
© Thomas Thiel
Existenzängste bei Caterpillar in Dortmund: „Das Werk ist Teil der Familie“
Schließungspläne
Caterpillar will Dortmund verlassen – seit dieser Nachricht herrscht Ausnahmezustand bei den Bischoffs. Drei Jobs in der Familie hängen am Dorstfelder Werk. Doch noch haben sie Hoffnung.
Im Leben von Andreas und Thomas Bischoff war das Werk immer da: Lange vor der Geburt der Brüder hatte ihr Vater 1960 mit 14 Jahren dort seine Lehre als Stahlbauschlosser angefangen, damals hieß das Unternehmen noch „Orenstein & Koppel“. Er arbeitete bis zur Rente auf dem Werksgelände in Dorstfeld, zwischen Westbad und Bahntrasse, wo seit 1895 Groß-Bagger gebaut werden.
60 Jahre hält die enge Beziehung der Bischoffs mit dem Dorstfelder Werk nun schon – generationsübergreifend: Andreas (53) verlegt heute die Elektronik in den gelben Kolossen, deren größtes Exemplar es auf eine Länge von knapp 20 Meter und ein Eigengewicht von fast 1000 Tonnen bringt. Thomas (51) sorgt dafür, dass die massiven Teile der Bagger beim Zusammenbau richtig positioniert werden können. Auch Andreas‘ Tochter arbeitet im Werk.
„Das Werk ist Teil der Familie“, sagt Thomas Bischoff. „Auf jedem Geburtstag, auf jedem Familientreffen spricht man darüber.“
„Wir waren völligst unvorbereitet“
Das muss man wissen, wenn man sich die Wucht vorstellen will, mit der am 5. März eine Nachricht ins Leben der Bischoffs platzte: Da verkündete der US-Konzern Caterpillar, seit 2010 Besitzer des Dorstfelder Werks, auf einer kurzfristig einberufenen Versammlung den Bischoffs und den restlichen rund 650 Angestellten, dass der gesamte Standort in Dortmund geschlossen werden soll.
„Wir waren völligst unvorbereitet“, erzählt Andreas Bischoff. „Das ist ein schwerer Schlag für uns.“ Die Zahlen, die das Werk erwirtschaftet, seien im positiven Bereich, erklärt er. In den vergangenen Jahren hatte Caterpillar sogar noch rund 40 Millionen Euro in seinen Dortmunder Standort investiert.
Natürlich gebe es da jetzt Existenzängste, vor allem in einer Familie, in der drei Jobs an dem Werk hängen. „Ich glaube nicht, dass momentan in Dortmund oder in NRW Mitarbeiter über 50 gesucht werden, die Spezialgeräte gebaut haben“, sagt Andreas Bischoff.
Nach ein paar Tagen des Sackenlassens haben sich die Brüder Bischoff jedoch wieder etwas berappelt. Sie wollen für ihr Werk kämpfen. Sie sitzen beide im Betriebsrat, was ihnen eine gewisse Beinfreiheit gegenüber ihrem Arbeitgeber gibt, auch dann, wenn es um ein Treffen mit der Presse geht – Mitarbeiter ohne diesen Status sind da etwas vorsichtiger, haben Angst vor Repressalien durch Caterpillar.
Die Bischoffs und der Rest der Betriebsrats wollen sich nicht mit dem Aus ihres Werks abfinden. Ihr Funken Hoffnung ist, dass der amerikanische Caterpillar-Vertreter auf der Versammlung nur von Schließungsplänen gesprochen habe. Am Wochenende wolle man die nächsten Schritte planen, so die Bischoffs.
„Wir wurden immer wieder totgesagt“
„Jetzt wollen wir zeigen, dass der Standort so gut ist, dass man ihn erhalten muss!“, sagt Andreas Bischoff. „Wir wurden immer wieder totgesagt, aber haben dann über 100 Jahre überlebt.“ Über Restrukturierungen könne man bestimmt reden, gegebenenfalls auch über Personalabbau, aber eine Komplettschließung? Unvorstellbar für die Bischoffs.
Nun sind sie im Werk auf der Suche nach Unterstützern: Die Dortmunder Wirtschaftsförderung hat bereits erklärt, dass sie sich für einen Verbleib Caterpillars in Dortmund einsetzen will. Am Dienstag fährt eine Delegation des Betriebsrats nach Düsseldorf, um sich mit Vertretern der Landesregierung zu treffen.
Immer noch keine Informationen von Caterpillar
Am Tag davor erhofft sich die Belegschaft auf einer geplanten Betriebsversammlung frische Informationen von der Geschäftsführung aus den USA: „Wir wollen klar aufgezeigt bekommen, wo denn die Probleme sind, die Caterpillar hier am Standort sieht!“, sagt Thomas Bischoff.
Doch noch ist nicht klar, ob die Versammlung am Montag überhaupt stattfindet – wenn auch aus betriebsfremden Gründen: dem Coronavirus.
1984 geboren, schreibe ich mich seit 2009 durch die verschiedenen Redaktionen von Lensing Media. Seit 2013 bin ich in der Lokalredaktion Dortmund, was meiner Vorliebe zu Schwarzgelb entgegenkommt. Daneben pflege ich meine Schwächen für Stadtgeschichte (einmal Historiker, immer Historiker), schöne Texte und Tresengespräche.
