
© Helmut Kaczmarek
„Ein Jahrhundert-Regenereignis. Das war schon mehr als außergewöhnlich“
Unwetter
Beim Unwetter am Mittwoch ist etwa ein Achtel des Jahresniederschlags auf Dortmund niedergegangen. Wann die Abwasserkanäle an ihre Grenzen stoßen, erklärt der Chef der Stadtentwässerung.
Vielen in Dortmund ist noch das Unwetter aus dem Sommer 2008 gut in Erinnerung, das vor allem Marten unter Wasser setzte. Es handelte sich damals um das drittgrößte jemals in Deutschland gemessene Niederschlagereignis, sagt Dr. Christian Falk, Chef der Dortmunder Stadtentwässerung und damit Herr der Dortmunder Abwasserkanäle.
2008, das sei ein Jahrtausend-Regenereignis gewesen, das aber nur einzelne Stadtteile betroffen habe, eben Marten mit der doppelten Regenmenge, wie sie am Mittwoch auf die Stadt niedergegangen ist. Doch gemessen am gesamten Stadtgebiet habe es noch nie so viel Regen gegeben wie beim jüngsten Unwetter.
50 bis über 100 Liter pro Quadratmeter Wasser seien gefallen, sagt Falk. Er spricht von einem „Jahrhundert-Regenereignis. Das war schon mehr als außergewöhnlich.“
Und es hat das sechstgrößte Kanalnetz Deutschlands mit rund 2000 Kilometer Länge überfordert. Falk: „Bei derartigen Wetterlagen stößt das Kanalnetz im gesamten Stadtgebiet an seine Grenzen.“ Das könne nur 20 bis 30 Prozent von dem auffangen, was am Mittwoch auf die Stadt niedergegangen sei.
Kanalnetze werden nur für Drei-Jahres-Ereignisse dimensioniert
Kanalnetze würden für Ereignisse dimensioniert, die alle drei Jahre auftreten. Um Kapazitäten für Neuanschlüsse vorzuhalten, erweitere man das auch auf vier- bis fünfjährige Ereignisse, im günstigsten Fall für zehnjährige Ereignisse, erläutert der Chef der Stadtentwässerung.
Mehr könnten Kanalnetze aber nicht ertragen, „da haben wir einheitliche Normen in ganz Europa“. Kanalnetze für 100-jährige Ereignisse zu dimensionieren, sei technisch kaum möglich und unwirtschaftlich.
Die Stadt habe in den vergangenen Jahren schon viel getan, um mit Blick auf den Klimawandel und sich häufende Unwetterereignisse Überschwemmungen und Hochwasserschäden zu vermeiden, sagt Falk. „Wir haben in den vergangenen Jahren viel Niederschlagswasser vom Kanalsystem abgekoppelt und es so entlastet. Ergänzend haben wir viele Regenrückhaltebecken geschaffen, die das Kanalsystem ebenfalls entlasten. Wir haben heute eine bessere Situation als vor einigen Jahren.“
Hauseigentümer müssen sich selbst schützen
Doch auch diese Maßnahmen stießen an Grenzen. Falk: „Und diese Grenzen waren am Mittwoch bei weitem überschritten.“ Hauseigentümer müssten ihre Immobilie auch selbst schützen, rät er. „Manchmal kommt es an Stellen rein, wo man es nicht erwartet.“
Falk empfiehlt eine Rückstauklappe einzubauen, „aber an der richtigen Stelle“, und am besten von Fachleuten installiert. Niveaugleiche Eingänge, die zwar modern seien, seien ein Einfalltor für Oberflächenwasser. Zudem gelte es Kellereingänge und Lichtschächte gegen oberflächlich abfließendes Wasser zu schützen.
Die Stadt bietet Bürgern Beratung an. Als eine von wenigen Städten in der Region kann man in Dortmund auch die hausscharfe Starkregengefahrenkarte online einsehen.
Nachhaltige Niederschlagsentwässerung
Doch auch die Stadt bleibt nicht bei den bisherigen Maßnahmen stehen. Dortmund schreibe nicht die Siedlungsentwässerung neu, aber im Verbund mit den Wasserwirtschaftsverbänden betreibe man immer mehr nachhaltige Niederschlagsentwässerung, erklärt Falk. Das bedeute, nicht mehr Niederschlagswasser in die Kanäle und zu den Kläranlagen zu bringen, sondern oberflächlich zu bewirtschaften, zurückzuhalten und versickern zu lassen.
Das jüngste Ereignis habe gezeigt, dass Dortmund damit auf einem guten Weg sei und die bisherigen Maßnahmen schon gewirkt hätten. Ein Beispiel sei der Phoenixsee, der als große Stauanlage die Fluten der Emscher aufgefangen und so Hörde vor Überflutung bewahrt habe, sagte der Kanalchef. „Diesen Weg werden wir ausbauen.“
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
