Aufmärsche von Rechtsextremen gab es in den vergangenen Jahren viele in Dortmund. Sie verlieren an Strahlkraft – deshalb orientiert sich die Szene neu. © Stephan Schütze (Archiv)

Rechtsextremismus

Dortmunds Neonazi-Szene bricht auseinander – doch sie bleibt gefährlich

Haftstrafen, Umzüge, Rücktritte: In Dortmunds Neonazi-Szene lässt sich gerade ein grundlegender Umbruch beobachten. Bricht die Szene auseinander oder wird sie noch radikaler?

Dortmund

, 16.12.2020 / Lesedauer: 4 min

Dortmund kämpft seit Jahren gegen seinen Ruf als Neonazi-Hochburg an. Dass es diesen hat, liegt an einer kleinen, aber radikalen und aufmerksamkeitssüchtigen Szene rund um die Kleinstpartei Die Rechte mit einem Schwerpunkt in Dorstfeld.

In den vergangenen Wochen sind einige Dinge passiert, die Hinweise darauf geben, dass sich Dortmunds rechte Szene verändert.

Zuletzt verbreitete sich über Twitter die Bestätigung eines schon länger kursierenden Gerüchts: Michael Brück, ehemaliges Ratsmitglied von Die Rechte und ein Gesicht der Dortmunder Neonazi-Szene, wird der Stadt den Rücken kehren und nach eigenen Angaben nach Ostdeutschland ziehen.

Michael Brück zieht nach Chemnitz - und wird dort als Rechter „geoutet“

Der neue Wohnort des 30-Jährigen wird die sächsische Stadt Chemnitz sein. Dort haben antifaschistische Gruppierungen Brück bereits „empfangen“. In seiner neuen Nachbarschaft wurden durch lokale antifaschistische Gruppe ausführliche Informationen über seine rechte Gesinnung verteilt.

Brück selbst äußert sich in einem Interview mit einem rechten Medium resigniert über die Entwicklung in Dortmund und Westdeutschland generell und ruft andere Neonazis ebenfalls zum Umzug in den Osten auf.

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Sein Ratsmandat hatte er im November nicht angetreten und an Matthias Deyda übergeben. In den vergangenen Monaten waren Brück und weitere Dortmunder Rechte bei Demos gegen die Coronaschutz-Maßnahmen zu sehen. Dabei kam es wie in Berlin oder Leipzig zu Zusammenstößen mit der Polizei.

Zur Entwicklung in der Dortmunder Neonazi-Szene äußert sich auch die „Autonome Antifa 170“ in einer Pressemitteilung. Die linke Gruppierung wendet sich sonst selten aktiv an die Öffentlichkeit.

In einer Mitteilung heißt es, Brücks Wegzug werde „weniger verändern als viele hoffen“. Es sei falsch, „daraus eine Schwäche der Nazi-Szene abzulesen“. Die Szene könne auf „eine gewachsene Struktur aufbauen, die bis in die 80er zurückreicht. Diese Netzwerke verschwinden nicht über Nacht.“ Andere „Nazi-Kader“ - wie der Kampfsportler Alexander Deptolla - drängten in den Vordergrund.

Mehrere Rechte sind in Haft - und der einstige OB-Kandidat tritt ausder Partei aus

Mit Sascha Krolzig, Siegfried Borchardt oder Matthias und Christoph Drewer sitzen mehrere Mitglieder von „Die Rechte“ aktuell wegen Volksverhetzungs- und Körperverletzungsdelikten im Gefängnis.

Bei der Kommunalwahl im September war die Neonazi-Partei mit Bernd Schreyner als eigenem Oberbürgermeisterkandidaten angetreten. Er bekam 2,98 Prozent der Stimmen.

Zwei Monate nach der Wahl hat Schreyner nun seinen Austritt aus der Partei verkündet, für die er sich im Sommer noch tausendfach auf Wahlplakate drucken ließ. Sechs weitere Personen traten laut Schreyner mit ihm aus.

Im Gespräch mit dieser Redaktion sagt der Rentner: „Es geht um die Ausrichtung der Partei. Es soll aktivistischer werden und weniger kommunalpolitisch.“

Bernd Schreyner: „Ich war nur das bürgerliche Aushängeschild“

Es gebe einen internen Kreis aus fünf Personen, in den er „nie so ganz reingekommen“ sei. „Mir fehlte der Stallgeruch. Ich war nur das bürgerliche Aushängeschild für den Kommunalwahlkampf.“

Er sei nicht damit einverstanden, „dass so viele Leute im Gefängnis sitzen, weil das ein schlechtes Bild auf eine Partei wirft“.

Schreyner war bis 2018 Mitglied der AfD Dortmund und zeitweise deren Kreisvorsitzender. Anfang 2019 trat er in Die Rechte ein.

Nachrichtenportal eingestellt, Nachfolgegruppierung tritt öffentlich auf

Wusste er nicht, worauf er sich einlässt? Schreyner sagt: „Dass die Rechte ziemlich hart ist, wusste ich wohl. Bisher konnte ich das mitgehen. Aber was da zuletzt angedeutet worden ist, möchte ich nicht mitgehen.“ Es gehe um inhaltliche Dinge, nicht um die Ankündigung von Straftaten. Weitere Details benennt er nicht.

Im Oktober war das rechtsextreme Nachrichtenportal „Dortmundecho“ eingestellt worden. Seitdem tritt eine neue Gruppierung im Internet auf, die sich als heimattreu und naturverbunden verkauft und „praktischen Aktivismus“ ankündigt.

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Inhaltlich unterscheiden sich die wenigen Beiträge kaum von denen des Vorgängerportals. Es gibt offenbar Zusammenhänge zur rechtsextremen Kampfsportszene.

Rechtsextremismus-Forscher sieht Neuorientierung in der militanten Neonazi-Szene

Der Rechtsextremismus-Forscher Alexander Häusler von der Hochschule Düsseldorf sagt: „In der gesamten militanten Szene lässt sich eine Form von Suche nach Neuorientierung feststellen.“

Klassische Muster wie die ritualisierten Aufmärsche der vergangenen Jahre funktionierten nicht mehr. „Das Fußvolk geht lieber auf die Corona-Demos“, sagt Häusler.

Forscher: AfD übernimmt rechte Positionen und die Gefahr der Radikalisierung steigt

Eine zentrale Rolle spielt laut Alexander Häusler die AfD. Sie werde zum einen als Konkurrenzströmung wahrgenommen – in Dortmund wurde dies zum Teil sehr offen kommuniziert.

„Zugleich werden die Erfolge der AfD als Erweiterung des eigenen Resonanzraums begriffen“, sagt der Politikwissenschaftler. Die Politik der AfD denke auch Ziele von militanten Rechten mit, frühere Abgrenzungen lösen sich auf.

Rechtsextremismus-Forscher Alexander Häusler glaubt, dass „weitere Radikalisierungsbestrebungen nicht ausgeschlossen werden können“. Schließlich sei das Ziel von Die Rechte als Nachfolgeorganisation des 2012 verbotenen NWDO nie Parteiarbeit gewesen, sondern der Straßenkampf.

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