Hasan Sahin wollte sich gegen Mitternacht ins Bett legen. Den Fernseher hatte er gerade erst eingeschaltet. Da hörte er, wie es draußen knallte. Er verließ seine Wohnung, die über den Räumen des Vereins zur Förderung der interkulturellen Lese-Kultur und Medienkompetenz, Taranta Babu, an der Humboldtstraße liegt. Sahin ist der Vorsitzende des Vereins und wollte sehen, ob alles in Ordnung ist.
Das war es nicht. Der alternative Buchladen, den der Verein betreibt, wurde in der Nacht zu Mittwoch (26.10.) angegriffen. Wie die Polizei Dortmund auf Nachfrage mitteilt, haben die Täter versucht, Fensterscheiben des Ladens mit Backsteinen einzuwerfen. Das misslang, die Scheiben wurden jedoch stark beschädigt.
62-Jähriger verfolgte Täter
Als Hasan Sahin nach Mitternacht aus dem Hauseingang auf die Straße trat, war die Polizei schon da. So erzählt er es im Gespräch mit unserem Reporter am Mittwochmittag. Er berichtet auch, dass ein Mann festgenommen wurde.
Ein 62-Jähriger, der sich zum Tatzeitpunkt mit einigen anderen Personen in dem Treffpunkt an der Humboldtstraße aufhielt, hatte einen der mutmaßlichen Täter verfolgen können. Der Mann, der seinen Namen nicht veröffentlicht wissen möchte, lief hinter dem Verdächtigen her. Dieser sei gestürzt, woraufhin er ihn habe festhalten können, bis die Polizei kam, berichtet der 62-Jährige. Ein weiterer Mann, der mutmaßlich an der Tat beteiligt war, sei entkommen.
Ermittler prüfen Motiv
So hat es der 62-Jährige auch der Polizei erzählt. Diese ermittelt nun wegen Sachbeschädigung. Zu dem Festgenommenen macht die Pressestelle der Polizei am Mittwochnachmittag zunächst keine Angaben. Dessen Hintergrund werde ebenso wie ein mögliches Motiv geprüft. Daher sei auch der Staatsschutz in die Ermittlungen eingebunden.
Zwei große Fensterfronten sowie zwei Glasscheiben einer Tür sind kaputt. Am Mittwochnachmittag werden sie gesichert, während Hasan Sahin davor steht und von den Geschehnissen sichtlich mitgenommen ist. „Ich bin traurig“, sagt er. Bei ihm kämen jetzt die Erinnerungen an Vorfälle hoch, die sich vor einigen Jahren ereigneten. In den vergangenen Jahrzehnten ist Taranta Babu regelmäßig das Ziel von Angriffen gewesen. Das Gebäude sei auch mit Hakenkreuzen beschmiert worden.
Drohanrufe erhalten
Für den Vereinsvorsitzenden war der Vorfall mit den beschädigten Scheiben noch nicht zu Ende. Er berichtet, dass er zwischen 9 und 10 Uhr am Mittwochvormittag zwei mutmaßliche Drohanrufe erhalten habe.
Jeweils habe eine männliche Stimme gesagt: „Das geht weiter.“ Sahin bezog diese Äußerung auf die Sachbeschädigung. „Natürlich mache ich mir jetzt Gedanken“, sagt er. Über mögliche Hintergründe des Angriffs in der Nacht oder die Drohanrufe möchte er nicht spekulieren.
Die Polizei habe über eine Presseinfo des Vereins von den mutmaßlichen Drohanrufen erfahren, heißt es von der Pressestelle. Die Beamten seien dahingehend „sensibilisiert“.

Hinter den beiden großen Fensterscheiben hängen Bilder einer Fotoausstellung. Die Aufnahmen stammen von sieben FH-Fotografie-Studierenden, die sich in einer Künstlergruppe mit dem Namen „Mischkonsum“ zusammengefunden haben. Einer von ihnen ist Leopold Achilles (29). Er ist sofort zu dem Buchladen gekommen, als er von dem Angriff erfahren hat. „Ich war ziemlich erschüttert. Mir tut es leid für Hasan. Das ist auch ein Angriff auf unsere Kunst“, sagt Achilles.
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