Firma bietet 150.000 Euro Belohnung Was es mit dem seltsamen Zeugenaufruf in Dortmund auf sich hat

150.000 Euro Belohnung: Firma aus Velbert sucht in Lindenhorst Zeugen
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Die Nachricht kommt wie ein amtlicher Aufruf daher. Ein weißer Infokasten mit roter Schrift verspricht dem Leser 150.000 Euro Belohnung für Hinweise, die zur Aufklärung einer Straftat führen. Ausrufer dieser Summe ist die Firma Chemprox GmbH mit Sitz in Velbert. Ort des Diebstahls soll allerdings eine Adresse in Dortmund-Lindenhorst gewesen sein. Aus diesem Grund fokussiert sich die Suche der Firma auf den Dortmunder Stadtbereich.

Darum geht’s: Laut der geposteten Tafel sollen mehrere Täter in den Monaten März bis August des Jahres 2020 Desinfektionsmittel im großen Stil geraubt haben. In der Anzeige ist von „circa 100.000 Litern“ die Rede.

Und nun sollen dem Hinweisgeber 150.000 Euro winken. Allerdings nur, wenn die Hinweise zu einer rechtskräftigen Verurteilung der Täter führen. Unter einer Telefonnummer können sich potenzielle Hinweisgeber bei der Firma melden. Allerdings nur von 8 bis 12 Uhr werktags.

Widersprüche werden größer

Die Nachfrage bei der Firma Chemprox GmbH gestaltet sich schwierig. Potenzielle Hinweisgeber müssen einen langen Atem haben. Denn der Anruf unserer Redaktion kommt in der Produktion raus. Hier verweist ein Mitarbeiter auf die Marketingabteilung. Aber auch die nächste Station kann nicht weiterhelfen und verweist auf die Chefin. „Die wird sich bei Ihnen melden“, verspricht die Marketing-Mitarbeiterin. Ein Versprechen, an das sich bis 6. Juli niemand hält. Bis dahin hat die Redaktion keine Nachricht der Geschäftsführung von Chemprox erreicht.

Auch Carina Dupont, Sprecherin der Dortmunder Polizei, äußert sich zurückhaltend zum Belohnungsgeld-Schreiben. Sie verweist auf die Wuppertaler Staatsanwaltschaft, die den Fall der verschwundenen 100.000 Liter Desinfektionsmittel betreue. Laut ihr hat sich der Diebstahl aber nicht im Jahr 2020 zugetragen, wie im Belohnung-Schreiben angegeben, sondern bereits im Jahr 2000.

In Wuppertal findet man hingegen deutliche Worte. „Ob es wirklich einen Einbruch gegeben hat, steht nicht fest“, sagt Oberstaatsanwalt Wolf-Tilman Baumert. Der Konzern habe Anzeige wegen Diebstahl erstattet, das Verfahren sei aber vor wenigen Tagen eingestellt worden. Die Tat sei nicht nachweisbar.

Baumert erklärt hier nochmal die Rolle der Staatsanwaltschaft: Es sei ihre Aufgabe zu prüfen, ob ein hinreichender Tatverdacht gegen die beschuldigte Person besteht. Sprich, die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung hoch ist. Wenn der Tatverdacht im Fall einer Gerichtsverhandlung wahrscheinlicher ist als ein Freispruch, kommt es zum Prozess. „Das sehen wir in diesem Fall nicht“, sagt Baumert.

Das will sich Chemprox offenbar nicht gefallen lassen. Laut Sprecher Baumert hat das Unternehmen förmliche Beschwerde eingelegt. „Die Akten wandern nun nach Düsseldorf zum Generalstaatsanwalt“, erklärt Baumert. Dort werde geprüft, ob die Staatsanwaltschaft in Wuppertal den Fall falsch eingeschätzt habe. „Das kann natürlich sein, in diesem Fall spricht aber einiges dagegen“, sagt Wolf-Tilman Baumert.

Zeuge zieht Aussage zurück

Der Grund für die Einstellung des Verfahrens ist kurios. Denn eigentlich habe die Firma einen Zeugen präsentiert, der „gesehen haben soll, wie das Zeug weggeschafft wurde“, sagt Baumert. Ein klarer Fall also. Nicht ganz, denn laut Baumert soll der Zeuge sich später bei der Staatsanwaltschaft gemeldet und seine Aussage zurückgenommen haben. Seltsam auch, dass der Zeuge angibt, „er solle das sagen“. Baumert geht davon aus, dass diese Anordnung von Anzeigenerstatter Chemprox erfolgte. „Eine sehr ungewöhnliche Situation“, sagt Oberstaatsanwalt Baumert. Er sieht in der geschalteten Anzeige der Firma nun einen neuen Versuch, Beweise für die Tat zu finden.

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