In Dortmunds gute Stube regnet es an diesem Freitagmittag (1. September) zwar etwas rein, ansonsten aber fühlen sich die ersten Fußball-Fans aus dem baden-württembergischen Heidenheim auf dem Alten Markt sichtlich wohl.
Klaus D. (52) hat im Wenkers nach dem Essen noch ein Bierchen vor sich stehen. Die Laune vor dem dritten Bundesligaspiel seiner Geschichte, das der FC Heidenheim am Abend gegen Borussia Dortmund bestreiten wird, ist gut und Klaus und seinen Kumpels gefällt es in der City. Von Drogenkranken, Obdachlosen und aggressiver Bettelei haben sie noch nichts mitbekommen. „Nein“, sagen sie, „angebettelt worden sind wir bisher noch nicht. Alles gut hier.“
Klaus kennt sich im Polizeidienst etwas aus und bestaunt dann die Sterne auf den Schulterklappen von Polizist Ralf Kießling. „Bei uns“, sagt er, „ist das ein Stabshauptmann. Und bei euch?“ „Ich bin Erster Polizeihauptkommissar“, antwortet der Beamte. Dass Ralf Kießling an diesem Mittag auf dem Markt ist und sich am Wenkers umguckt, hat aber nichts mit den Fußballfans aus Heidenheim, sondern mit einer Aktion der City-Gastronomen zu tun.
Es soll gemütlich bleiben
„Die Gastronomen am Markt möchten weiterhin dafür sorgen, dass das Wohnzimmer Dortmunds gemütlich und einladend bleibt“, sagt Holger Schmidt vom Maximilian. Dazu haben insgesamt sechs Gastronomen (Alter Markt, Zeitgeist, 60 Seconds to Napoli, Wenkers, Pfefferkorn, Maximilian) mit Beginn dieses Monats die Dortmunder Firma WZ Security beauftragt. Der Sicherheitsdienst soll helfen, die Bettelei an den Tischen in der Außengastronomie einzudämmen. Dass alle fünf Minuten jemand vorbeikommt und um eine Spende bittet, damit soll Schluss sein.
„Wir haben beschlossen“, sagt Jörg Kemper vom Wenkers, „angesichts steigernder Nebeneffekte, die es in Großstädten gibt, in enger Zusammenarbeit mit den Dortmunder Behörden - mit Polizei und Ordnungsamt - die Service- und Sicherheitsmaßnahmen zu verstärken.“ Überschriften wie„Ekel-Attacke beim Gläschen Wein in der City“ zu einem Vorfall am Mönchenwordt, soll es schleunigst nicht mehr geben müssen.

„Dazu müssen aber alle anpacken. Wir Marktgastronomen sehen uns nicht verantwortlich, die gesellschaftlichen Probleme einer Großstadt zu lösen. Das muss auf einer anderen Ebene geschehen. Allerdings wollen wir die Probleme auch nicht einfach so hinnehmen. Wir sind gerne bereit, unseren Teil zu einer lebenswürdigen Großstadt beizutragen“, sagt Holger Schmidt.
Mit den Behörden abgestimmt
Und in der Art und Weise wie sie dies tun, finden die Gastronomen volle Unterstützung. „Die Service- und Sicherheitsmaßnahmen sind mit uns und dem Ordnungsamt genau abgestimmt“, sagt Ralf Kießling, der die Innenstadt genau kennt und aktuell die intensiven polizeilichen Maßnahmen in der City koordiniert. Er beobachtet, dass diese auch bereits eine positive Wirkung zeigen: „Es hat sich herumgesprochen, wie stark Polizei und Ordnungsamt gegen aggressives Betteln, das eine Ordnungswidrigkeit darstellt, vorgehen. Und die Maßnahme der Gastronomen, die auf ihren Privatflächen das Hausrecht ausüben, ergänzt unsere Arbeit sehr gut.“
Die Szene der Bettler, so stellt der Erste Polizeihauptkommissar gemeinsam mit den Gastronomen und Stefan Wiemers von WZ Security fest, besteht aus ganz unterschiedlichen Personenkreisen. Es gebe Obdachlose, einfach Heimatlose, Drogenabhängige - darunter überwiegend Crack-Süchtige - und auch Trickdiebe und vor allem „Trittbrettfahrer“, die gar nicht obdachlos oder bedürftig sind.
„Das zeigt, man hilft den Allermeisten mit einer Spende nicht. Ich wünsche mir, dass jedem Drogenkranken begleitend zu dem Willen verholfen wird, wegzukommen von der Droge. Dafür sollten lieber Institutionen unterstützt werden, die helfen können“, sagt Jörg Kemper. Um menschliche Not zu lindern, betont er, sei ein enger Schulterschluss aller Verantwortlichen in Staat, Politik und Gesellschaft notwendig.
Keine Hau-ruck-Aktionen
„Es wird auch mittlerweile viel gemacht. Wir spüren, dass die Probleme weniger werden und die Talsohle durchschritten ist. Mit der Beauftragung des Sicherheitsdienstes erhöhen wir auch das subjektive Sicherheitsempfinden in der City. Dortmund ist attraktiv“, sagt Holger Schmidt.

WZ Security verfügt über sehr viel Erfahrung im Konflikt und Krisenmanagement und ist schon seit Jahrzehnten rund um den Alten Markt tätig. „Wir machen keine Hau-drauf-Aktionen. Wir werden die Leute vernünftig ansprechen und ihnen die Regeln verdeutlichen“, sagt der Chef Stefan Wiemers. Er ist mit den Behörden gut vernetzt und überzeugt von einem engen Zusammenwirken: „Sollten Personen sich unredlich verhalten, so wird ein gemeinschaftliches Hausverbot für die Gastronomien der Gemeinschaft ausgesprochen. Im Wiederholungsfall wird eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstattet.“
Ralf Kießling, der sich inzwischen von Klaus D. und einigen anderen Fußballfans aus Heidenheim verabschiedet hat, sagt: „Wir, Polizei, Ordnungsamt und Sicherheitsdienst, erfüllen jeder unseren Part. Wenn WZ Security nicht zurecht kommt, übernehmen wir.“ Wenkers-Betreiber Jörg Kemper ist happy: „Das wird das Ambiente im Wohnzimmer der Stadt wieder verbessern.“ Vor allem dann, wenn es nicht reinregnet.
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