Erst Kunstwerke verloren, dann Verdienstorden?

Kulturbetriebe-Chef Kurt Eichler

Mit dem Briefkopf des Oberbürgermeister-Amtes sammelt die Stadt Stimmen zur möglichen Verleihung des Landesverdienstordens an Kurt Eichler - den Mann, der als Leiter der städtischen Kulturbetriebe im Mittelpunkt des Skandals um die verschwundenen Kunstwerke aus städtischem Besitz steht.

DORTMUND

, 22.07.2017, 04:21 Uhr / Lesedauer: 2 min
Der Brief aus dem Amt des Oberbürgermeisters. Wir haben einen Namen geschwärzt, um unsere Quelle zu schützen.

Der Brief aus dem Amt des Oberbürgermeisters. Wir haben einen Namen geschwärzt, um unsere Quelle zu schützen.

Das Amt des Oberbürgermeisters hat unter anderem freie Kulturschaffende in der Stadt angeschrieben und um Stellungnahme zu Eichlers Verdiensten bis zum 23. Juni gebeten. Anhaltspunkte, die „bei der Abfassung der Stellungnahme helfen könnten“, wurden im Anhang mitgeliefert. Am Schluss die Bitte, das „streng vertraulich“ zu behandeln, um Enttäuschungen zu vermeiden, wenn es mit dem Orden nicht klappen sollte.

Nach Informationen dieser Redaktion haben nicht alle Angeschriebenen darauf geantwortet. Und das ganz bewusst. Eichler, der im Herbst in den Ruhestand geht, ist nicht nur wegen der verschwundenen Kunstwerke (43 im Ostwallmuseum und 403 im Kunstarchiv) und der versuchten Vertuschung des Kunstschwunds umstritten – auch die intransparente Ermittlung der Besucherzahlen im Dortmunder U sorgte für Kritik. Zudem sehen manche freie Kultureinrichtungen ihr Wasser abgegraben, wenn etwa im U-Turm von der Stadt geförderte Konkurrenzveranstaltungen stattfinden.

Hanke-Lindemann: "Wenn jemand so einen Orden verdient hat, dann Kurt Eichler"

Eine Lanze für Eichler bricht dagegen Horst Hanke-Lindemann, Geschäftsführer des Theaters Fletch Bizzel, Erfinder von Ruhrhochdeutsch und Sprecher der zehn Freien Kulturzentren in Dortmund. Auch er wurde um Stellungnahme gebeten.

Ohne Kurt Eichler seien die heutige freie Kulturszene, das Mikrofestival, Theaterfestival, a-capella-Festival und auch das Theater Dortmund mit Kay Voges nicht denkbar, so Hanke-Lindemann: „Wenn jemand so einen Orden verdient hat, dann ist das Kurt Eichler.“ Und das sage er nicht, weil sein Theater von der finanziellen Förderung durch die Kulturbetriebe profitiere. Der Kunstschwund sei ärgerlich, so Hanke-Lindemann, doch über so viele Jahre „ein Selbstläufer. Das kann man als Amtsleiter nicht unter Kontrolle kriegen. Da ist einer auf einmal der Buhmann.“

Auszeichnung für außerordentliches ehrenamtliches Engagement

Der Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen ist eine Auszeichnung für außerordentliches ehrenamtliches Engagement. Ob hauptamtlich oder ehrenamtlich – das sei in der Rolle Kurt Eichlers schwer zu trennen, sagt Hanke-Lindemann. Eichler engagiert sich unter anderem ehrenamtlich als Vorsitzender des Fonds Soziokultur und der Landesvereinigung Kulturelle Jugendarbeit NRW sowie im Vorstand der Kulturpolitischen Gesellschaft.

Diese Redaktion hat auch die Stadt um eine Stellungnahme gebeten. Man wolle sich nicht dazu äußern, hieß es aus der Pressestelle. Nur soviel: „Die Entscheidung, wer den Landesverdienstorden erhält, liegt bei der Landesregierung. Es ist nicht üblich, dass im Vorfeld dieser Entscheidung etwas zu möglichen Kandidaten kommuniziert wird.“

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