Tim Sonnenberg zeigt, dass die Sitzgelegenheiten am Fußballmuseum zum Übernachten ungeeignet sind.

Tim Sonnenberg zeigt, dass die Sitzgelegenheiten am Fußballmuseum zum Übernachten ungeeignet sind. © Bastian Pietsch

Experte zeigt: Anti-Obdachlosen-Bank im Kreuzviertel ist kein Einzelfall

rnStädtebau gegen Wohnungslose

Eine Bank im Kreuzviertel hat eine stadtweite Debatte über die Vertreibung von wohnungslosen Menschen ausgelöst. Ein Dortmunder Forscher zeigt in der City andere Beispiel, die er als diskriminierend ansieht.

Dortmund

, 02.10.2022, 11:07 Uhr

Erst eine normale Bank, dann eine Bank mit Armlehnen, die die Sitzfläche unterbrechen, dann eine Bank, von der Armlehnen von Unbekannten abmontiert wurden. So ungefähr lässt sich die Geschichte von Dortmunds heiß diskutierter „Anti-Obdachlosen-Bank“ zusammenfassen. Für Tim Sonnenberg ist sie vor allem eines: ein offensichtliches Symbol. Der 34-Jährige ist Doktorand an der FH Dortmund und forscht zu Diskriminierung von wohnungslosen Personen.

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Nicht immer sei Diskriminierung gegen Obdachlose im öffentlichen Raum so offensichtlich - oder überhaupt. Oft gehe es auch einfach darum, dass Dinge fehlen. In der Dortmunder City zeigt er einige Beispiele.

Nicht immer bewusste Diskriminierung

Ein Klassiker der „defensiven Architektur“ steht vor dem Fußballmuseum. Auf den Betonklötzen dort kann man zwar sitzen, aber nicht liegen - sie sind zu kurz. Auf den Klötzen, die lang genug sind, wurden Sitzschalen montiert.

„Ob das jetzt Absicht ist, oder ob das Fußball-Ästhetik ist, kann man nicht beurteilen“, betont Tim Sonnenberg. Es komme häufig vor, dass Diskriminierung nicht bewusst entstehe. Genauso gebe es aber Fälle, in denen bewusst diskriminierende Gestaltung mit etwas anderem begründet werde.

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Ganz in der Nähe, vor dem Hauptbahnhof, fällt vor allem auf, was fehlt: Sitzgelegenheiten. Der Bahnhof sei aus verschiedenen Gründen für Wohnungslose ein viel genutzter Ort. Unter anderem befindet sich dort die Mitternachtsmission. Orte, an denen etwas für Obdachlose wichtiges fehlt, gebe es wesentlich häufiger, als direkt zur Vertreibung gestaltete Orte.

Bank trägt als Symbol zur Akzeptanz von Diskriminierung bei

Im Alltag wohnungsloser Menschen seien andere Dinge jedoch viel bedeutsamer als Bänke oder andere Stadtmöbel. Die größte Wirkung haben laut Tim Sonnenberg Sicherheitsdienste. „Wenn man sich zum Schlafen hinlegt, will man seine Ruhe haben, das erwarten wir ja von unserem Schlafzimmer auch. Wenn man da dann zwei, dreimal vertrieben wird, sucht man sich einen anderen Ort.“

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Allerdings: Eine Wirkung habe die Bank im Kreuzviertel dennoch. Diskriminierung von Obdachlosen habe gesellschaftlich tiefe Wurzeln und finde oft unterbewusst statt. Eine solche Bank stehe als gut sichtbares Symbol für die Diskriminierung. „Wenn eine Gesellschaft vorlebt, dass Menschen vertrieben werden dürfen, trägt das dazu bei, dass Diskriminierung auch auf andere Weise akzeptiert wird.“

Zweite Bank mit unterbrochener Sitzfläche

Dass die Gestaltung des Stadtraums häufig auch ungewollt zum Nachteil von wohnungslosen Menschen ausfällt, zeigt eine Bank am Platz von Novi Sad. Sie sieht ganz ähnlich aus, wie die „Anti-Obdachlosen-Bank“ im Kreuzviertel. Nur sind bei ihr die Armlehnen dazu gedacht, Senioren das Aufstehen zu erleichtern. Der Effekt für Wohnungslose sei allerdings der gleiche.

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