Der Fehler fällt Matthias Kliemt ein paar Sekunden, nachdem er ihn begangen hat, auf. Der Biersommelier hat gerade die Dose geöffnet und sich ein wenig vom „Export Borsigplatz Style“ in das kleine Probierglas eingeschenkt, als sein Blick auf der Zutatenliste auf der Rückseite der Dose hängenbleibt: „Hier ist Hefe mit drin“, sagt er etwas geknickt.
Hefe setzt sich in Bieren immer am Boden ab. Um den in ihr enthaltenen Geschmack in Gänze zu aktivieren, muss man sie vor dem Trinken erst einmal lösen, entweder durch Drehen der Flasche oder Dose vor dem Öffnen oder durch vorsichtiges Rühren. Das hat Kliemt vor dem Einschenken nicht gemacht. Ein Kardinalfehler bei der Bierverkostung.
Aber einer, der in diesem Fall passieren kann. Denn in den aktuell gängigen Export-Bieren ist eigentlich nie unfiltrierte Hefe mit drin. „Ich habe es nicht erwartet“, sagt Kliemt über seinen Hefe-Faux-Pas beim Borsigplatz-Style-Export. Es ist nur das erste Indiz dafür, dass das erste Bier der wiederbelebten Borussia-Brauerei ein außergewöhnliches ist.
Über 120 Jahre lang war die Borussia-Brauerei tot. 1870 gegründet, war die Brauerei, die später Namenspatin des weltberühmten Dortmunder Ballspielvereins 09 werden sollte, 1901 in der neu gegründeten Hansa-Brauerei aufgegangen und vom Markt verschwunden. Bis 2022 ein paar findige Bier-Freunde und Geschäftsleute die Marke wiederbelebten.
Experte zu Borussia-Bier: „Wow!“
Kurz vor Weihnachten brachte die Borussia-Brauerei dann ihr erstes Bier heraus, das in Dosen abgefüllte „Export Borsigplatz Style“. Die erste Fuhre war bei Verkaufsstart nach einer halben Stunde weg. Inzwischen gibt es das Bier, von dem „Borussia“ Ende des Jahres 300 Hektoliter bei der bekannten Berliner Craftbier-Brauerei „Brewdog“ produzieren ließ und das seit Anfang Juli mit neuem Design verkauft wird, in mehreren Supermärkten und Lokalen.
Doch lohnt es sich? Um das herauszufinden, haben wir den erfahrenen Recklinghäuser Biersommelier Kliemt zur Verkostung ins Dortmunder Brauereimuseum an der Steigerstraße in der Nordstadt eingeladen. Das Museum steht passenderweise an dem Standort, an dem einst das historische Borussia-Bier gebraut wurde.
Nachdem er sich ein zweites Probierglas (diesmal aus der vorher gerührten Dose) eingeschüttet hat, nimmt Kliemt einen tiefen Zug - jedoch zuerst nur mit der Nase, für das Aroma. „Das ist kein Export von der Stange“, sagt der 56-Jährige beeindruckt. Er riecht ein „tropisch-fruchtiges und schön balkonblumenartiges Aroma“ aus Rosen und Geranien.
Dann nimmt Kliemt den ersten Schluck - und verstummt erst einmal. Nach ein paar andächtigen Sekunden entfährt ihm ein leises „Wow!“ Anschließend kommt er aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus: „Ein ganz, ganz tolles Bier.“ Die schöne Hopfen-Malz-Balance, die typisch für ein Export sei, werde wunderbar von den floralen Hopfenaromen begleitet. „Vom Geschmack hat mich das total überrascht.“ Sein Urteil: „Das ist eine Eins plus.“

Den Borussia-Brauer Christian Wolf, in der Dortmunder Bierszene besser bekannt als „Brau-Wolf“, freut das Lob des Experten. Er habe absichtlich ein ungewöhnliches Bier gebraut: „Wir wollten nicht das fünfte normale Export in der Stadt sein“, erklärt er im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ich wollte zeigen, das man auch im klassischen Export mit Hopfen spielen kann.“ Dafür stopfte er in sein Borussia-Export-Rezept sechs unterschiedliche reine Aromahopfen. „Die bringen den floralen und fruchtigen Geschmack.“
Derzeit arbeitet Wolf an dem Rezept für das zweite Borussia-Bier, dieses Mal wird es ein Pils. Auch diesem will er eine moderne Hopfennote verpassen. Ob es so gut wird wie das Export? Matthias Kliemt wird es garantiert probieren.
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