
© Hans Blossey
Mega-Evakuierung am 12. Januar: Darauf müssen sich die Dortmunder einstellen
Bomben-Blindgänger
Eine der größten Evakuierungsaktionen der Nachkriegsgeschichte steht Dortmund am 12. Januar 2020 bevor. Im Klinikviertel sollen Bomben-Blindgänger entschärft werden. Was wir bisher wissen.
Die Vorbereitungen laufen seit Wochen. Seit bei der Auswertung von Luftbildern im Klinikviertel Punkte ausgemacht wurden, an denen Bombenblindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg liegen könnten, bereiten sich die Verantwortlichen der Stadt und des Kampfmittelbeseitigungsdienstes der Bezirksregierung auf eine Riesen-Evakuierungsaktion vor.
Noch laufen die Planungen. Wir erklären, was man bisher weiß – und was noch nicht.
Wie kommt man zu dem Bombenverdacht?
Vor jedem Bauvorhaben wird die Luftbild-Auswertungsstelle beim Kampfmittelbeseitigungsdienst der Bezirksregierung eingeschaltet. Dort kann man auf einen Bestand von 300.000 Luftbildern, die die Briten nach Luftangriffen auf Dortmund im Zweiten Weltkrieg gemacht haben, zurückgreifen. Die Experten suchen nach Verdachtspunkten für Bombenblindgänger. Zweiter Schritt ist eine Sondierung vor Ort. In etwa 40 Prozent der Fälle bestätigt sich der Verdacht. Dann muss die Bombe geborgen und eventuell entschärft werden.
Oft werden Bombenentschärfungen ganz kurzfristig angekündigt. Warum ist das jetzt anders?
Wenn bei Bauarbeiten Bombenblindgänger zufällig gefunden werden, ist Gefahr in Verzug – vor allem, wenn die Bombe bewegt wurde. Dann muss sie innerhalb von wenigen Stunden entschärft werden.
Anders ist es bei Blindgängern, die planmäßig aufgespürt werden und die, ohne angerührt worden zu sein, in der Erde schlummern. Dann kann man sich mit der Evakuierung Zeit lassen. So ist es auch bei den Verdachtspunkten im Klinikviertel. Hier erfordert eine Evakuierung auch einen besonders langen Vorlauf.
Ist es denn sicher, dass dort Bombenblindgänger liegen?
Nein. Es gibt die Hinweise aus den Luftbildern. Und bei Sondierungen wurden „Anomalien“ im Boden festgestellt. Ob es sich wirklich um Bomben handelt, steht erst fest, wenn man den Boden geöffnet hat. „Für mich persönlich ist es immer erst eine Bombe, wenn ich sie sehe“, sagt dazu Karl-Friedrich Schröder vom Kampfmittelbeseitigungsdienst, der schon Dutzende Bomben in Dortmund entschärft hat.
Schon zum Freilegen der Verdachtspunkte ist es aber aus Sicherheitsgründen nötig, das Umfeld zu evakuieren, auch wenn man nicht mit Sicherheit weiß, ob dort ein Bombenblindgänger liegt.
Warum braucht die Evakuierung im Klinikviertel einen so langen Vorlauf bis zum 12. Januar?
Von einer Evakuierung des Klinikviertels sind bis zu 12.000 Anwohner betroffen, vor allem aber drei Kliniken und vier Senioren- und Pflegeheime. Denn im Umfeld liegen das Johannes-Hospital, die Kinderklinik und das Klinikum an der Beurhausstraße. Hier ist es besonders schwierig, etwa Intensivpatienten zu verlegen. „Wir stehen vor bisher nicht bekannten Herausforderungen“, erklärt Matthias Gahlen als Geschäftsführer des städtischen Krisenstabs.
In welchem Bereich wird evakuiert?
Ganz genau steht das noch nicht fest, zumal noch die Untersuchung von einem Verdachtspunkt am Hiltropwall aussteht. Ergebnisse soll es spätestens Mitte Dezember geben.
Erhärtet hat sich der Verdacht bereits am Hohen Wall, ausgeräumt werden konnte er an der Hansastraße. Am Hohen Wall sollen mögliche Blindgänger ebenfalls am 12. Januar freigelegt und entschärft werden.

Am Hohen Wall hat sich durch die Sondierung der Blindgänger-Verdacht bestätigt. © Oliver Volmerich
Auch wenn Baumaßnahmen in diesem Bereich erst in einigen Jahren geplant seien, wolle man vorsorglich tätig werden, erklärt Baudezernent Arnulf Rybicki. Schließlich sei der Aufwand für eine Evakuierung sehr hoch.
Mit jedem neuen Verdachtspunkt würde sich das Evakuierungsgebiet entsprechend in die City hinein vergrößern. Aber auch bei den Verdachtspunkten an der Luisenstraße und an der Beurhausstraße würde ein Evakuierungsradius von 500 Metern weite Teile des Klinikviertels umfassen und in der City bis zum Westenhellweg reichen.
Worauf müssen sich Anwohner einstellen?
Nach den Erfahrungen früherer Aktionen würde wohl am Morgen des 12. Januar 2020, einem Sonntag, die Evakuierung beginnen. Ordnungsamtsleiterin Beate Siekmann bittet Anwohner des Klinikviertels schon jetzt, sich darauf einzustellen, die Wohnung verlassen zu müssen. Man könnte etwa Besuche bei Verwandten oder Freunden planen. In den Kliniken und Pflegeheimen beginnen die Vorbereitungen natürlich schon Tage vorher.
Wie lange wird die Evakuierung dauern?
Das hängt davon ab, ob man tatsächlich Bomben findet, die entschärft werden müssen, und wie viele es am Ende sind. Die Kampfmittel-Experten der Bezirksregierung richten sich auf jeden Fall auf einen Großeinsatz ein. Es werden alle fünf Entschärfungsteams gleichzeitig im Einsatz sein, kündigt Karl-Friedrich Schröder an. Trotzdem dürfte allein die Evakuierung mehrere Stunden dauern.
Oliver Volmerich, Jahrgang 1966, Ur-Dortmunder, Bergmannssohn, Diplom-Journalist, Buchautor und seit 1994 Redakteur in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten. Hier kümmert er sich vor allem um Kommunalpolitik, Stadtplanung, Stadtgeschichte und vieles andere, was die Stadt bewegt.
