Christoph Stemann ist nicht nur ein international gefragter DJ, sondern seit zwei Jahren auch ein international angefragter Redner, wenn es um kommunales Konfliktmanagement im Nachtleben geht. Jugendliche wollen nach der Pandemie auch an öffentlichen Orten wieder ausgiebig Party machen, Anwohner wollen nachts schlafen. Ein Dilemma, das andere Städte auch kennen.
Die Stadt machte Stemann zum ersten Nachtbeauftragten in NRW. Mit mehr als 20 Jahren Erfahrung als Partyveranstalter unterstützt Stemann im Auftrag der Wirtschaftsförderung seit August 2021 die Dortmunder Club- und Veranstaltungsszene und sorgt dafür, dass das Feiern an öffentlichen Plätzen wie dem Westpark und dem Dortmunder U möglichst nicht aus dem Ruder läuft.
In der Corona-Pandemie gehörten die Club- und Kneipenszene sowie der Kulturbereich zu den hart gebeutelten Branchen. Der Rat hat besonders für das Nachtleben in der ersten Hälfte der Wahlperiode einiges auf den Weg gebracht, um diesen Wirtschaftszweig in schwierigen Zeiten wieder zu stärken.
Wegfall der Sperrstunde
So haben Club-Betreiber und Kneipenwirte gejubelt, als in Dortmund im Oktober 2021 die Sperrstunde zunächst als Pilotprojekt mit großer Mehrheit im Rat abgeschafft wurde. Weil die Erfahrungen durchweg positiv waren, beantragten Grüne und CDU im Mai 2023 die dauerhafte Aufhebung. Noch ist sie nicht vollzogen, gilt aber nach entsprechenden Ankündigungen von Rechtsdezernent Norbert Dahmen nur noch als Formsache. Was noch fehlt, sind eine Beschlussvorlage der Verwaltung, die vom Rat abgesegnet werden muss, und eine eigene Verordnung.
Der Wegfall der Sperrstunde ist nur einer von mehreren Bausteinen zur Förderung der Club- und Ausgehkultur in Dortmund. Weil das Nachtleben, das zu einer Großstadt gehört, in Dortmund fast ausgestorben war, hatten die Grünen im Rat schon lange einen Nachtbeauftragten gefordert.
Der Nachtbeauftragte
Bereits mit dem Haushalt 2020 wurde die Stelle auf gemeinsamen Antrag von Grünen und CDU vom Rat beschlossen, zunächst nur befristet und als Pilotversuch. Seit nunmehr zwei Jahren unterstützt Stemann die Club- und Veranstaltungsszene und hat dafür gesorgt, dass sogenannte „Dortmund Guides“ seit Frühjahr 2022 das informelle Nachtleben an den Hotspots Möllerbrücke, im Westpark und am Dortmunder U sowie nachfolgend in der City begleiten. Ihre Aufgabe ist die Ansprache von Menschen auf öffentlichen Plätzen, aber wertschätzend und auf Augenhöhe. Das soll Konflikte der Jugendgruppen unter anderem mit Anwohnern und untereinander entschärfen, bevor sie überhaupt entstehen.

Inzwischen ist die Stelle des Nachbeauftragten – auf Drängen von Schwarz-Grün – entfristet. Rückmeldungen von Polizei und Ordnungsamt zufolge hat die Arbeit der Guides dazu geführt, dass Probleme an der Möllerbrücke und am U aufgefangen werden konnten. Seitdem seien „deutlich weniger Einsätze“ an Wochenenden erforderlich gewesen, heißt es. Außerdem präsentiert sich der Westpark laut Grünflächenamt „deutlich aufgeräumter“.

Der Nachtbeauftragte ist ein Baustein im Programm „Neue Stärke“ unter der Regie der Wirtschaftsförderung. Es wurde aufgelegt, um mit gezielten Fördermaßnahmen der Gastro- und Eventbranche nach der schwierigen Corona-Pause wieder auf die Beine zu helfen.
Wald- und Draußenbühne
Dagegen konnten sich die Grünen mit ihrer Forderung nach einem Clubfonds gegen das Clubsterben im Kulturausschuss nicht durchsetzen, wollen aber daran festhalten. In diesem Clubfonds nach Kölner Vorbild geht es um die Förderung von Brandschutz- und Lärmschutzmaßnahmen. Die Clubszene hatte den Wunsch an die Grünen herangetragen.
Allerdings gibt es bereits seit zwei Jahren einen Clubfonds der Wirtschaftsförderung. Aus diesem Topf werden Veranstaltungen und Projekte mit kommerziellem Charakter und möglichst überregionaler Ausstrahlung gefördert, um den Ausgehstandort Dortmund zu stärken.
Ein kulturelles Anliegen der SPD ist eine neue „Wald- und Draußenbühne“. Die Verwaltung hat kürzlich eine Machbarkeitsstudie im Kulturausschuss vorgestellt. Die Grünen halten dagegen, dass Dortmund mit der Naturbühne Hohensyburg und der Seebühne im Westfalenpark bereits zwei Bühnen für naturnahe Vorführungen und Freilufttheater hat. Bevor man eine neue Bühne avisiere, sollte zuerst die Seebühne saniert werden, heißt es.
Dennoch: Die SPD-Fraktion will die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie beraten und im Herbst ihr weiteres Vorgehen im Ausschuss vorstellen. Ziel der Genossen bleibe, „weiterhin attraktive Veranstaltungsorte für unterschiedlichste Formate in Dortmund zu fördern und dabei die ganze Stadt im Blick zu behalten“.
Feierabendmarkt
Dafür haben CDU und Grüne bereits Ende 2021 bei der Verwaltung ein Konzept beantragt, dass Grün- und Parkanlagen wie die Seebühne und das Sonnensegel im Westfalenpark zu Spielorten von Theatern und Konzerten macht – mit dem Ziel, ein neues attraktives Kulturfestival eigener Art ins Leben zu rufen. Das Konzept liegt bis heute nicht vor.
Ein weiterer gemeinsamer schwarz-grüner Antrag sah vor, dass die Verwaltung für die Dortmunder City neben bewährten Veranstaltungsformaten nach neuen, innovativen Eventformaten sucht, die „vergessene Plätze“ der Innenstadt zum Leben erwecken. Auch hier steht eine Antwort der Verwaltung aus.
Allerdings hat sich inzwischen mit dem beliebten „Feierabendmarkt“ auf dem Platz der Alten Synagoge/Opernvorplatz genau solch ein Veranstaltungsformat etabliert.
Baubeschluss für Junge Bühne
Fast 20 Jahre alt ist inzwischen die Idee der Realisierung einer „Jungen Bühne Westfalen“ mit den Sparten Kinder- und Jugendtheater, Junge Oper und Jugendballett im unmittelbaren Anschluss an den Standort des Schauspielhauses. In diesem Jahr hat der Rat den Baubeschluss gefasst. Kämmerer Jörg Stüdemann geht im besten Fall von einer Fertigstellung Mitte 2026 aus.

Anschließend könnte die Stadt den Neubau für das Schauspiel in Angriff nehmen, nachdem der Rat jüngst einem 93-Millionen-Neubau den Vorzug gegenüber einer Sanierung gegeben hat.
Auch die Freie Szene profitiert von dem Bemühen der Politik, nach Corona und angesichts der Energiekrise die kulturelle Infrastruktur und Vielfalt der Stadt zu sichern. Auf Basis eines Haushaltsantrags der Grünen wurden die Etats für die freien Kulturzentren für 2023 und 2024 von 1,88 Millionen. Euro auf 2,42 Millionen Euro pro Jahr aufgestockt – ein Plus von 540.000 Euro mehr pro Jahr. Danach wird die Förderung durch die Stadt neu verhandelt.

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