Ein Entwurf aus einem Guss: Links an der Ecke Hiltropwall/Hövelstraße erhebt sich der Würfel der Jungen Bühne Westfalen. Rechts schließt sich glänzend und leuchtend ein Flachbau und ein kleinerer Würfel des Schauspiels an. „Theater Dortmund“ prangt in Gold-Gelb auf der Fassade, die in der aktuellen Machbarkeitsstudie des Kölner Architekturbüros JSWD gezeigt wird.
Diese ist Thema im Kulturausschuss, der am Dienstag, 23. Mai tagt. Die Beschlussempfehlung von Kulturdezernent und Kämmerer Jörg Stüdemann: Das Schauspiel soll entkernt, abgerissen und neugebaut werden.
„Nach derzeitigem Wissensstand ist eine Neubauvariante der Vorzug zu geben, um eine räumliche Neuordnung des Schauspielhauses im Inneren und damit eine zeitgemäße und barrierefreie Konstellation zu erreichen“, heißt es in der Vorlage. Folgen Ausschuss und Stadtrat, der sich im Juni damit befassen soll, dieser Argumentation, ist eine häppchenweise Sanierung vom Tisch - und der Weg zum teuersten städtischen Neubau des 21. Jahrhunderts in Dortmund frei.
Denn die Baukosten werden aktuell mit 93 Millionen Euro veranschlagt. Zum Vergleich: Der Umbau des Dortmunder U sollte 2008 in der Planungsphase 46 Millionen Euro kosten, am Ende waren es 88 Millionen.
Fürs neue Schauspielhaus kalkuliert die Machbarkeitsstudie allein durch Preissteigerungen mit einen Anstieg der Baukosten bis Ende 2025 auf 114 Millionen - den Abriss terminiert die Studie aber erst auf 2027. Mit weiteren Steigerungen ist also zu rechnen. Und die Baukosten der angrenzenden Jungen Bühne werden zurzeit mit mindestens 32 Millionen taxiert. Dortmund baut also für einen neunstelligen Euro-Betrag.

Mit dieser Kultur-Offensive will Jörg Stüdemann den Gordischen Knoten beim Bau der Jungen Bühne und der Sanierung des Theaters durchschlagen. Denn die Planungen für den Würfel an der Hövelstraße sind schon recht weit.
Ursprünglich sollte der Bau auf die bestehende Substanz des Schauspielhauses aufsetzen. Die Planungen fürs Schauspiel blieben hingegen im Ungefähren, was zu Spekulationen über Umzugspläne, Auszugs-Reihenfolge und Alternativstandorten geführt hat. Diese emotionale Debatte will Stüdemann nun in sachlicheres Fahrwasser lenken. Er kündigte im Gespräch mit unserer Redaktion an, nach der Sommerpause des Stadtrats hierzu „einen Fahrplan vorzulegen“.
Ein weiterer Aufschub der Planungen wäre „Kokolores“ gewesen. Für den Kämmerer und Kulturdezernenten waren es vor allem vier Punkte, die ihn dazu bewogen haben, das Mega-Projekt jetzt zu stemmen: Seit dem Wiederaufbau 1948 bis 1952 führe eine schräg stehende Brandmauer im Bühnen-Bereich zu einer „blöden Raumsituation“. Diese kann im Rahmen eines Neubaus aufgelöst werden - statt 450 festen Plätzen bei einer Sanierung im Bestand könne dann individuell auf bis zu 500 Sitz- oder 700 Stehplätze aufgestockt werden.
„Ein richtiger Neubau“
Der zweite Grund: Die Niveau-Unterschiede im Gebäude - auch hier bedingt durch Wiederaufbau bis 1952 und Erweiterung von 1958 bis 1966. „Im Bestand bekommen sie das nicht barrierefrei“, lautet Stüdemanns Prognose.
Der dritte Punkt: Das Schauspiel braucht eine bessere Anbindung an den Werkstattbereich - diese befinden sich im rückwärtigen, nördlichen Bereich am Theaterkarree. Besser neu machen, lautet Stüdemanns Devise. Denn: „Das alles bekommen Sie nur in einem richtigen Neubau hin.“
Der vierte Grund hat erneut mit dem Neubau der Jungen Bühne zu tun. In ihr soll auch das Kinder- und Jugendtheater ein neues Zuhause finden. Denn das ist immer noch im Provisorium an der Skellstraße untergebracht - ein Zustand, der baldmöglichst enden soll. Der Standort Skellstraße steht dann nach Stüdemanns Einschätzung übrigens nicht als Ausweichquartier für das Schauspiel zur Verfügung.
Apropos Ausweichquartier: Der von Jörg Stüdemann angekündigte „Fahrplan“ muss berücksichtigen, dass die Junge Bühne sehr viel eher fertig sein wird als der Neubau des Schauspielhauses. Die Planungen „lassen sich nicht synchronisieren“, stellt die Beschlussvorlage lapidar fest. Das beginnt schon damit, dass ein Treppenhaus zwischen Junge Bühne und Schauspielhaus recht schnell saniert werden muss und Arbeiten - oder gar Aufführungen - dann dort wegen Lärms und Staubs nicht zumutbar wären.
„Nicht zeitgemäße Pose“
Jörg Stüdemann geht im besten Fall von einer Fertigstellung der Jungen Bühne Mitte 2026 aus. Für den Neubau des Schauspielhauses hofft er auf eine Fertigstellung 2033. Die Machbarkeitsstudie geht davon aus, dass das Schauspiel vier Jahre ein Ausweichquartier - oder mehrere - beziehen muss.
Die Machbarkeitsstudie wurde von dem Kölner Architekturbüro durchgeführt, das den Wettbewerb um die Junge Bühne - den Würfel - gewonnen hatte. Jörg Stüdemann wirbt aber dafür, den Entwurf des neuen Schauspielhauses an einigen Punkten noch mal zu überprüfen. So nehme der Foyerbereich mit seiner Größe und seinen Verglasungen eine „nicht mehr ganz zeitgemäße Pose ein“.
Auch Alternativen zum Neubau hat die Studie geprüft: Die Sanierung ist zwar günstiger, billig wäre sie auch nicht: Nach aktuellen Preisen würde sie laut JSWD-Architekten 72 Millionen Euro kosten, Preissteigerungen würden diese Summe bis Ende 2025 auf 88 Millionen Euro erhöhen. Und das hat ja bekanntlich nur knapp gereicht, um das Dortmunder U in Schuss zu bringen.
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