Drogen und Bettler in Innenstädten Was machen andere Städte? Essen kopiert Dortmund - Duisburg greift durch

Drogen und Betteln in der Innenstadt: Essen orientiert sich an Dortmund
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Duisburg greift durch - zumindest wenn man der offiziellen Antwort der Stadtverwaltung glauben darf. Wir haben in den größten Städten in NRW gefragt: Wie groß ist bei euch das Problem mit Drogenszenen in der Innenstadt? Nimmt die Anzahl der Menschen zu, die betteln?

Vor allem aber: Wie begegnet man dem? Durchgreifen? Mehr Hilfe anbieten? Lassen sich die Probleme aus den Innenstädten vertreiben, zugunsten von Handel, Gastronomie, Kunden und Gästen?

„Erhöhte Gewaltbereitschaft“

Aus den Antworten wird deutlich: Crack ist mittlerweile überall - von Köln über Düsseldorf, Duisburg und Bochum bis nach Bielefeld. In Bonn sei durch viele Abhängige dieser Droge „eine aggressivere Stimmung spürbar“, heißt es von der dortigen Stadtverwaltung. Auch in Münster spricht man von einer „erhöhten Gewaltbereitschaft“.

Also durchgreifen? Polizei und Ordnungsamt patrouillieren lassen? Menschen, die betteln oder Drogen nehmen, aus der Innenstadt vertreiben? Fast alle Städte sagen deutlich nein: „Eine ‚Vertreibung‘ von bettelnden Menschen und/oder Drogenabhängigen ist aus unserer Sicht keine geeignete Maßnahme zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität in der City“, betont etwa Ingo Nürnberger, Sozialdezernent der Stadt Bielefeld: „Eine solche Maßnahme führt lediglich zu einer Verlagerung des Problems an andere Orte – womöglich auch in Wohngebiete.“ Eine Lösung aber sei das nicht.

Ein wohnungsloser Mann sitzt an einem Pfeiler neben dem Eingang des Hauptbahnhofes in Dortmund.
Nicht nur im Dortmunder Bahnhofsumfeld gehören wohnungslose Menschen zum Bild. Und in allen größten Städten in NRW nimmt man eine zunehmend aggressivere Drogen-Szene wahr. © Schaper

„Betteln ist nicht verboten“

„Auch drogenabhängige und wohnungslose Menschen haben das Recht, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten“, stellt die Stadt Münster klar: „Betteln ist nach der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht verboten.“ Ebenso wie fast alle Städte unterstreicht Münster: Hilfe für die Betroffenen sei das Wichtigste.

Manchmal müssen aber auch andere Lösungen her. „Gegen aggressives Betteln geht die Stadt Münster konsequent vor“, heißt es in der Antwort weiter. Köln verfährt ebenso, allerdings nur bedingt erfolgreich. Der Ordnungsdienst spreche schon viele Platzverweise aus. Nur: Nach einer gewissen Zeit kehren die Menschen zurück zur Szene.

Von 6.30 bis 1 Uhr nachts

Schulterzucken also? Kann man eh nichts machen, zumindest nicht durch Ordnungsamt und Polizei? Duisburg betont das Gegenteil: Bei „konkreten Verstößen gegen die öffentliche Sicherheit“ ahnde man „konsequent“ und erfolgreich. „Aus unserer Sicht hat sich die Situation im Bereich der Duisburger Innenstadt objektiv und spürbar verbessert“, was sicherlich auch daran liege, dass von 6.30 Uhr morgens bis 1 Uhr nachts Streifen zu Fuß unterwegs seien.

Geschäftsinhaber, Gastronomen und Innenstadt-Besucher seien zufrieden mit der Entwicklung, behauptet die Stadt Duisburg. Gleichzeitig gibt man aber zu bedenken: „Der Kreis der drogenabhängigen Personen in der Innenstadt ist überschaubar.“

Aus Bochum heißt es: Abgesehen von einer Verwahrlosung der Drogenkranken - bedingt durch den Crack-Trend - gebe es keine großen Veränderungen zu den Vorjahren.

Eine Kabine pro Person

Anders in Düsseldorf: 88 Prozent mehr Crack sei 2023 im Konsumraum der Drogenhilfe genommen worden, 66 Prozent mehr Kokain. Wie viele Menschen zur Szene gehören? Man könne es nicht sagen. Nur, das stellt eine Sprecherin der Stadt Düsseldorf fest: „Selbstverständlich müssen Gefährdungssituationen ausgeschlossen werden, wie sie im Bereich der Baugrube des Grand Central erlebt wurden.“

Unter diesem Namen entsteht ein neues Wohngebiet - in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof, also auch in unmittelbarer Nähe zur Drogen-Szene. Etliche Menschen schliefen im Winter auf der Baustelle - vermeintlich in Sicherheit, in Wahrheit aber in Lebensgefahr: bei Minustemperaturen und womöglich am Abgrund.

Die Lösung, die man in Düsseldorf fand: eine mittlerweile ungenutzte Unterkunft für Geflüchtete, ebenfalls in der Nähe des Hauptbahnhofes. Knapp 80 einzelne Räume gibt es in den Containern - dort können auch diejenigen unterkommen, für die bestehende Sammelunterkünfte „krankheitsbedingt“ keine Optionen sind.

Vertreter von Stadt und Diakonie Düsseldorf stehen in einem Zimmer, das Obdachlosen und Drogenkranken zur Verfügung gestellt wird.
In Düsseldorf können Drogenkranke und Wohnungslose jetzt in Einzelräumen übernachten. Vertreter der Stadt und der Diakonie stellten das vor. © Stadt Düsseldorf / Ingo Lammert

Probleme in Düsseldorf und Essen

Längerfristig sucht aber auch Düsseldorf nach „dezentralen“ Lösungen. Eine Vertreibung von den Drogen-Hotspots Hauptbahnhof und Worringer Platz also? Die Stadt bestreitet das vehement: „Nein, die Verwaltung verfolgt keine solche ‚Taktik‘.“

Und Essen? Auch dort gibt es seit Jahren eine Drogenszene. Auch dort beschweren sich Innenstadt-Besucher wie Gastronomen über aggressives Verhalten und übergriffiges Betteln. Den Betreibern von Cafés, Kneipen und Restaurants reicht es mittlerweile - und sie orientieren sich an Dortmund.

„An guten Ideen orientieren“

Denn die Gastronomen vom Alten Markt begannen im Spätsommer 2023, einen Sicherheitsdienst zu beschäftigen - in Zusammenarbeit mit der Stadt Dortmund und der Polizei. Das nahm sich Essen Marketing nun zum Vorbild. Auch am dortigen Kennedyplatz sollen jetzt Security-Mitarbeiter dafür sorgen, dass die Gäste in Ruhe essen und trinken können, ohne dabei angebettelt zu werden.

Zunächst ein Modellversuch, heißt es. Man teile sich die Kosten. Auch das ist wie in Dortmund. „An guten Ideen sollte man sich orientieren“, erläutert Florian Hecker, Sprecher von Essen Marketing. Man schaue sich ja auch in anderen Städten um, ob es dort gute Konzepte gebe. In Essen hat sich vor allem in der Nach-Corona-Zeit die Drogenszene deutlich näher zu den Läden der Innenstadt und der Gastronomie bewegt. Kunden und Gäste beschweren sich über aggressives Betteln, teils auch über Trickdiebstahl.