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Streit um Dreadlocks: „Ich habe noch nie so viel Hass gegen mich verspürt“
Dortmunder Dreadlock-Trägerin
Dürfen Weiße Dreadlocks tragen? Das diskutiert derzeit Deutschland. Die Dortmunderin Nadia van Loon (26) musste wegen ihrer Dreadlocks sogar einmal umziehen. Hier erzählt sie ihre Geschichte.
Ich trage seit vier Jahren Dreadlocks. Ich finde es schön, es ist Zeichen von Freiheit und Unabhängigkeit. Ich hatte noch nie deswegen Probleme gehabt - bis ich vergangenes Jahr zum Studium in eine große Haus-WG nach Witten zog.
Obwohl ich mich als offenen Menschen sehe, waren einige meiner 15 Mitbewohner (alle wie ich Studierende) und einige Menschen, die ich über sie kennenlernte, von Anfang an distanziert zu mir. Ich spürte ein Nicht-Willkommen-Sein, und das noch vor dem ersten Händeschütteln.
Nadia van Loon

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- Nadia van Loon (26) kommt aus Dortmund und studiert Gartenbau an einem Institut in Witten.
- Sie ist die Tochter unseres Redakteurs Andreas Schröter
Ich redete mir ein, dass ich mir das bestimmt nur einbilde, nun mal nicht jeder Mensch so herzlich sein kann, wie ich es von anderen Freundeskreisen gewohnt war, und sie bestimmt andere Qualitäten haben.
Auf die Spur, was mein Gefühl ausgelöst hat, kam ich dann erst Monate später, als ich im Urlaub war und von einer Mitbewohnerin die SMS bekam, dass sie gerne mal mit mir über meine Frisur sprechen würde.
„Höchst rassistisch“
Im Anhang sandte sie mir dann auch gleich ein paar Links, in denen kulturelle Aneignung klar als höchst rassistisch dargestellt wurde. Ein Teil von mir ging direkt in eine Schutzhaltung, aber ein anderer gab zu, dass ich mich mit dem Thema wirklich noch nicht beschäftigt hatte und ich daraus folgend zu wenig Ahnung hatte, um überhaupt ein konstruktives Gespräch darüber führen zu können.
Nach einiger Zeit, die ich damit verbrachte, das Internet zu durchforsten und intensive Gespräche mit engen Freunden zu führen, war ich ganz sicher: Ich behalte meine Dreads. Viele Schwarze fühlen sich davon alles andere als diskriminiert, sondern freuen sich, wenn ihre Frisuren heutzutage als Inspiration angesehen werden. Ist Imitation nicht die beste Form der Schmeichelei und kann die gleiche Frisur kulturübergreifend nicht als Vereinigung dienen?
„Abneigung gegen meine Frisur nur von Weißen“
Dreads haben sich außerdem schon von Anbeginn der Zeit in jeglicher Kultur natürlich geformt, wenn die Haare nicht gekämmt wurden. Tatsächlich haben mir fast alle mit nicht-europäischem Haar, denen ich begegnete, direkt ihre Sympathie ausgedrückt. Die Abneigung gegen meine Frisur kam lediglich von weißen Menschen, die sich für Schwarze einsetzen wollen.
Die Situation in meiner WG und in meinem neuen Umfeld spitzte sich immer weiter zu. Mehr und mehr Menschen sprachen mich auf meine Haare an, und ich fand mich das ein oder andere Mal plötzlich in der Situation wieder, mich für meine Dreads rechtfertigen zu müssen. Ich wurde ständig belehrt und mit Informationen überhäuft, die mich zu „Vernunft“ bringen sollten.
Sushi, Piercings und serbische Bohnensuppe
Ich wollte mich aber nicht rechtfertigen. Sollte mein Verzicht auf Dreads wirklich der Schlüssel zu einer besseren Welt sein? Außerdem fragte ich mich nun, ob dann auch tibetische Gebetsfahnen, Sushi, Piercings und serbische Bohnensuppe auch kulturelle Aneignung sein sollten.
Der Höhepunkt war ein weißes Mädchen, das eines Tages in meiner WG zu Besuch war, hoch in mein Stockwerk kam und meinte, sie müsste mit mir reden. Ohne böse Vorahnung lud ich sie in mein Zimmer ein und wir setzten uns auf mein Bett.
Selten habe ich jemanden kennengelernt, der von so viel Hass und Wut angetrieben wird. Ihre Meinung war, dass ich puren Rassismus und die Vorherrschaft von Weißen repräsentiere und meine Argumente absolut lächerlich, ignorant und peinlich wären.
Sie sehe es als ihre Verantwortung an, diese ungemütliche Arbeit zu leisten und fühlte sich bei uns in der WG diskriminiert und unwohl. Sie war entsetzt, als sie mich und meinen Freund, der auch Dreads hat, in der Küche gesehen hat und würde mir nun eine Woche geben, bis ich meine Haare abrasiere.
Noch nie so ausgegrenzt gefühlt
Noch nie habe ich mich in meinem eigenen Zuhause so ausgegrenzt und minderwertig betrachtet gefühlt und das von Menschen, die doch eigentlich dafür kämpfen, dass weniger Ausgrenzung passiert.
Das, was ich sagte, wurde absolut überhört, und ich war schockiert und traurig über so wenig Zwischenmenschlichkeit, die wiederum meiner Ansicht nach unter anderem zu einer besseren Welt führen könnte, und dass ein einziges Merkmal wie meine Frisur Menschen davon abhält, mich überhaupt sehen, geschweige denn kennenlernen zu wollen.
In den folgenden Tagen kamen immer mehr Menschen zu mir, die dieses Mädchen unterstützten und sich fast schon übergriffig mit Sätzen wie: „Am besten, du rasierst sie heute noch ab und denkst im Anschluss über dein Verhalten nach“, in meine Privatsphäre drängten. Außerdem wurde ich als neues Mitglied einer feministischen Initiative abgelehnt, da ich mich augenscheinlich zu wenig mit Ausgrenzung beschäftige.
„Ich möchte mit mehr Respekt behandelt werden“
Als ich äußerte, dass ich mir wünschen würde, mit mehr Respekt behandelt zu werden, bekam ich die Antwort: „Menschen, die keinen Respekt verdient haben, bekommen auch keinen Respekt.“
Auch wenn ich keine Ahnung von den Pro-Dreads-Argumenten gehabt hätte, habe ich spätestens an diesem Zeitpunkt gewusst, dass ich zu einer Gruppe, die so eine extreme Meinung vertritt und mit so wenig Liebe und Wohlwollen handelt, nicht gehören möchte.
Am Ende der Geschichte zog ich aus der WG aus und um in einen anderen Stadtteil von Witten. Ich bin nun dankbar für mehr Klarheit darüber, mit welchen Energien ich meine Seele füttern möchte.