FH-Studentin gibt Obdachlosen ein Wohnzimmer für Gespräche auf Augenhöhe

© Sofia Brandes

FH-Studentin gibt Obdachlosen ein Wohnzimmer für Gespräche auf Augenhöhe

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Ihr Zuhause ist die Straße. Doch für einen Tag schuf FH-Studentin Yoana Todorova Obdachlosen eine echte Alternative. Ihr Projekt in der Fußgängerzone überwand Vorurteile. Ihre und andere.

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, 10.06.2019, 12:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Yoana Todorova studiert an der Fachhochschule Kommunikationsdesign. Die 23-Jährige kommt ursprünglich aus der bulgarischen Hauptstadt Sofia. Seit fünf Jahren lebt sie in Dortmund. Gerade bereitet sie ihren Abschluss vor. Für ihr Projekt zum Thema Identität nahm sie Obdachlose in den Blick. Ihre Arbeit soll mit einer Ausstellung im Herbst enden.

Wie kann ich diese Leute der Gesellschaft vorstellen, deren Zuhause die Straße ist? Wo können sie anderen ihre Geschichte erzählen? Die Lösung: ein Wohnzimmer auf Zeit. Ein Raum, nur ohne Wände. Ein Ort wie ein Schwebezustand. Mit einer Couch, zwei Sesseln, einem großen Teppich, Lampen und Pflanzen kreierte Yoana Todorova, die sie sich in ihrem Studium auch mit Szenografie und Installationen beschäftigt, diesen Ort. Mitten in der Fußgängerzone. Vor der Reinoldikirche.

FH-Studentin Yoana Todorova hat für ihre Abschlussarbeit ein Projekt mit Obdachlosen gestemmt. Ihre Geschichten haben sie selber berührt.

FH-Studentin Yoana Todorova hat für ihre Abschlussarbeit ein Projekt mit Obdachlosen gestemmt. Ihre Geschichten haben sie selber berührt. © Sebastian Sellhorst

Sechs Obdachlose setzten sich in dieses Wohnzimmer, um mit Passanten ins Gespräch zu kommen. Auf Augenhöhe. So der Name des Projektes. Adolf, Chris, Jessica, Marcus, Metin, Sefa und Stefan hatte die Studentin über den Bodo-Verein kennengelernt. Alle sieben sind Verkäufer des Obdachlosen-Magazins. „Mich hat überrascht, wie viele teilnehmen wollten“, sagt Todorova.

Wertschätzung war ein wichtiger Punkt des Projektes

„Obdachlosigkeit ist in der ganzen Welt problematisch“, sagt Yoana Todorova. Auch in ihrer bulgarischen Heimat gibt es viele Obdachlose - ohne die zahlreichen Angebote und Unterstützungsmöglichkeiten, die eine deutsche Großstadt wie Dortmund bietet. „Viele Menschen, die auf der Straße leben, sind vorverurteilt und werden unterschätzt“, sagt die 23-Jährige. Mit ihrem Projekt wollte sie das ändern.

Die Aktion selbst hielt für Todorova erstaunliche Erkenntnisse bereit. „Es war spannend zu sehen, wer sich zu den Teilnehmern ins Wohnzimmer begab“, sagt sie. Nicht nur Einzelpersonen, sondern auch ganze Familien nahmen in dem temporären Zuhause Platz und hörten zu, was die Obdachlosen von ihrem Leben zu erzählen hatten. Mit einem Team aus zwei Kameraleuten, einer Fotografin, einem Sounddesigner und zwei Studentinnen der Sozialen Arbeit begleitete Todorova diese Gespräche.

„Viele glauben, dass Obdachlose faul sind oder Probleme mit Alkohol haben“, sagt Todorova. Dass hinter jedem Menschen ein Schicksal steht, brachten die Gespräche „Auf Augenhöhe“ ans Licht. Ein wichtiger Punkt: die Wertschätzung, die den Teilnehmern und ihrer Geschichte entgegengebracht wurde. „Es gab keine Grenzen mehr“, sagt Todorova. Es wurden Kontakte geknüpft, Chancen geschaffen. „Das war das beste Ergebnis, das ich erreichen konnte.“

Mit einem Team aus zwei Kameraleuten, einer Fotografin, einem Sounddesigner und zwei Studentinnen der Sozialen Arbeit begleitete Todorova diese Gespräche. Am Ende des Projektes soll eine Ausstellung stehen.

Mit einem Team aus zwei Kameraleuten, einer Fotografin, einem Sounddesigner und zwei Studentinnen der Sozialen Arbeit begleitete Todorova diese Gespräche. Am Ende des Projektes soll eine Ausstellung stehen. © Sofia Brandes

Sie selbst hat dabei am meisten beeindruckt, wie tragisch manche Geschichte verlaufen ist. „Wenn Du krank bist, ist es schwierig, einen Job zu finden. Wenn Du keinen Job hast, unmöglich eine Wohnung zu bekommen“, sagt sie. So beginne der Teufelskreis. „Und krank werden können wir doch alle“, fügt sie nachdenklich hinzu.

Film- und Fotocollagen des Projektes will die Studentin Ende des Jahres in einer Ausstellung in der Galerie „Fachhochschule vor Ort“ an der Brunnenstraße in der Nordstadt zeigen. Dann wird auch zu sehen sein, was das Projekt für die Teilnehmer verändert hat. Ihr eigener Weg ist derweil ebenfalls klar: Yoana Todorova möchte in Dortmund bleiben, ihren Master machen. Doch irgendwann soll es zurück gehen in die bulgarische Heimat: Um mit dem hier gelernten dort etwas zu verändern.

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