Fasten-Verbote für Kinder? Dann bitte auch Fast-Food-Verbote!

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Fasten-Verbote für Kinder? Dann bitte auch Fast-Food-Verbote!

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Muslimische Grundschulkinder sollen nicht fasten. Das ist die feste Überzeugung unseres Autors. Der ist selbst Muslim - und nimmt die Eltern in die Pflicht. Sie sollen „mehr Islam wagen“.

Dortmund

, 27.05.2019, 04:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Lehrer berichten von Müdigkeit, Konzentrationsschwäche und teilweise sogar von zitternden Kindern in der Grundschule. Solche Schilderungen können niemanden kalt lassen. Weder Muslime noch Nichtmuslime. Mediziner sind sich einig, dass Fasten im Kindesalter ungesund ist, weil sich der Körper noch im Wachsen befindet und daher regelmäßig seine Nährstoffe braucht.

In der Theorie müssen muslimische Kinder im Grundschulalter nicht fasten, weil es islamisch gesehen erst ab der Pubertät eine Regel ist. In der Praxis gehen Anspruch und Wirklichkeit jedoch auseinander. Unsere Recherche hat ergeben, dass Kinder an Dortmunder Grundschulen durchaus fasten. Wie viele es sind, darüber gibt es keine belastbaren Zahlen. Aber eins ist klar: Jedes fastende Grundschulkind ist eins zu viel!

Fasten-Verbot ist der falsche Weg

Der einfachste Weg, dieses Problems Herr zu werden, wären Fasten-Verbote für Kinder. Wer diesem Weg folgt, könnte aber genauso gut für Fast-Food-Verbote für fettleibige Kinder plädieren. Der einfachste Weg ist bekanntlich nicht immer der beste. Abgesehen davon gibt es ganz praktische Probleme.

Sollen Kinder ernsthaft in ein Brötchen beißen, bevor sie den Klassenraum betreten, als Beweis dafür, dass sie nicht fasten? Solche Methoden erinnern an autoritäre Staaten und würden uns hierzulande mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht gut zu Gesicht zu stehen. Und wer soll bitteschön an Wochenenden überwachen, ob die Kinder zu Hause fasten? Die Lösung für dieses Problem möchte ich nicht einmal zu Ende denken, denn es erinnert mich zu sehr an einen Polizeistaat.

Muslime müssen mehr Islam wagen

Es klingt vielleicht paradox, aber die Lösung für dieses Problem lautet: mehr Islam wagen. Einige muslimische Eltern sind sich offensichtlich nicht darüber im Klaren, dass sie ihrer Religion zuwider handeln, wenn sie ihre Kinder fasten lassen, obwohl es der Gesundheit schadet. Das liegt möglicherweise an einer Vermischung von Religion und Tradition auf Seiten der Erziehungsberechtigten.

An dieser Stelle sind vor allem die Imame in den Moscheen und die islamischen Dachverbände in der Verantwortung. Sie müssen in ihren Predigten noch deutlicher machen, dass Kinder im Grundschulalter nicht fasten müssen. Lehrer spielen ebenfalls eine zentrale Rolle, indem sie das Gespräch mit den muslimischen Eltern suchen, wenn sie bemerken, dass Kinder unterm Fasten leiden. Solche Gespräche müssen auf Augenhöhe und mit Respekt geführt werden.

Kinder müssen ihre Grenzen austesten können

Als Muslim habe ich in meiner Schulzeit auch gefastet. Von meinen Eltern ging kein Druck aus. Sie haben es mir freigestellt – und mich immer wieder daran erinnert, dass ich mein Fasten abbrechen könne, wann immer ich wollte.

Kinder kennen ihre Grenzen oft nicht. Und vielleicht habe ich es den einen oder anderen Tag übertrieben. Aber auch das gehört zum Lernprozess. Ein pauschales Fastenverbot würde diesen Erkenntnisgewinn, der das Erwachsenwerden auszeichnet, zunichte machen. Mittlerweile kann ich ganz gut abschätzen, wann ich zum Fasten in der Lage bin. Auch dieses Jahr habe ich bereits an einigen Tagen das Fasten ausgesetzt, weil es zu belastend war.

Aufklärung statt Populismus

Die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann ging sogar so weit und forderte zu Beginn des Fastensmonats Ramadan einen neuen Straftatbestand, wenn Kinder von ihren Eltern zum Fasten gezwungen würden. Und das obwohl in Hessen kein einziger Fall bekannt ist. Diese Scheindebatte bringt uns in der Sache kein Stück weiter. Nicht Verbote, sondern Aufklärung ist das Gebot der Stunde. Aufklärung für Muslime. Von Muslimen.

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