
© Peter Wulle
Gegen Verödung: Wie Düsseldorfer Experten Dortmunds City retten würden
Einzelhandel
Zwei Spezialisten für Einzelhandel und Innenstädte haben sich die Dortmunder City angeschaut. Ihr Urteil ist teilweise vernichtend. Doch sie haben auch konkrete Vorschläge.
Dafür, dass Handelsimmobilien selbst in bester Citylage oft monatelang nicht neu vermietet werden, dafür steht das Haus am Westenhellweg Ecke Hansastraße, in dem früher die Mayersche Buchhandlung und Esprit ihre Waren verkauften.
Der Leerstand dort steht sinnbildlich für die Umwälzungen im stationären Einzelhandel. „Alle Innenstädte stehen vor der Herausforderung, die Probleme des Strukturwandels lösen zu müssen. Überall gibt es Immobilien, die leiden“, sagt Klaus Schwitzke. Mit seinem Bruder Karl leitet er die Schwitzke Unternehmensgruppe in Düsseldorf, beide sind Architekten, Innenarchitekten und bundesweit tätige Spezialisten für Handelsimmobilien.
Die Situation in der Dortmunder City kennen sie genau. Sie haben Läden zum Beispiel für Ansons, Schuh Roland, Marc O‘Polo und Douglas am Westenhellweg realisiert. Und auch Esprit haben sie vor vielen Jahren zum Westenhellweg gebracht. „Schon damals war klar, dass die Immobilie sanierungsbedürftig ist. Aber, da das Ladenlokal unten genug Geld eingebracht hat, spielten die oberen Etagen keine Rolle. Jetzt ist es so, dass auch das Erdgeschoss nicht mehr funktioniert“, sagt Karl Schwitzke.
Eigentümer, Stadt und Mieter sollten gemeinsam agieren
Es ist die mittlerweile klassische Situation. „Solche Immobilien brauchen jetzt Veränderung und müssen neu gedacht und genutzt werden. Immer mehr Eigentümer kommen daher auf uns zu und fragen, wie sie mit dem Haus wieder Geld verdienen können“, so Klaus Schwitzke.

Die Passantenfrequenz auf dem Westenhellweg ist noch längst nicht wieder so hoch wie vor Beginn der Corona-Pandemie. Zum Kaufen allein kommen Menschen in Zeiten des Online-Booms nicht mehr in die City, sagen die Handelsexperten Karl und Klaus Schwitzke. © Joscha F. Westerkamp
Eine einfache Lösung gibt es in der Regel nicht. „Die Probleme können nur im Zusammenspiel von Eigentümer, Stadt und Mieter gelöst werden“, sagt Karl Schwitzke. Mit seinem Bruder ist er überzeugt, dass in den nächsten Jahren zahlreiche spannende Quartiere - auch in der City - entstehen, in denen Menschen auf engem Raum leben, arbeiten und konsumieren. Der Ansatz, solche Quartiere auszubilden, wie er in Dortmund gerade von dem von der Stadt eingesetzten Büro Stadt + Handel verfolgt wird, sei also genau richtig.
„Die Herausforderung liegt darin“, sagt Klaus Schwitzke, „ein Stadtzentrum so zu entwickeln, dass es dieser Rolle als Wohnlage gerecht wird. Es braucht einen Plan, damit Menschen auch gerne in der City wohnen. Dazu brauche es eine Qualität des öffentlichen Raums, Nahversorgungsmöglichkeiten und Kitas, Schulen, Ärzte, aber auch ein Baumarkt oder ein Möbelhaus wie Ikea.“
„Stationärer Einzelhandel funktioniert immer weniger.“
Dass die Citys in deutschen Großstädten von Handelszentren jetzt auch zu Wohnzentren werden müssen, steht für die Düsseldorfer Immobilienexperten außer Frage. Aus zwei Gründen, die sie so benennen:
„Infolge des Online-Booms funktioniert frequenzgetriebener Einzelhandel immer weniger. Wir haben heute in Deutschland zu viel Verkaufsfläche. Die Verkaufsfläche pro Person ist um das X-fache größer als in Großbritannien - und die Briten sind nicht unterversorgt. Die Einkaufszonen werden sich also verkürzen und die oberen Etagen der Warenhäuser werden als Verkaufsflächen uninteressant, da es nur um Markenpräsenz in guten Lagen gehen wird. Es geht darum, ein Erlebnis zu schaffen mit der Marke und weniger um Verkaufsfläche.“
Und: „In den oberen Etagen der Handelsimmobilien Büroräume zu schaffen, wird in diesem Umfang nicht funktionieren. So viel Bürofläche wird gar nicht benötigt.“
Eine City mit zu viel Asphalt und einem Flickenteppich
Geht man mit den Schwitzke-Brüdern durch die City, dann fällt ihnen auf, dass es grundsätzlich zu viel Asphalt, einen ziemlichen Flickenteppich und zu wenig Grün gibt. „Man muss in Dortmund einen Grund schaffen, damit Leute die City besuchen. Das ist nicht allein der Handel. In Düsseldorf gibt es auch mehr als nur Läden“, sagt Klaus Schwitzke.
Und Karl Schwitzke ergänzt: „Wenn eine Stadt vital ist und Gewerbesteuerzahler da sind, rechnet es sich, in Aufenthalts- und Erlebnisqualität zu investieren. Eine Verödung bringt die höchsten Kosten.“ Flächen seien in Dortmund genügend da, aber sie seien nicht vernünftig begrünt. Ein gutes Beispiel sei der Platz von Netanya. „Der Platz schreit danach, dass an und auf dem Platz mehr Grün verwirklicht wird und noch weitere gastronomische Konzepte umgesetzt werden“, sagt Klaus Schwitzke.

Der Alte Markt gilt als der beliebteste Platz in der Dortmunder City. Plätze dieser Qualität - mit Gastronomie und auch noch mit möglichst viel Grün - würden sich Karl und Klaus Schwitzke mehr wünschen. Es brauche mehr Leben im öffentlichen Raum - inklusive auch „konsumbefreiter Aufenthaltsqualität“. © Stephan Schütze (Archiv)
Erst im Februar hatte eine Online-Umfrage des Amtes für Stadterneuerung ein ernüchterndes Ergebnis für die City gebracht. Die Dortmunder finden demnach ihre City austauschbar, unattraktiv und langweilig.
Neuausrichtung der City wird etliche Jahre dauern
Mit Ad-hoc-Maßnahmen wie neuen Bänken, mobilen Bäumen oder der Neuauflage des Paradiesgartens an der Reinoldikirche will die Stadtverwaltung gegensteuern. Auch der Aufbau eines Citymanagements läuft. Die Umsetzung eines großen städtebaulichen Wurfs wird allerdings Jahre dauern.
„Schon jetzt aber braucht es einen konkreten Plan“, sagen Klaus und Karl Schwitzke, „denn Investoren möchten wissen, wie sich die Stadt und einzelne Lagen weiterentwickeln.“ Bei der Neuausrichtung der City gehe es um einen Prozess, der 20 Jahre dauere. „Die Politik ist aufgerufen“, meint Klaus Schwitzke, „gemeinsam Konzepte zu entwickeln, die auch über eine Legislaturperiode hinaus reichen.“
Der jüngste Vorschlag der CDU, eine breite, 31 Mitglieder starke „Kommission zur Zukunft der Dortmunder City“ zu bilden, ist im Stadtrat umstritten. Es gebe bereits genügend Gremien, sagen beispielsweise Kritiker von SPD, FDP und AfD.
Über 17 Ämter arbeiten am Stärkungsprojekt für die City
Die Pressestelle der Stadt Dortmund betont, dass mit mehreren Partnern intensiv an dem Ziel gearbeitet werde, die City zu stärken. Dazu gehöre auch die Umsetzung des Masterplans Plätze für prägende Stadträume. Allein in der Verwaltung würden sich mehr als 17 Ämter, Fachbereiche und Abteilungen in das gemeinsame Stärkungsprojekt für die City einbringen.
Das Umweltamt, so sagt Stadtsprecher Christian Schön, habe gerade ein 240 Seiten starkes Konzept mit Maßnahmen zur Verbesserung des Stadtklimas vorgelegt. Es geht um Dachbegrünungen, Entsiegelungen und Verschattungen mit hitzereduzierender Wirkung.
„Zur Attraktivitätssteigerung können diese nun vorliegenden Maßnahmen und Ideen gut in die weiteren Planungen zur City mit einfließen“, sagt Christian Schön. Die Stadt prüfe Fördermöglichkeiten. Sobald sich diese ergeben würden, stehe „ein ganzer Baukasten an Maßnahmen“ für einen Grünen Wall und eine grüne City bereit.
Nach mehreren Stationen in Redaktionen rund um Dortmund bin ich seit dem 1. Juni 2015 in der Stadtredaktion Dortmund tätig. Als gebürtigem Dortmunder liegt mir die Stadt am Herzen. Hier interessieren mich nicht nur der Fußball, sondern auch die Kultur und die Wirtschaft. Seit dem 1. April 2020 arbeite ich in der Stadtredaktion als Wirtschaftsredakteur. In meiner Freizeit treibe ich gern Sport: Laufen, Mountainbike-Fahren, Tischtennis, Badminton. Außerdem bin ich Jazz-Fan, höre aber gerne auch Rockmusik (Springsteen, Clapton, Santana etc.).
