EDG gibt Vermietern 7000 Schlüssel zurück - und wirbt für Tresorkauf

© Gregor Beushausen

EDG gibt Vermietern 7000 Schlüssel zurück - und wirbt für Tresorkauf

rnMülltonnen im Hof

Hunderte von Mülltonnen sind für die EDG nur mit Haus- und Hofschlüsseln zu erreichen. Schluss damit, sagt die EDG – und will alle Schlüssel wieder zurückgeben. Vermieter sind aufgeschreckt.

Dortmund

, 22.05.2020, 08:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Das Schreiben, das Bernard Austermann in Händen hielt, ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Absender: die Entsorgung Dortmund (EDG). Unmissverständlich kündigt die EDG in ihrem Brief an Immobilienverwalter Austermann an, dass sie ihm die Hoftorschlüssel für das Haus an der Poststraße 42 zum 31.12.2020 zurückgeben werde. Tenor: Der Aufwand für die Verwaltung solcher Schlüssel sei zu groß geworden.

Dafür, dass die Müllwerker an den Leerungstagen an die Abfalltonnen kommen, sei der Grundstückseigentümer (bzw. der Verwalter) verantwortlich. So, wie es in §12, Absatz 1c der städtischen Abfallsatzung geregelt ist.

„Dass die EDG die Schlüssel wieder loswerden möchte, kann ich ja verstehen“, sagt Austermann. Dafür geht ihm ein anderer Umstand gegen den Strich: Ihn stört, dass die EDG in ihrem Schreiben ganz offen empfiehlt, Vermieter mögen sich das Schlüsseltresor-System der Firma Weckbacher zulegen. „Wie kann das sein?“, fragt Austermann.

Jetzt lesen

Er ist nicht der Einzige, der sich die Frage stellt. Neben privaten Eigentümern hat die EDG auch Wohnungsunternehmen mit gleichlautenden Schreiben aufgeschreckt.

Franz-Bernd Große-Wilde, Chef beim Spar- und Bauverein, ist wenig erbaut. „Da kommen neue Kosten auf die Mieter zu“, kritisiert Große-Wilde. Er zweifelt sogar, ob es „rechtens ist, den Hinweis auf Schlüsseltresore in die Abfallsatzung aufzunehmen und nur einen einzigen Anbieter in Dortmund zuzulassen“.

Beim Verlust haftet die EDG

Hintergrund des Ärgers: In vielen Altbauten stehen Mülltonnen noch immer im Keller oder in Hinterhöfen. Den Müllwerkern bleibt nur zu schellen und darauf zu vertrauen, dass ein Bewohner öffnet.

Wo sich das nicht zuverlässig organisieren lässt, müssen die Entsorgungsteams mit Schlüsseln hantieren. „Wir haben das aus Kulanz über Jahre so gemacht“, sagt EDG-Sprecher Matthias Kinietz. Inzwischen hätten sich für 991 Immobilien 6500 bis 7000 Schlüssel angesammelt.

Hausverwalter Bernard Austermann hadert mit dem Tipp, einen Tresor in die Hauswand einbauen zu lassen.

Hausverwalter Bernard Austermann hadert mit dem Tipp, einen Tresor in die Hauswand einbauen zu lassen. © Gregor Beushausen

"Der Aufwand ist einfach zu hoch geworden", stellt Kienitz fest. Die Schlüsselwirtschaft entspreche nicht mehr zeitgemäßen Sicherheitsstandards und störe zudem die Betriebsabläufe. Komme es zu einem Verlust, stehe die EDG in der Haftung. Daher habe man entschieden, mit dem Extra-Service Schluss zu machen: Ende des laufenden Jahres 2020 sollen den Hauseigentümern alle Türöffner wieder ausgehändigt werden.

Hausbesitzern und -verwaltern bleiben dann aktuell zwei Möglichkeiten: Entweder sie finden einen Mieter, der am Leerungstag regelmäßig parat steht. Oder aber sie greifen auf die Empfehlung der EDG zurück und lassen ein elektronisches Schließsystem in die Hauswand einbauen, für das die Müllwerker stadtweit dann nur noch einen Spezial-Schlüssel benötigen.

"Wettbewerb ist ausgeschaltet"

Die Konzession und damit die Erlaubnis, solche Tresore in Dortmund zu installieren, hat die EDG exklusiv an die Firma Weckbacher vergeben. Für Große-Wilde als Vertreter der Wohnungswirtschaft stellt sich die „grundsätzliche Frage nach der Haltbarkeit einer solchen Konstruktion“.

Jetzt lesen

Denn damit sei der Wettbewerb quasi ausgeschaltet. Abhängig vom jeweiligen Modell belaufen sich die Kosten für Einbau, Betrieb und Unterhalt der Schlüsseltresore auf monatlich 25 bis 30 Euro. Legt man also die Premium-Variante zugrunde, kommen im Jahr 360 Euro zusammen. „Die werden wir wohl an die jeweiligen Mieter weiterreichen müssen“, sagt Große-Wilde.

Von der Firma Weckbacher war telefonisch keine Auskunft zu bekommen. Das sei Sache des Konzessionsgebers EDG, hieß es. Deren Sprecher Kienitz betont ausdrücklich, dass die Vergabe 2017 im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung erfolgt sei.

„Wir haben das lange geprüft und uns von einer Kanzlei beraten lassen.“ Am Ende habe lediglich ein Bewerber sein Angebot eingereicht - eben die Firma Weckbacher. „Deshalb muss die Ausschreibung aber nicht aufgehoben werden.“

Elektronisches Schließsystem: Mit einem einzigen Spezialschlüssel, der morgens aufgeladen wird, könnten die Müllwerker alle Tresore öffnen.

Elektronisches Schließsystem: Mit einem einzigen Spezialschlüssel, der morgens aufgeladen wird, könnten die Müllwerker alle Tresore öffnen. © Beushausen

Darüber hinaus stehe der Konzessionsnehmer nicht in der Pflicht, seine Kalkulation offenzulegen. Umgekehrt erhalte die EDG auch keine Konzessionsabgabe, die in die Kalkulation der Abfallgebühren einfließe. Sinken könnten die Gebühren schon deshalb nicht, weil die EDG ihre Schlüsseldienste freiwillig übernommen habe. Kienitz: „Das war reine Kulanz. Unseren Aufwand haben wir den Gebührenzahlern nie Rechnung gestellt."

„Die Gespräche sind nicht einfach“

Michael Mönig, Hauptgeschäftsführer von Haus & Grund, kennt das Thema. „Auch wir haben aktuell Post von der EDG bekommen.“ Auf den ersten Blick werfe die Zusammenarbeit zwischen EDG und Weckbacher bei ihm Fragen auf. „Rein rechtlich ist diese Konstruktion aber wohl möglich“, sagt Mönig. Die Kosten für Betrieb und Unterhalt der Tresore bewertet er als umlagefähig.

Der Spar- und Bauverein hat rund 100 Häuser mit 600 Wohnungen im Bestand, bei denen die Müllwerker noch zum Schlüssel greifen müssen. Bei Dogewo sind es nach Angaben von Prokurist Andreas Laske 80 Immobilien. Auch dort würde man gern auf ein eigenes Schließsystem zurückgreifen, wie Dogewo in einem Schreiben an die EDG deutlich macht. „Die Gespräche sind nicht einfach“, betont Laske.

Große-Wilde vom Spar- und Bauverein sieht „erheblichen Verhandlungsbedarf“. Ein Hebel könnte die Arbeitsgemeinschaft Dortmunder Wohnungsunternehmen (ADW) sein, deren Vorsitzender er ist. In der ADW bündeln sich 14 Unternehmen, die in Dortmund rund 80.000 Wohnungen vermieten. „Wir setzen auf Synergieeffekte“, formuliert Große-Wilde. Im Klartext: Die ADW hofft auf Preisnachlass.

Schlagworte: