Ehepaar Overmann will Pelzgeschäft in Dortmund aufgeben „Frauen haben Angst, bespuckt zu werden“

Ehepaar Overmann will Pelzgeschäft im Kaiserviertel aufgeben
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Francis Overmann schnellt aus dem Sessel, als sich die Tür zum Geschäft öffnet. Eine Kundin möchte ihre Lederhandtasche abholen, die Overmann repariert hat. Wie viel sie bezahlen müsse, will die Kundin wissen. „Ich habe zwei Stunden daran gearbeitet“, antwortet Overmann, „geben Sie mir, so viel sie möchten.“

Die Kundin erneuert ihre Frage. Overmann schlägt 40 Euro vor. Die Frau bezahlt mit einem 50-Euro-Schein und verzichtet auf das Wechselgeld. Bei der Verabschiedung schwärmt sie von der Tasche und ergänzt ein bisschen wehmütig, dass sie mit dieser wohl nicht noch einmal zu Overmann kommen werde.

Denn das Geschäft – die Mode Manufaktur Overmann – an der Kaiserstraße schließt bald. Und die Kundin weiß das. Die Tür zum Geschäft fällt zu, und Francis Overmann setzt sich wieder in den Sessel, um sich den Fragen unseres Reporters zu widmen.

Overmann möchte schnell aus dem Ladenlokal raus. Der Mietvertrag läuft aber erst zum August aus. Er führt Gespräche mit potenziellen Nachmietern. Findet er jemanden, könnte das Geschäft schon zum 1. Mai Geschichte sein. „Dann ist die Saison sowieso zu Ende“, sagt Overmann.

Kaum noch Neuverkäufe

Er ist 67 Jahre alt und betreibt den Laden zusammen mit seiner Frau Rina, die als Geschäftsführerin eingetragen ist. Das Ehepaar verkauft „Leder mit und ohne Haaren“, wie es Francis Overmann formuliert. Er will nicht das Wort „Pelz“ vermeiden, sondern verdeutlichen, dass Pelz nur Leder sei, an dem sich noch die Haare des Tiers befinden.

Der Geschäftsmann erzählt von Menschen, die selbst Lederschuhe tragen, aber andere fürs Pelztragen anpöbeln. So etwas nervt ihn. Genauso wie Menschen, die aus seiner Sicht willkürlich für sich festlegen, bei welchen Tieren sie das Töten in Ordnung finden. Steak ja, Pelz bloß nicht. Overmann sagt über sich: „Ich bin ein Tierfreund.“

Im hinteren Teil des Ladens befindet sich die Werkstatt von Francis Overmann.
Im hinteren Teil des Ladens befindet sich die Werkstatt von Francis Overmann. © Tim Schulze

Seine Entscheidung, den Laden aufzugeben, habe weniger mit gesellschaftlichen Entwicklungen als mit Geld zu tun, sagt er. „Wir können das Geschäft nicht mehr wirtschaftlich betreiben.“ Er nennt zwei Gründe - und zuvorderst das Wetter.

„Seit 2012 gibt es keine richtigen Winter mehr“, meint Overmann. Es sei schlichtweg nicht mehr so kalt, als dass er mit dem Verkauf von Pelzen ausreichend Umsatz erwirtschaften könne. Gewinne erziele er insbesondere mit dem Neuverkauf, der aber stark eingebrochen sei. Dienstleistungen wie beispielsweise Umarbeitungen seien eher das Grundrauschen, das den Laden am Laufen halte.

Decken statt Mäntel

Der zweite Grund: Er verdiene mit den Dienstleistungen längst nicht mehr so viel wie früher, als er noch 35 Aufträge für Nerzumarbeitungen pro Jahr erhalten habe. „Die Leute tragen keinen Nerz mehr“, sagt er. Stattdessen kämen sie mit der Kleidung in den Laden, damit er daraus Decken mache. Das sei zwar nicht so aufwendig, aber auch weitaus weniger profitabel. An Arbeit mangele es nicht, betont er.

Overmann blendet die gesellschaftliche Entwicklung nicht aus. Er weiß, dass Pelze heute weniger gefragt sind als früher. Deshalb gab er dem Geschäft einen anderen Namen. 2017 war das. Doch noch immer erwirtschafte er 90 Prozent des Umsatzes mit Pelz und Leder, erzählt er. 2006 hatte er den Laden unter dem Namen Pelze und Leder Overmann an der Kaiserstraße eröffnet.

Overmann hat eine Menge ausprobiert. Zwischenzeitlich versuchte er sich in Düsseldorf, um deutlich teureren Pelzgeschäften mit günstigen Preisen Konkurrenz zu machen. Doch das funktionierte nicht. Nach rund eineinhalb Jahren stampfte er das Experiment 2016 wieder ein. Er probierte es auch mit einem Wechsel in die Dortmunder City. Doch der Laden auf dem Willy-Brandt-Platz lief nicht wie erhofft.

Sorge vor Übergriffen

Francis Overmann führt die Zurückhaltung von ehemaligen Pelzträgern und insbesondere -trägerinnen auf die Sorge vor Übergriffen in der Öffentlichkeit zurück. „Frauen haben Angst, bespuckt zu werden“, meint er.

Er bezweifelt nicht, dass es solche Übergriffe gibt, glaubt aber, dass diese weniger mit dem Pelz als mit der Ausstrahlung von Betroffenen zu tun haben. „Ich gehe mit Nerzmantel auf den Weihnachtsmarkt und werde nie dumm angemacht“, sagt Overmann. Auch seine Frau Rina sagt, sie mache keine negativen Erfahrungen.

Das Ehepaar Overmann in ihrem Geschäft an der Kaiserstraße.
Das Ehepaar Overmann in ihrem Geschäft an der Kaiserstraße. © Tim Schulze

Die Angst der Pelzträgerinnen, meint Overmann, „kann man riechen“. Er ist der Auffassung: Wenn man schon davon ausgeht, dass man dumm angemacht wird, dann passiert es auch.

Corona und die Folgen

2017 kehrten die Overmanns mit ihrem Geschäft zurück in das Ladenlokal an der Kaiserstraße. „Damals waren die Leute froh, dass wir wieder da waren.“ Entsprechend gut seien die Umsätze gewesen. Auch noch im Jahr 2018. „Da hatten sich wohl Aufträge angestaut“, glaubt Francis Overmann.

Im Nachhinein, ergänzt er, wäre es besser gewesen, schon 2019 Schluss zu machen. Bevor die Corona-Pandemie kam. Deren Folgen hätten die Rücklagen aufgefressen.

Die Overmanns haben vor zweieinhalb Jahren Nachwuchs bekommen. Ein weiterer Grund für die Ladenschließung. Rina Overmann macht gerade eine Umschulung. Ehemann Francis will sich das Geld für Miete und Versicherung sparen. Die Familie soll finanziell auf sicheren Füßen stehen.

Francis Overmann möchte weiter für seine Kunden da sein - nur nicht mehr im Geschäft. Telefonisch und via E-Mail bleibe er unter den bisherigen Kontaktdaten erreichbar, versichert er. Über die aktuell doch ziemlich winterlichen Temperaturen ist er glücklich und hofft bis zur Ladenschließung auf gute Umsätze.

Die Firma Overmann existiert bereits seit mehr als 70 Jahren. Gegründet hatte sie Francis' Overmanns Vater. Er war damals mit Geschäften in Lünen und Werne vertreten.

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