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Dortmunds Spielplätze im Check: Von Horrorgeräten und Vorzeigeanlagen
Neue Serie
347 öffentliche Spielplätze gibt es in Dortmund. Darunter sind ganz moderne und ziemlich alte Standorte. Zwei Verantwortliche des Jugendamtes erzählen, wie sie sich verändern sollen.
Erst als sie im vergangenen Jahr wochenlang gesperrt waren, hat man so richtig gesehen, wie wertvoll die Spielplätze in Dortmund für viele Familien sind. Sehnlichst haben viele auf ihre Öffnung hingefiebert.
Daniel Binder und Heidrun Hellwig vom Jugendamt erklären zum Auftakt unseres Spielplatz-Checks, wie sie die Stadt ausgestattet sehen.

Daniel Binder und Heidrun Hellwig sind bei der Stadtverwaltung für die Spielplätze in Dortmund zuständig. Dieses Foto ist vor der Ausbreitung des Coronavirus entstanden. © Kevin Kindel (Archiv)
Wie steht es allgemein um die Dortmunder Spielplatzlandschaft?
Daniel Binder: Wir sind eigentlich sehr gut ausgerüstet, wir haben im Moment 347 öffentliche Spielplätze. Ihre Standorte würde man heute vielleicht an der einen oder anderen Stelle ganz anders sehen und in Frage stellen. Man muss immer gucken, wann die eigentlich entstanden sind. Wir haben einige aus den 50er-Jahren, viele auch aus den 70ern, weil da viel gebaut wurde.
Oft sagen die Leute „Hier können wir noch einen Spielplatz gebrauchen“, am besten vor der eigenen Tür, wenn man Kinder hat. Wenn die dann groß sind, sieht das aber oft anders aus. Ein Spielplatz ist immer ein heiß diskutiertes Thema, in jede Richtung.
Das Problem ist, dass die Familien oft nicht über die nächsten zwei Straßenzüge hinaus wissen, dass da überhaupt ein Spielplatz ist. Und das muss auch nicht immer der schönste Spielplatz sein, das ist auch klar. Wir haben Quartiere, wo wir gesagt haben, da findet gerade ein Generationswechsel statt. Da muss man mit der Neugestaltung warten, weil da gerade nicht viele Kinder sind.
Wie nah müssen Spielplätze erreichbar sein?
Heidrun Hellwig: Es gibt drei Kategorien: C ist für Kleinkinder, die hausnah erreichbar sein müssen. Die dürfen von Wohnungen ungefähr 100 bis 150 Meter entfernt sein. Kategorie B ist vorwiegend für Schulkinder, da ist ein 500-Meter-Radius zugrunde gelegt. Und die A-Kategorie, auch für junge Erwachsene, hat eine Entfernung von 1000 Metern.
Der Bedarf wird nach Wohneinheiten berechnet. Je dichter die Bebauung ist, desto höher ist der Spielflächenbedarf. In der Innenstadt-Nord oder -West werden es 4,5 Quadratmeter pro Einwohner sein, während es in Sölderholz eher 1,5 sind.
Wie haben sich die Anlagen seit der Kindheit der heutigen Eltern verändert?
Binder: Ich bin ein 60er-Jahre-Kind. Da waren die Geräte meistens aus Metall, diese Rundbögen, für mich waren das immer Horrorgeräte. Wir waren da als Kinder wenig drauf und haben lieber Fußball gespielt.
Wir brauchen heute ganz andere Anreize und einen Aufforderungscharakter. Es kam nach und nach eine Entwicklung, dass man den Spielplatz als Ort interessanter gestalten wollte. An der Adlerstraße sieht man zum Beispiel den Vogel als Thema. Die Kinder identifizieren sich mit dem Ort, an dem sie wohnen. Das ist ihr Adler. In einer bestimmten Altersgruppe entdecken die Kinder ihren Stadtteil.

Im Dezember 2018 ist der Spielplatz an der Adlerstraße im Unionviertel eröffnet worden. Das Klettergerüst sieht aus wie ein Adler. © Stephan Schütze (Archiv)
Interessant ist auch der Spielplatz an der Holte-Schule in Lütgendortmund. Wir haben eine große Beteiligung gemacht, dabei kam es zum Thema Weltraum. Das ist von den Kindern ganz demokratisch abgestimmt worden. Danach musste da klassenweise in den Pausen geregelt werden, wer auf den Spielplatz darf, weil der Andrang so groß und der Spielplatz immer voll war.

Im Februar 2019 ist dieser Weltraum-Spielplatz in Lütgendortmund eröffnet worden. © Stephan Schütze (Archiv)
Die gewünschten Themen haben sich übrigens gar nicht so verändert. Es gibt Piraten, Ritter, Weltraum – was in der kindlichen Fantasie schon immer war. Da können sie ihre eigenen Geschichten machen.
Was wäre für Sie der perfekte Spielplatz?
Binder: Wenn ich den allumfassenden Spielplatz bauen könnte, würde ich das tun. Der sähe wahrscheinlich völlig verrückt aus, hätte phantasievolle Spielgeräte und hätte eine Masse an Matsche, Sand und Wasser. Damit sie selbst etwas mit den Materialien verändern und was erleben können, zum Beispiel sich abkühlen, wenn es heiß ist.
Wir denken auch an die Eltern und Großeltern. Die Menschen im Ruhrgebiet sind sehr traditionsverhaftet. Man kann nicht einfach irgendwas dahinsetzen. Das muss auch einen Quartiersbezug haben. Wir haben zum Beispiel in Westerfilde einen Zechenspielplatz gemacht, der ist der Renner.

In Westerfilde gibt es einen Spielplatz in Zechen-Optik mit einem kleinen Förderturm. © Stephan Schütze (Archiv)
Da gibt‘s den großen Förderturm, draußen Loren. Selbst wenn es die Kinder selbst heute nicht mehr so kennen – die Verbundenheit lebt da weiter. Viele Menschen mit Migrationshintergrund sind wegen der Arbeit hierhin gekommen, da ist das auch eine verbindende Identifikation, wenn man den richtigen Nerv findet.
Und wie sieht der Spielplatz der Zukunft aus?
Hellwig: In Marten befindet sich der erste Spielplatz, der komplett inklusiv ist. Es gibt überall Weichböden, man kann sich als behindertes Kind in die Wippe reinlegen. Man kann sich drehen, es gibt eine Bauchschaukel. Diese Fläche ist gebaut worden von der Aktion Mensch, sie ist einzigartig in Dortmund.
Binder: Es sind ganz unterschiedliche Gruppen, die dadurch zusammenkommen. Wenn sie ein Problemkind haben, kommen sie sofort in eine bestimmte Schiene. Sie bleiben unter Gleichgesinnten, dadurch entsteht oft eine völlige Segregation im sozialen Bereich, die finde ich nicht gut. Kinder haben gar kein Problem damit, als nicht behindertes Kind mit behinderten zusammenzuspielen.
Es sind oft eher die Eltern, die Ängste haben. Das sind Dinge, die wichtig sind, damit die Eltern merken, dass sie ein normaler Teil der Gesellschaft sein können. Und wenn das auf solchen Flächen nicht gelingt, haben wir etwas verkehrt gemacht. Solche Orte sind dafür wie gemacht.
Spielplatz-Check
Wie gut sind Dortmunds Vorzeige-Spielplätze? Und an welchen Stellen muss sich dringend etwas tun? In den kommenden Wochen begutachten wir im Rahmen einer Serie zusammen mit Dortmunder Familien einige der fast 350 Spielplätze der Stadt.Kevin Kindel, geboren 1991 in Dortmund, seit 2009 als Journalist tätig, hat in Bremen und in Schweden Journalistik und Kommunikation studiert.
