Sauerland-Firma flieht nach Dortmund Mitarbeiter völlig genervt wegen A45-Sperrung

Firma flieht wegen gesperrter A45 aus dem Sauerland nach Dortmund
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Seit über zwei Jahren ist die A45 bei Lüdenscheid wegen der abrissreifen Rahmedetalbrücke gesperrt. Die Sauerlandlinie als Hauptschlagader zwischen den Wirtschaftsräumen Südwestfalen und Ruhrgebiet ist gekappt. Wann die Autobahn wieder befahrbar ist, ist offen. Firmen aus dem Sauerland wollen ihren Beschäftigten die Dauerstaus auf dem Weg zur Arbeit nicht mehr zumuten und richten Ausweich-Büros in Dortmund ein.

Die Firma VDM Metals aus Werdohl, ein Weltmarktführer für Nickellegierungen und hochlegierte Sonderedelstähle mit 725 Beschäftigten vor Ort und 2000 weltweit, hat zwei Büro-Etagen im Westfalentower direkt an der B1 angemietet.

Im Sommer 2023 eröffnete VDM Metals die Büros für 80 von insgesamt 300 Beschäftigten, die in der Verwaltung arbeiten. Damit verbunden ist nicht nur eine Wiedergeburt des lange in großen Teilen leer stehenden Bürohochhauses. VDM erspart vielen Mitarbeitern die nervige Anfahrt aus Schwerte, Dortmund oder Bochum ins Sauerland.

„125 der insgesamt 275 Beschäftigten in unserer Verwaltung pendeln ein und sind von der Brückensperrung direkt betroffen. Viele möchten nicht nur im Homeoffice sein, sondern sehen Büroarbeit auch als persönlichen sozialen Akt. Deshalb bieten wir diese Ausweich-Möglichkeit an“, sagt der Marketing-Chef Philipp Verbnik.

Nervige Pendelei

Einer der Mitarbeiter, die sich darauf besonders freuten, ist Frederik Jasper, der als Projektleiter bei VDM arbeitet. Er wohnt in Dortmund nur wenige Hundert Meter vom Westfalentower entfernt und ist froh, dass ihm und vielen Kolleginnen und Kollegen die nervige Pendelei nach Werdohl erspart bleibt. „Anfahrzeiten von anderthalb Stunden aufgrund der Brückensperrung sind bei uns längst keine Seltenheit mehr gewesen. Die Fahrzeit der Mitarbeiter, die nun in Dortmund arbeiten, reduziert sich durch den Umzug im Durchschnitt um 45 Minuten - pro Weg“, sagt er.

Der Westfalentower an der B1 ist auf dem Büromarkt wieder gefragt. Auf zwei Etagen richtet die Firma VDM Metal aus dem Sauerland hier Ausweich-Büros für ihre Büromitarbeiter aus Dortmund und Umgebung ein.
Der Westfalentower an der B1 ist auf dem Büromarkt wieder gefragt. Auf zwei Etagen richtete die Firma VDM Metal aus dem Sauerland hier Ausweich-Büros für ihre Büromitarbeiter aus Dortmund und Umgebung ein. © Stephan Schütze

Für VDM, so sagt Philipp Verbnik, sei der alternative Standort, nach dem man seit Mitte 2022 gesucht habe, in zweierlei Hinsicht von Vorteil: „Für uns ist es die perfekte Kombination aus guter Erreichbarkeit an der B1 und der Möglichkeit, New-Work-Konzepte mit offenen Bürostrukturen und gemischten Teams umzusetzen.“ Kreative Arbeit brauche auch die Vernetzung zu Kolleginnen und Kollegen.

Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Südwestfalen weiß man um die Gefahr, dass wegen der A45-Sperrung auch viele Arbeitskräfte abwandern. „Es ist daher eine Möglichkeit, Ausweich-Büros zu schaffen, um Fachkräfte, für die sich die Anfahrtszeiten verdoppelt und verdreifacht haben, im Unternehmen zu halten oder auch neu gewinnen zu können“, sagt Christoph Brünger von der IHK in Hagen. Denn eins sei ganz klar: „Dass pendelnde Beschäftigte sich woanders etwas suchen, das ist ein Trend, der bei uns quer durch alle Branchen geht.“

Kooperation mit Südwestfalen

Während man für Büroangestellte Ausweichquartiere in Dortmund schaffen könne, sei dies aber für Fachkräfte aus der Produktion ausgeschlossen, sagt Stefan Schreiber, der Hauptgeschäftsführer der IHK zu Dortmund. Er begrüßt es ausdrücklich, „dass es eine Kooperation der Stadt Dortmund mit der Region Südwestfalen gibt, wo es darum geht, die wirtschaftlichen Kompetenzen beider Regionen zum gegenseitigen Vorteil miteinander zu verbinden.“

Stefan Schreiber, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Dortmund, warnte schon vor einem Jahr vor einem erheblichen wirtschaftlichen Gesamtschaden aufgrund der A45-Sperrung. „Berechnet wurde ein Schaden von 1,8 Mrd. Euro. Diese Berechnung könnte noch zu konservativ gewesen sein“, sagt er heute und sorgt sich um die produzierenden Betriebe in Südwesfalen: „Die Möglichkeit, Ausweichquartiere (Büroräume) in Dortmund zu beziehen, ist insbesondere für Fachkräfte aus der Produktion ausgeschlossen.“
Stefan Schreiber, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Dortmund, warnte schon vor zwei Jahren vor einem erheblichen wirtschaftlichen Gesamtschaden aufgrund der A45-Sperrung. „Berechnet wurde ein Schaden von 1,8 Mrd. Euro. Diese Berechnung könnte noch zu konservativ gewesen sein“, sagt er heute und sorgt sich um die produzierenden Betriebe in Südwesfalen: „Die Möglichkeit, Ausweichquartiere (Büroräume) in Dortmund zu beziehen, ist insbesondere für Fachkräfte aus der Produktion ausgeschlossen.“ © Montage

Was er damit meint, erklärt Stefan Schreiber so: „Die Nähe zu Forschung und Entwicklung in Dortmund spricht unabhängig von der Autobahnsperrung dafür, durch Arbeits-, Forschungs- und Entwicklungseinheiten in Dortmund auch die industrielle Produktion in Südwestfalen langfristig zu unterstützen und dort sichern zu können. In Zeiten der hohen Arbeitsverdichtung und des Klimaschutzes sind weite Pendlerwege nicht mehr zeitgemäß.“

Um die Zeit bis zur Fertigstellung einer neuen Brücke über das Rahmedetal in fünf oder auch acht Jahren zu überstehen, setzt man bei der IHK Südwestfalen auf das Projekt „Hub45“. Damit sollen entlang der A45 dezentrale Arbeitsorte zur Entlastung der Pendler entstehen - ganz nach dem Vorbild des Ausweichquartiers von VDM Metals Werdohl also.

Dieser Text wurde aktualisiert und erschien in der älteren Fassung bereits am 7. Februar 2023.

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