiel.
„Wir kommunizieren sehr viel“, sagt Petros Papadopoulos. Seit seiner Geburt ist er schwerhörig – ein Hörgerät ermöglicht, dass er im Alltag hören kann. Im Spielbetrieb gegen andere Gehörlosenvereine sind diese Hilfsmittel allerdings verboten.
Die Spieler müssen dann auf alternative Kommunikationswege zur gesprochenen Sprache ausweichen – hauptsächlich Gebärdensprache. „Es läuft auch viel mit Augenkontakt“, ergänzt Petros. In der Kommunikation miteinander würde man viel erklären müssen, was man voneinander will.
Gesamte Spiel muss „durchblickt“ werden
Durch den Ausfall eines Sinnesorgans liegt der Fokus beim Sehen. Beim Spiel gegen andere Mannschaften müsse man als Gehörloser zeitgleich möglichst das komplette Spielgeschehen beobachten. Es gilt, den Ball, nahezu alle Mitspieler, Gegenspieler und den Schiedsrichter im Auge zu halten.
Idealerweise gleichzeitig. Da man den Schiedsrichter nicht hören kann, läuft er mit einer Fahne übers Feld, um ins Geschehen eingreifen zu können. „Der Schiedsrichter muss eigentlich immer überall sein oder hinlaufen, wo der Ball ist“, erläutert Petros.
In einem Testspiel am Wochenende gegen eine Altherrenmannschaft der Dortmunder Löwen habe man gemerkt, wie ausgeprägt der Nachteil des Handicaps ist. „Die konnten die ganze Zeit miteinander reden“, sagt Petros Papadopoulos.
Taktische Umsetzungen hätten die Gegner unmittelbar umsetzen können, während die Taktik beim Gehörlosen-Fußball meist nur vor- und nach dem Spiel oder eben während der Halbzeitpause besprochen werden kann. Vor dem Spiel müsse ein enger Austausch stattfinden und genaustens kommuniziert werden, wie man während eines Spiels agieren will. „Was ändern kann man aber erst nach der Halbzeit“, sagt Petros Papadopoulos.
Früher habe er auch „in einer normalen Mannschaft gespielt“, wie er sagt. Da hätte man viel kommunizieren müssen, dass man ein Handicap habe und die Mitspieler mehr mit den Händen sprechen müssen. „Ich fühle mich deshalb bei einer Gehörlosen-Mannschaft wohler.“
Meistens treten die Gehörlosen bei speziellen Wettbewerben im Bereich Futsal, Hallen- oder Kleinfeldfußball auf Landes- oder Bundesebene an. Im August gewann die Herrenmannschaft Ü40 den Deutschen Meistertitel auf dem Kleinfeld beim Gehörlosen Sportfest in Dresden. In zwei Jahren plant man das landesweite Gehörlosen-Sportfest im Fußball in Brackel ausrichten. Bis dahin möchte der Verein mehr Nachwuchssportler für sich gewinnen.
Daniel Immel, gebürtiger Westerwälder, den es nach Stationen in Iserlohn und Perth nach Dortmund verschlagen hat. Will die täglichen Geschichten, die die Dortmunder Straßen bieten, einfangen und ein Journalist auf Augenhöhe sein. Legt in seiner Freizeit als DJ auf und liebt den Sound von Schallplatten.
