Es ist die vielleicht älteste Frage der Bierstadt Dortmund: Welches Bier ist das beste der Stadt? Der eine schwört auf Brinkhoff‘s, die andere auf Kronen, während ein dritter eher Bergmann favorisiert. Endloser Diskussionsstoff für Abende am Stammtisch, in der Kneipe oder im Park.
Man kann aber auch Matthias Kliemt fragen. Der 56-jährige Biersommelier testet seit Jahren professionell Biere. Er hat 2015 seine Ausbildung in München gemacht, ist Bierbotschafter des Landes NRW und betreibt seit 25 Jahren einen Bier-Versand. Als Recklinghäuser kennt er die Dortmunder Bierszene sehr gut, ohne ein direkter Teil von ihr zu sein, hat also ein gesundes Maß an Halbdistanz.
Dortmunder Bier im Test: Sommelier probiert 14 Marken
Für uns hat Kliemt am historischen Tresen einer alten Kneipe im Dortmunder Brauereimuseum insgesamt 14 Biere getestet - so viele unterschiedliche Dortmunder Marken waren bei unserem Einkauf in einem großen Bier-Fachhandel im Dortmunder Süden erhältlich.
Gab es von einer Marke mehrere Biertypen (Export/Pils/Schwarzbier/etc.), haben wir uns für ein Bier entschieden. Wir baten Kliemt, für jedes Bier Punkte zu vergeben auf einer Skala von 1 (schlecht) bis 10 (herausragend).
Heraus kam diese Rangliste (in umgekehrter Reihenfolge):
6 Punkte: Brinkhoff‘s, Ritter First und Hansa
Am wenigsten Punkte bei seinem Test vergibt Kliemt an eines der Schwergewichte der Bierstadt Dortmund: Brinkhoff‘s. „Perfekt“ findet es der Biersommelier, wie das Bier im Glas aussieht: „schön klar, schön hellgelb, richtig erfrischend“. Das mache richtig Lust. Doch beim Geruchs- und Geschmackstest bleibe das Brinkhoff‘s eher unauffällig.
Das „Typische“ fehlt Kliemt auch beim Ritter First. Der Experte erkennt bei ihm lediglich eine leicht „kräuterige Note“. Einen wirklichen Unterschied zwischen Ritter First und Brinkhoff‘s, die er hintereinander verkostet, vermag der Biersommelier nicht erkennen. „Aber trotzdem ein gutes Bier“, sagt Kliemt zum Ritter First. Ein Urteil, das wegen des fehlenden Unterschieds auch für das Brinkhoff‘s gilt.
Ebenfalls sechs Punkte bekommt das Hansa als „gutes, solides Standard-Pils, das man gut gegen den Durst trinken kann“, sagt der Experte und erzählt dazu eine Anekdote: „Das ist tatsächlich das Bier, was wir früher palettenweise in Dosen mit in den Skiurlaub genommen haben, wo wir gesagt haben, das trinken wir dann da. Und meist war es auf der Busfahrt schon weg.“ Aber auch beim Hansa fehlt Kliemt der eigene Charakter für eine höhere Bewertung.
Der komplette Test im Video:
Wer nicht den kompletten XXL-Biertest im Video anschauen will, für den gibt es hier die einzelnen Biere samt den Zeitpunkten, an denen sie im Video von Kliemt verköstigt werden:
DAB Pils - 2:21 min / Ritter First Pils - 7:25 min / Brinkhoff‘s Pils - 9:35 min / Bergmann Pils - 14:09 min / Hansa Pils - 19:03 min / Stifts Pils - 22:19 min / „Unser voller Ernst“ Pils - 26:09 min / Karl Hoesch - 31:37 min / Borussia Export - 37:45 min / Kaiserbier Export Urtyp - 42:31 min / Union Export - 46:45 min / Kronen Export - 50:57 min / Lessig‘s Tremonia Export - 56:05 min / Hövels - 1:01:22 / Das Gesamtergebnis unseres Tests - 1:06:0
7 Punkte: Kaiserbier
Das Kaiserbier, ein „Export Urtyp“ aus der kleinen Kaiser-Brauerei C. Thomas, kommt bei Kliemt auf 7 Punkte. Der Experte erschmeckt in ihm „recht dezente Hefenoten“, die ihn an Waldboden erinnern, dazu einen Hauch von Karamell, ein leichtes Zitrus-Aroma und eine deutliche Bittere, „mehr als bei den anderen Exportbieren“.
Sein Urteil: „ein schönes, klassisches Export“.
8 Punkte: DAB und Stifts
„Ein tolles Pils“ ist für Kliemt das DAB, ein weiterer Klassiker unter Dortmunds Bieren. „Sonnengelb“ die Farbe, eine Mischung aus Zitrus-, Kräuter- und Weißbrot-Aromen. Durch die Bittere im Bier fühle sich der Mund schnell trocken an, was „toll für die Brauer ist“, sagt der Experte mit einem Lächeln. „Denn wenn der Mund und die Zunge schnell trocken werden, dann kriegt man wieder schnell Lust auf den nächsten Schluck.“
Gleichauf mit dem DAB liegt das Stifts, dessen alte Brauerei in Hörde Kliemt, der in Dortmund Raumplanung studiert hat, schmerzlich vermisst. Geschmacklich sticht für Kliemt eine leicht Keks-artige Note hervor. „Die Bittere ist sehr zurückhaltend“, urteilt er. „Die grasigen Noten kommen gut durch.“ Die Kohlensäure wirke besonders belebend auf der Zunge. „Ein schöner Durstlöscher, wo ich beim Trinken nicht drüber nachdenken muss.“

9 Punkte: Union Export und Kronen Export
Beim Union Export passt schon einmal der erste Eindruck: Beim Eingießen bildet sich ein „fast schon opulenter“ Schaum, freut sich Kliemt. Herausriechen kann der Biersommelier hingegen relativ wenig - wenn, dann ist es Stroh. Nichts steche heraus - was aber gleichzeitig der Trumpf des Union sei: Es habe eine „absolute Hopfen-Malz-Balance“. Kliemts Fazit: „ein wunderbares Bier“.
Fast goldgelb und damit ein wenig dunkler als das Union Export ist das Kronen Export. Doch auch hier passiere relativ wenig in der Nase, es ist für Kliemt „relativ neutral“. Dennoch sei es kein Schütt- sondern ein Genießer-Bier. „Es hat etwas unheimlich Vollmundiges an sich. Es macht richtig auf, es wärmt.“
Für Kliemt ist das Kronen ein Referenzbier für Export-Biere. „Wenn jemand ein Export brauen will, würde ich sagen: Guck dir mal das Kronen an. Wenn du in diese Richtung kommst, bist du auf dem richtigen Weg.“
10 Punkte: Bergmann Pils, Unser voller Ernst Pils, Karl Hoesch und Lessig‘s
Die (vermeintlich) höchstmögliche Punktzahl bekommen haben in Kliemts Test gleich vier Biere - Rekord für eine Kategorie und für Kliemt ein Zeichen, wie hoch die Qualitätsdichte auf dem Dortmunder Biermarkt ist.
Das Pils der Bergmann-Brauerei ist ein Mitglied dieses erlauchten Kreises. Das Bier der mit Abstand größten unter Dortmunds kleinen Brauereien riecht für Kliemt wie „eine frisch gemähte Wiese“. Für den Biersommelier schmeckt es vollmundiger und intensiver als die Pils-Biere der großen Dortmunder Brauereien. Das liege auch daran, dass neben dem klassischen Pilsner Malz noch eine zusätzliche Malzsorte mit drin sei. Sein Fazit: „Das ist wirklich hervorragend. Eigentlich kann man es nicht besser machen.“

Ebenfalls die volle Punktzahl vergibt Kliemt an das Pils mit dem kuriosen Namen „Unser voller Ernst“ der „Flaschenbierfreunde“, einer Mini-Brauerei aus dem Kaiserviertel. Als er an dem Bier riecht, wählt er einen Vergleich zu dem direkt davor verköstigten Stifts, der generell ganz gut den Unterschied zwischen den großen Industrie-Bieren und jenen der Mikro-Brauereien beschreibt: „Das ist so, wie wenn man mit einem Fahrrad mit Stahlrahmen ein Rennen fährt, und jetzt kommt ein Carbon-Bike an. Das“, sagt er und zeigt auf „Unser voller Ernst“, „ist das Carbon-Bike.“
Das metaphorische Carbon sind unter anderem die beiden eingesetzten Hopfensorten Simcoe und Citra, „zwei super Hopfensorten, die in der Craft-Bier-Szene besonders beliebt sind“. Sie sorgen für den Zitrus- und Grapefruit-Geruch des „Unser voller Ernst“, an ein „India Pale Ale“ erinnernd, aber nicht so intensiv. Gleichzeitig erschlagen die Aromen einen nicht, meint Kliemt, „Das finde ich sehr schön. Es ist immer noch ein Pils.“

Mitglied Nummer drei des Zehn-Punkte-Clubs ist das „Karl Hoesch“ des Hörder Historikers Kai Schäder. Kliemt muss lange überlegen, was für ein Biertyp es überhaupt ist, und entscheidet sich schließlich für Kellerbier. „Allein das Riechen macht schon Spaß“, sagt Kliemt: Gerüche wie von Waldboden, Pilzen, etwas leicht Zitrusartigem und Pfirsichkernen kommen ihm in die Nase. Letzterer dominiere beim Trinken. Sein Urteil: „Top gebraut, finde ich sehr spannend.“
Das letzte Zehn-Punkte-Bier ist das Tremonia Export aus „Lessig‘s Brauwerkstatt“. Schon vom Kohlenstoffperlen-Spiel im Glas nach dem Einschenken ist Kliemt beeindruckt: „Das ist ja wie samstags in der Fußgängerzone, was für ein Gerenne!“ Aber noch wichtiger: Das Bier hat eine neue Geschmacksnote: Es erinnert ihn an schwarzen Tee, außerdem sei etwas Karamell mit drin. Es sei eher hopfenbetont, dazu eine überraschende leichte, feine Säure, „die ich einfach nicht erwartet habe“.
10+ Punkte: „Borussia Export“ und „Hövels“
Als Kliemt im Test den ersten Schluck des Export Borsigplatz Style der Borussia-Brauerei trinkt, verstummt er für mehrere Sekunden - und sagt dann ergriffen: „Wow!“ Kliemt ist so hin und weg von diesem Bier, dass er eine eigene Punktzahl dafür erfindet: 10+. Sechs unterschiedliche Hopfensorten sorgen in dem Bier für ein „tropisch-fruchtiges und schön balkonblumenartiges Aroma“, wie Kliemt es beschreibt. Gleichzeitig wahre das „Borussia“ die für ein Export so typische Hopfen-Malz-Balance.
In Kliemts Verkostung kann da punktetechnisch nur ein Bier mithalten: das Hövels. Als letztes getestet, rauscht das rotblonde Bier der „großen“ Dortmunder Brauereien an allen anderen vorbei auf den geteilten ersten Platz. Gebraut mit vier unterschiedlichen Malzen, „surft man immer auf den Spitzen dieser Malzwellen“, beschreibt es der Biersommelier.
Und dann der Geruch nach Karamell, Roggen, dunkler Brotkruste, Toffee, ja, auch ein bisschen Brennnessel, schwärmt Kliemt weiter. Ein Bier, das für sich stehe: „Es will kein Pils sein, es will kein Export sein - es ist einfach Hövels.“

Experte: Würde kein Dortmunder Bier verschmähen
Am Ende seiner XXL-Verkostung ist Biersommelier Matthias Kliemt jedoch eine Sache besonders wichtig: Die Biere, die in seinem Test die wenigsten Punkte bekommen haben, seien dadurch nicht zwangsweise schlechter als die anderen.
„Jedes Bier hat ja seine Berechtigung“, sagt Kliemt. „Wenn ich vom Fußballspielen nach Hause komme oder wenn ich eine Stunde Rasen gemäht habe bei 30 Grad, dann kann ich wunderbar zum DAB greifen. Ich kann auch wunderbar zum Brinkhoffs greifen, weil ich einfach was gegen den Durst brauche. Aber wenn ich jetzt mir die Ruhe gönnen und genießen möchte, dann brauche ich ein Bier, was ein bisschen mehr Aroma hat, wo ich dann auch so ein bisschen drüber nachdenken kann.“
Es komme eben immer auf die Situation an: „Wozu trinke ich das Bier? Was habe ich vielleicht vorher gemacht? Welche Stimmung habe ich?“ Für Kliemt ist klar: „Ich würde keines der Dortmunder Biere verschmähen.“
Dieser Test erschien erstmals am 23. Juli 2023. Aufgrund des großen Interesses haben wir ihn noch einmal veröffentlicht.
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