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Dunkles Dortmund – das müssen Bürger bei Blackouts wissen
Stromausfall
Bahnen stehen still, Supermärkte sind geschlossen. Zuhause versagen elektronische Geräte den Dienst. Gäbe es länger und flächendeckend keinen Strom, würde sich in Dortmund einiges ändern.
Gerade erst haben die Menschen in Berlin-Köpenick erlebt, wie sich mehr als 30 Stunden ohne Strom anfühlen. Im Wohnzimmer leuchten nur die Kerzen, dem Smartphone fehlt der Saft, die Küche bleibt kalt.
Bei einem Stromausfall gibt es vieles nicht, was sonst im Leben selbstverständlich scheint. Sogar das Mobilfunknetz und die Wasserversorgung könnten bei einem großflächigen Stromausfall betroffen sein. Der öffentliche Nahverkehr kam in Berlin teils zum Erliegen, Bankautomaten fielen aus, Supermärkte und Restaurants, Kitas und Schulen mussten geschlossen bleiben. Mehr als 30.000 Haushalte waren von dem „Blackout“ am 19. und 20. Februar betroffen.
Energieversorgern wie der DEW21 ist die Bedeutung des Themas bewusst. Um die Versorgungssicherheit zu stärken, haben die Stadtwerke und Netzbetreiber im östlichen Ruhrgebiet daher nun beschlossen, sich im Krisenfall gegenseitig zu unterstützen.
Fällt in Dortmund der Strom aus, helfen Stadtwerke und Netzbetreiber aus den umliegenden Städten Kamen, Bönen, Bergkamen, Lünen, Unna, Fröndenberg, Schwerte und Werl. Auch Hamm, Menden und Iserlohn zeigen sich an der Nothilfevereinbarung interessiert, so Jana-Larissa Marx, Sprecherin der DEW21.
Doch was, wenn alle Stricke reißen? Wie würde sich ein längerer Stromausfall auf das Leben in Dortmund auswirken? Und wie können sich Bürger vorbereiten? Wir haben Fragen und Antworten zusammengestellt.
? Wer kümmert sich in Dortmund, wenn der Strom großflächig und länger ausfallen sollte?
Laut Bundesinnenministerium (BMI) ist die Stromversorgung Teil der sogenannten kritischen Infrastrukturen. Kritische Infrastrukturen sind wichtige Versorgungssysteme unserer Gesellschaft – neben der Stromversorgung sind das unter anderem die Nahrungsmittel- und Trinkwasserversorgung, Verkehr, Kommunikation, Banken oder Rettungsdienste und Behörden.
Fallen diese Versorgungssysteme aus, gebe es „nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen“, schreibt das BMI in einer Broschüre zum Thema.
In Dortmund ist die Dortmunder Energie und Wasser (DEW21) für die Energie- und Wasserversorgung zuständig. Bei Krisen wie einem längeren, großflächigen Stromausfall würde die Stadt Dortmund als untere Katastrophenschutzbehörde unter anderem mit Verantwortlichen der DEW21, der Polizei, der Feuerwehr und der Dortmunder Stadtwerke (DSW21) einen Krisenstab bilden. Können Schulen und Kitas öffnen oder nicht, die Information der Bürger, die öffentliche Ordnung und die rasche Wiederaufnahme der Versorgung – über alles würde der Krisenstab beraten.
? Wie kommen Bürger ohne Telefon und Internet an Informationen?
Informationen beziehen heute viele Menschen online. Soziale Medien, Nachrichtenportale, die eigene Webseite oder das Bürgertelefon nutzt auch die Stadt Dortmund, um die Bürger in Krisenfällen zu informieren.
Bei einem längeren und großflächigen Stromausfall könne es jedoch sein, dass Internet, Telefon- und Handynetz nicht verfügbar seien, so Stadtsprecher Maximilian Löchter. „Um das auszugleichen, werden in betroffenen Gebieten Ansprechstellen eingerichtet, an die der Bürger sich direkt wenden kann.“
Aber aufgepasst: „Die Notrufnummern 112 und 110 sollen in solchen Fällen ausschließlich für tatsächliche Notfälle gewählt werden. Sie stehen nicht als Auskunftshotline zur Verfügung“, betont Löchter.
Für Warnmeldungen – die gibt es etwa zum Bevölkerungsschutz, zum Wetter oder auch zu Hochwasser – bietet das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe auch eine App: Nina.
Aktuelle Warnmeldungen findet die App aber nur mit einer Internetverbindung. Ist die nicht da, kann Nina zumindest Notfalltipps geben. Einmal heruntergeladen, sind die Tipps in der App gespeichert und damit auch offline verfügbar.
In Deutschland gibt es generell eine hohe Versorgungssicherheit. Das Stromnetz ist eng vermascht und so können Netzbetreiber Strom über verschiedene Routen leiten, um Ausfälle zu vermeiden.
© Amprion/ Daniel Schumann
? Wie zuverlässig ist das Dortmunder Stromnetz?
Das Stromnetz in Deutschland ist engmaschig und bietet eine hohe Versorgungssicherheit. Der Netzbetreiber Donetz hat zwar keine eigenen Kraftwerke und ist bei der Stromversorgung auf die vorgelagerten Netzbetreiber angewiesen – auf Amprion als überregionalen Übertragungsnetzbetreiber und auf Westnetz als Verteilnetzbetreiber, der den Strom zum Verbraucher bringt.
Fallen aber eine einzelne Leitung oder zum Beispiel ein Transformator aus, könne der Strom nach Angaben von Amprion stets über eine alternative Route übertragen werden – und zwar ohne dass es hierdurch zu weiteren Störungen oder in letzter Konsequenz zu einem Stromausfall komme.
Um es für Dortmund in Zahlen auszudrücken: Die Zuverlässigkeit von Energienetzen wird mit dem sogenannten SAIDI-Wert beschrieben, den die Energieversorger jährlich der Bundesnetzagentur mitteilen. SAIDI ist die Abkürzung für „System Average Interruption Duration Index“ – damit wird die durchschnittliche Ausfalldauer je Verbraucher berechnet und bundesweit verglichen.
2017 war das Stromnetz der Donetz für Verbraucher durchschnittlich 5,6 Minuten nicht verfügbar. „Damit ist Donetz bundesweit sehr gut aufgestellt. Zum Vergleich: Der Bundesschnitt lag im Jahr 2017 bei 15,14 Minuten“, sagt DEW21-Sprecherin Gabi Dobovisek. Der SAIDI-Wert für das Jahr 2018 steht wahrscheinlich erst Ende März fest.
? Was sind die häufigsten Ursachen für Stromausfälle?
Ursachen für Stromausfälle gibt es viele. Eine davon: Bauarbeiten. In Berlin hatte eine Bohrung an einer Brücke das dort verlaufende Hauptkabel und auch noch das Notkabel für den Starkstrom durchtrennt
Das BBK
- Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat seinen Sitz in Bonn.
- Es ist seit 2004 für die Organisation der zivilen Sicherheit zuständig.
- Das BBK kümmert sich unter anderem um den Schutz kritischer Infrastrukturen, sondiert Gefahrenlagen und koordiniert die Kommunikation des Bundes mit Ländern und Gemeinden, der Privatwirtschaft und der Bevölkerung über Vorsorgeplanung und aktuelle Bedrohungen.
Das Stromnetz in Deutschland ist komplex. „Bei einem so weit verzweigten Netz lassen sich Störungen nicht immer vermeiden. Häufigste Ursachen sind dabei Schäden an Kabeln oder Verbindungsstücken“, sagt Gabi Dobovisek, Sprecherin der DEW21.
Weitere Gründe für lokale oder auch größere Ausfälle nennt das „Krisenhandbuch Stromausfall“ des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).
Es hilft unter anderem Behörden und Energieversorgungsunternehmen bei der Vorbereitung auf Stromausfälle und beim Krisenmanagement. Laut Handbuch können Stromausfälle auch durch Naturkatastrophen oder Unwetter wie Stürme, Gewitter, Erdbeben oder Hochwasser ausgelöst werden.
Die Schneekatastrophe 2005 im Münsterland war so ein Fall. Unmengen an nassem, schweren Neuschnee legten sich auf die Strommasten, bis diese schließlich reihenweise unter der Last einknickten. Etwa 250.000 Menschen waren mehrere Tage vom Stromnetz abgeschnitten.
Technische Ursachen kommen ebenso infrage: Veraltete Technik, Konstruktionsfehler oder mangelhafte Wartung können durch die Komplexität der technischen Systeme Auslöser sein. Außerdem wären Netzüberlastungen oder ein vorsätzlicher Angriff durch Terroristen als Gründe für einen Stromausfall denkbar.
? Wie steht es bei einem Stromausfall um die Wasserversorgung in Dortmund?
Wer sich nun fragt, wo der nächste Notbrunnen liegt und es nicht weiß, kann beruhigt sein. „Trinkwassernotbrunnen spielen in der Stadt Dortmund schon seit langem keine Rolle mehr bei der Trinkwasserversorgung“, sagt Stadtsprecher Maximilian Löchter. Die Brunnen wurden in der Zeit des Kalten Krieges für den Zivilschutz im Verteidigungsfall angelegt. Im Fall eines Stromausfalles ist die DEW21 aber heute in der Lage, die Wasserversorgung erst einmal aufrecht zu erhalten.
Das Dortmunder Trinkwasser kommt aus dem Ruhrtal. Es wird über mehrere große Transportleitungen und acht Hochbehälter, die sich auf Höhe des Haarstrangs befinden, ins Dortmunder Stadtgebiet transportiert und über ein engmaschiges Versorgungsnetz weiterverteilt.
Bei Stromausfall gilt: Durch die Höhenlage der Hochbehälter kann der größte Teil des Stadtgebietes im freien Auslauf versorgt werden – also ohne dass eine Druckerhöhung durch elektrische Pumpen notwendig wäre. Die Wassergewinnung im Ruhrtal verfüge über ein separates Stromverteilnetz, das über eigene Wasserkraftgeneratoren versorgt werde. Jedes Wasserwerk im Ruhrtal habe außerdem eine Notstromversorgung über Dieselaggregate. Zur Stromversorgung der Anlagen, die für die Druckerhöhung sorgen, wären allerdings mobile Aggregate notwendig, erklärt DEW21-Sprecherin Gabi Dobovisek.
Dipl.-Ing. Gerd Pospischil von der Abteilung Bau und Technik ist mit seinem Team unter anderem für die Notstromversorgung im Klinikum Dortmund verantwortlich. Hier steht er im Verteilungsraum für die Sicherheitsversorgung (Standort Mitte).
© Lena Beneke
? Wie autark sind Krankenhäuser in solchen Ausnahmesituationen?
Dortmunds Krankenhäuser sind generell für Stromausfälle gerüstet. Das ist Vorschrift. Nach wenigen Sekunden liefern die Notstromaggregate in Dortmunds Kliniken den nötigen Strom – neben medizinischen Geräten übrigens unter anderem auch für Server und Telefone.
Die Knappschaftskrankenhäuser Dortmund und Lütgendortmund seien durch die Notstromsysteme für mindestens 24 Stunden autonom, sagt Klaus-Peter Wolter, Pressesprecher Klinikum Westfalen. „Grundsätzlich ist die Ausfallhäufigkeit in den deutschen Stromnetzen ausgesprochen gering. Sollte es jedoch zu einem der ganz seltenen Stromausfälle kommen, gelten medizinische Bereiche als besonders sensibel“, sagt Wolter.
So beschreibt es auch Marcus Krämer. Er leitet die Abteilung Bau und Technik am insgesamt 1422 Betten starken Klinikum Dortmund. Krämer sagt: Bei einem Stromausfall müsse priorisiert werden. Sensible Bereiche wie OPs und medizinische Geräte seien mehrfach abgesichert – durch Batterien würden so sogar die wenigen Sekunden bis zur Notstromversorgung überbrückt.
Die Notstromaggregate der Krankenhäuser werden mit Diesel betrieben, der in großen Vorratstanks gelagert wird. „So können auch lange Ausfallzeiten überbrückt werden. In dieser Ausfallzeit könnte gegebenenfalls nachgetankt werden, so dass die wesentlichen Anlagen eigentlich unbegrenzt weiterversorgt werden“, erklärt Berthold Hane, Leiter der Technikabteilung der Katholischen St. Lukas Gesellschaft, die unter anderem das St.-Josefs-Hospital in Hörde und das Katholische Krankenhaus Dortmund-West betreibt.
„Die Patientensicherheit ist somit auch bei einem längeren Stromausfall nicht gefährdet“, betont Hane.
? Funktioniert der öffentliche Nahverkehr ohne Strom noch?
In Dortmund werden die Stadtbahnen und Busse der DSW21 je nach Wochentag von bis zu 250.000 Fahrgästen genutzt, von den Fahrten entfallen rund 53 Prozent auf den Stadtbahnverkehr und 47 Prozent auf den Busverkehr.
Die Stadtbahnen der DSW21 können ohne Strom nicht fahren. In den Anlagen der Stadtbahn gebe es aber Notstromaggregate, die etwa drei Stunden laufen, sagt DSW-Sprecher Bernd Winkelmann. „Damit wäre gewährleistet, dass die Stadtbahnhaltestellen evakuiert werden können.“
Busse hingegen könnten auch nach einem Stromausfall in Dortmund noch eine Weile fahren, erklärt Winkelmann. „Das Nacht-Express-Netz von DSW21, das seit seinen Anfängen Ende 1989 so gewachsen ist, dass es mit mittlerweile 17 Buslinien nahezu das gesamte Verkehrsgebiet von DSW21 abdeckt und auch Fahrten nach Castrop-Rauxel, Schwerte und Lünen-Brambauer abdeckt, könnte für etwa ein bis zwei Tage eine Art Blaupause für einen Fahrbetrieb ausschließlich mit Bussen sein.“
Bei einem Blackout ginge bei den Bahnen der DSW21 gar nichts mehr, denn sie sind vom Strom abhängig. Nur Busse könnten noch fahren.
© Stephan Schütze
Die Bahn unterscheidet zwischen einem Ausfall des Fahrstroms (der sogenannten Traktionsenergie) und einem Stromausfall in örtlichen Stromnetzen. Bei einem örtlichen Stromausfall im Ortsnetz der Stadt Dortmund wäre die Traktionsenergie nicht betroffen, sondern vor allem Bahnhöfe und Stellwerke, aber auch Werkstätten, teilt eine Bahnsprecherin auf Anfrage mit.
Fehlt der Saft auf der Strecke gilt: Alle Signale springen automatisch auf „rot“ und alle Züge kommen zum Stehen. Nach und nach werden sie weitergelotst – zumindest bis zum nächsten Bahnhof.
? Heben Flieger am Dortmunder Flughafen bei einem Blackout noch ab?
Auch der Dortmunder Flughafen verfügt über ein Notstromsystem. Allerdings starten und landen pro Tag etwa 90 Flieger in Dortmund – das zeigt: Der Flughafen ist zu groß und zu komplex, als dass Notstrom den Betrieb aufrechterhalten könnte.
„In dem Terminal bleiben aber die sicherheitsrelevanten Anlageteile notstromversorgt, die für ein sicheres Verlassen des Gebäudes für alle Passagiere und Mitarbeiter erforderlich sind“, sagt Pressesprecherin Davina Ungruhe.
Der Flughafen ist zu groß und zu komplex, als dass allein der Notstrom bei einem längeren Blackout den Flughafen-Betrieb aufrechterhalten könnte.
© Oskar Neubauer
? Wie komme ich bei einem Stromausfall an Bargeld?
Geldautomaten seien mehrfach gegen Stromausfälle gesichert, erklärt Birgit Müller von der Commerzbank. „Einzelne Filialen oder Stadtteile können natürlich von einem Stromausfall betroffen sein.“
So ist es häufig: Ist erst der Strom weg, funktionieren auch die Bankautomaten nicht mehr. Die Volksbank und die Sparkasse Dortmund weisen darauf hin, dass sich Kunden an den Schaltern der Filialen dennoch Geld auszahlen lassen können.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfiehlt Bürgern, immer eine ausreichende Menge Bargeld vorzuhalten. „Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte seinen Liquiditätsbedarf für eine Woche kennen. Also wissen, welche Summe er innerhalb von sieben Tagen bar oder mit seiner Girokarte zahlt. Dieser sollte dann vorgehalten werden“, rät Carsten Jäger, Sprecher der Volksbank in Dortmund.
? Sollten Bürger sich für solche Situationen rüsten?
Supermärkte, Banken und viele andere Unternehmen können bei Stromausfall nur begrenzt oder gar nicht öffnen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) empfiehlt Bürgern daher, ausreichende Vorräte anzulegen.
Dazu hat das BBK auch eine recht umfangreiche Checkliste veröffentlicht, an der Bürger sich orientieren können. Die Checkliste führt nicht nur Lebensmittel auf, sondern beispielsweise auch, was in der Hausapotheke vorhanden sein sollte und welche Hilfsmittel bei einem Energieausfall nützlich sind.
Erreichbarkeit bei Stromstörungen
- Das Stromnetz der DEW21-Tochter und Dortmunder Netzbetreiber Donetz hat eine Länge von etwa 7000 Kilometern Länge. Das entspricht ungefähr der Entfernung zwischen Dortmund und Chicago (USA).
- Der Netzbetreiber Donetz ist bei Stromstörungen rund um die Uhr erreichbar unter Tel. (0231) 54 49 71 11.
Jahrgang 1990, wohnhaft in Dortmund, gebürtige Bremerin. Studium der Angewandten Literatur- und Kulturwissenschaften sowie Journalistik und Politikwissenschaften. Seit 2011 für Lensing Media in verschiedenen Redaktionen des Hauses tätig.
