Plakat-Kampagne
Fotos mit Ur-Dortmunder Perspektive für die Menschenrechte
Was bedeuten die Menschenrechte für Menschen in Dortmund? In einer Plakatkampagne und einer Fotoausstellung im U sollen Gruppen zeigen, was sie denken – und individuell Haltung bekennen.
Martina Bracke (Kulturbüro), Iris Wolf, Paulina Rebbe (Kulturbüro), Fleur Vogel und Mechthild Eickhoff auf der Etage UZWEI im Dortmunder U. Hier soll die Ausstellung stattfinden – vom 5. Dezember 2019 bis Ende März 2020. © Hannah Schmidt
Im Dezember dieses Jahres liegt die Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen nun schon 70 Jahre zurück. Für einen Menschen ist das fast ein ganzes Leben, für Staaten und Gesellschaften eher ein Lebens-Abschnitt, ein paar Tage vielleicht, möglicherweise gar nur ein Atemzug. In der Präambel von 1948 heißt es, die 30 Artikel des Schreibens sollen „die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt“ bilden. Tatsächlich könnten sie das. Doch wo steht die Welt im Jahr 2018?
„So selbstverständlich sind diese Rechte irgendwie gar nicht“, sagt Mechthild Eickhoff, Leiterin der UZWEI „Kulturelle Bildung“ im Dortmunder U. Und ihr Eindruck stimmt: Laut dem jährlichen Report von Amnesty International werden weltweit täglich Menschenrechte verletzt, auch in Europa, auch in Deutschland.
Vergangenes Jahr inhaftierte mit der Türkei gar eine Regierung zum ersten Mal in der 55-jährigen Geschichte der Organisation Amnesty-Aktivisten für ihren Einsatz für die Menschenrechte. Und obwohl Aktivisten täglich viel für die Menschenrechte riskieren, ist Eickhoffs Eindruck: „Der öffentliche Raum ist meiner Meinung nach zu wenig besetzt mit diesen gesellschaftlichen Themen.“
Haltung für die Menschenrechte
Im kommenden Jahr sollen daher Menschen aus Dortmund individuell Haltung für die Menschenrechte bekennen – mit einer stadtweiten Plakatkampagne und einer großen Ausstellung im U. Das Projekt heißt „Recht und Würde“. „Die Menschenrechte sind für jeden wichtig“, sagt Fleur Vogel von der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Kunst&Bildung NRW, die das Projekt mit initiiert hat. „Es ist nicht nur wichtig sie zu kennen, sondern sie zu achten und für sie einstehen zu können.“
Die Idee: Mehrere Teilnehmergruppen sollen sich dafür in viertägigen Workshops mit den einzelnen Artikeln auseinandersetzen. Sie sollen für sich klären, wo sie einen direkten Bezug zu ihrer Lebensrealität haben, sie sollen sie für sich interpretieren und diskutieren.
„Was bedeutet das ‚Recht auf Freizeit‘ für ein fünfjähriges Kind?“, sagt Vogel. „Was bedeutet das Recht auf Staatsangehörigkeit für einen Geflüchteten? Oder das Recht auf Freiheit für eine Jugendliche, die lesbisch ist, bi, transgender oder queer?“ (Anmerkung der Redaktion: LGTBQ ist die Abkürzung für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Queer) Das Ziel: Blicke auf die Menschenrechte aus individuellen, ur-Dortmunder Perspektiven einzufangen.
Die Teilnehmer sollen ihre Statements, die Ergebnisse ihrer Eindrücke in Fotografien festhalten. Das Know-how der Fototechnik wird ihnen dafür vermittelt. Je nach finanzieller Möglichkeit werden die auf den Bildern basierenden Plakate in der ganzen Innenstadt gezeigt.
Möglichst diverse Gruppen
Wichtig ist den Organisatoren, dass Gruppen teilnehmen – also keine Einzelpersonen –, und dass diese Gruppen möglichst divers sind: Schulklassen, Integrationszentren, Gartenvereine, Seniorentreffs, Kita-Gruppen – hauptsache sie sind in sozialer Trägerschaft. Bewerben können sich alle.
Die Idee zu der Kampagne ging von dem Dortmunder Fotografie-Projekt-Duo „Selfiegrafen“ aus, die bisher kleinere Projekte ähnlicher Art gemacht haben. Dieses hier ist, in Kooperation mit der UZWEI und der LAG Kunst&Medien NRW, gefördert vom Kulturbüro, die erste wirklich große Aktion.
„Wir sind keine Lehrer“
Die Fotografin Iris Wolf von den „Selfiegrafen“, die zusammen mit ihrem Kollegen Jörg Meier die Workshops leiten wird, betont, dass „wir keine Lehrer sind. Wir bewerten nicht oder heben den Zeigefinger, sondern sprechen miteinander.“ In allen Projekten, die die Selfiegrafen machen, habe sie regelmäßig auch mit krassen Meinungen zu tun, und das könne auch bei diesem Thema sein: „Man muss damit umgehen lernen und immer wieder seine eigene Haltung überprüfen“, sagt sie.
So werden die Teilnehmer nicht nur in der Fotografie geschult – sondern auch diskursiv und in ihrer Selbstreflexion. „Wir holen die Gruppen da ab, wo sie stehen“, sagt Wolf. Das Projekt sei am Ende mehr als eine Kampagne: „Wir wollen die Leute, die die Plakate sehen oder in die Ausstellung kommen, dazu anregen, selbst tätig zu werden.“