Die Geschichte liegt mittlerweile anderthalb Jahre zurück. Am 17. Februar 2022 war der ehemalige Konzern-Betriebsratsvorsitzende der EDG, Marzouk Chargui, in einer Dortmunder Nordstadt-Pizzeria von Zivilpolizisten bei der Übergabe von 3000 Euro erwischt und festgenommen worden.
Der Verdacht: Das Geld könne eine Erfolgsprovision sein für die illegale Vermittlung einer Festanstellung bei der Entsorgung Dortmund GmbH (EDG), sprich Schmiergeld. Chargui soll unter anderem dadurch Einfluss auf die Einstellung der ihm von seinem Helfer zugeführten Bewerber genommen haben, indem er sie auf die Vorstellungsgespräche vorbereitet habe.
Wofür 3000 Euro?
Doch das im Frühjahr 2022 mit der Untersuchung der Vorgänge beauftragte Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte hatte in einer ersten Analyse keine Hinweise auf eine systematische Jobvergabe gegen Geldzahlungen gefunden.
Dennoch blieb die Frage, wofür Chargui die 3000 Euro erhalten hatte. Er selbst schwieg gegenüber den Ermittlungsbehörden. Doch offensichtlich ist die Staatsanwaltschaft überzeugt, dass Chargui sich beim städtischen Tochterunternehmen EDG strafbar gemacht hat. Gegen ihn wurde jetzt Anklage erhoben. Das bestätigte am Montag, (3.7.) Richter Sebastian Dröge, stellvertretender Pressesprecher am Dortmunder Amtsgericht, auf Nachfrage.
Bestechlichkeit und Betrug
Der Tatvorwurf gegen Chargui lautet auf Bestechlichkeit in zwei Fällen. Laut Anklageschrift sollen die Taten gewerbsmäßig und jeweils in Tateinheit mit gewerbsmäßigen Betrug begangen worden sein.
Einen Gerichtstermin gebe es noch nicht, so Dröge, doch Chargui ist nicht der einzige (Ex)-EDG-Mitarbeiter, der vor dem Schöffengericht angeklagt wird. Der Tatvorwurf gegen zwei seiner Ex-Kollegen lautet Bestechung und gegen einen weiteren Angeklagten auf Beihilfe zur Bestechlichkeit.
Bei Letzterem handelt es sich um seinen Helfer und Hauptzeugen, der bei der Aufdeckung der Vorgänge eine zentrale Rolle gespielt und seinen Betriebsrats-Boss ans Messer geliefert haben soll. Er hatte gegenüber den polizeilichen Ermittlern angegeben, er sei mit dem „System“ der Vermittlung von Jobs gegen Geld nicht mehr einverstanden gewesen. Er selbst habe dem Ex-Konzernbetriebsratschef zwar Bewerber zugeführt, will sich aber nach eigener Aussage nicht daran bereichert haben.
Whistleblower oder Mittäter?
Weil sich das benannte „System“ der Jobvermittlung zumindest zunächst nicht bewahrheitet hatte, geriet der Hauptzeuge in den Fokus der Ermittlungen. Whistleblower oder Komplize? Das war die Frage. Nach der Anklage vermutlich beides.
Zwischenzeitlich hatte die EDG das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte erneut mit einer tiefergehenden Analyse zu den bekannt gewordenen Behauptungen beauftragt. Das Ergebnis ist nicht bekannt.
Klage vor dem Arbeitsgericht
Chargui wurde fristgemäß per Aufhebungsvertrag gekündigt. Er erhielt nach einem Vergleich vor dem Arbeitsgericht noch bis Ende 2022 seine Bezüge. Der Hinweisgeber aber wurde fristlos entlassen – dem Vernehmen nach, weil er nicht bei der Aufklärung der Vorgänge mit seinem Arbeitgeber kooperiert hatte. Er soll nichts dazu beigetragen haben, die Vorwürfe gegen ihn aufzuklären.
Die EDG äußere sich nicht zu dem laufenden Verfahren, so Pressesprecherin Petra Hartmann. Doch der Hinweisgeber hat sich mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht erfolgreich gegen seine Entlassung gewehrt –zunächst. Die EDG ist vor dem Landesarbeitsgericht in Hamm in Berufung gegangen.
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