Gerrit Hecht steigt dem Dortmunder Wahrzeichen regelmäßig aufs Dach - und kriegt dafür sogar noch Geld.

Gerrit Hecht steigt dem Dortmunder Wahrzeichen regelmäßig aufs Dach - und kriegt dafür sogar noch Geld. © Thomas Thiel

Dortmunds Job mit der besten Aussicht: Gerrit Hecht steigt dem U aufs Dach

rnSerie „Dortmund von oben“

Was passiert in den obersten Stockwerken von Dortmunds höchsten Gebäuden? In der Serie „Dortmund von oben“ schauen wir nach. Beim U-Turm braucht man dafür ein Klettergeschirr - und Gerrit Hecht.

Dortmund

, 30.07.2022, 05:23 Uhr / Lesedauer: 3 min

Wenn es nach Gerrit Hecht ginge, hätte das Dach des U-Turms schon morgen eine andere Farbe. Dann würde er sich nämlich nicht mehr die Finger verbrennen bei seinen regelmäßigen Klettertouren auf dem dunklen und von der Sonne oft glühend heißen Dach des Dortmunder Wahrzeichens.

Der 39-jährige Dortmunder kümmert sich seit 2013 als Techniker um die Visitenkarte des Dortmunder U, die „fliegenden Bilder“ des Filmemachers Adolf Winkelmann. Direkt unter dem elf Meter hohen U ziehen die permanent wechselnden Video-Animationen, die sich auf 625 Quadratmetern auf zwei Ebenen um den Turm winden, seit 2010 die Blicke auf sich.

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In unserer Serie steigen wir auf die höchsten Gebäude Dortmunds und zeigen, welche Menschen dort leben oder arbeiten.

Die Bilder zum Fliegen bringen dabei 6000 Lamellen mit rund 1,2 Millionen LED-Leuchten. Oder wie Hecht sie auch nennt: „1,2 Millionen potenzielle Fehlerquellen“. Durch den Dauerbetrieb der „fliegenden Bilder“ fallen immer mal wieder Lamellen an der Fassade aus. Bevor es zu viele werden und die Animationen sichtbare Lücken bekommen, muss Hecht sie reparieren oder ersetzen.

Seine normale Tour aufs Dach des U beginnt dort, wo neuerdings vorzugsweise Bier getrunken wird: auf der Aussichtsterrasse des Turms, die seit Mai ab nachmittags als Biergarten des bayerischen Wirtshauses „Brauturm“ dient. Nachdem er sich in sein Klettergeschirr geworfen hat, öffnet er mit einem Schlüssel ein Segment in der Glaswand, welche die Terrasse vom kupfernen Dach des Turms trennt.

Die ersten Stufen auf dem Weg aufs Dach des Dortmunder U

Die ersten Stufen auf dem Weg aufs Dach des Dortmunder U © Thomas Thiel

Dahinter führen 27 Eisentritte das steile Dach hinauf in Richtung U. An einer Seite kann man sich als zusätzliche Sicherheit in ein Kletter-Drahtseil einklinken. Am Ende der Himmelstreppe gibt eine große Luke den Weg frei zurück in das Innere des Turms. Durch sie landet man auf einer Galerie mitten in der so genannten „Kathedrale“, wo früher der Club „View“ war und heute der „Brauturm“ ist.

Um noch weiter nach oben zu kommen, muss man gelenkig sein: Mehrere dicke Stahlträger, die das tonnenschwere U stützen, versperren den Weg. Wer an ihnen vorbei will, muss sich unter ihnen hindurchzwängen. Auf der anderen Seite führt eine Stahltreppe knapp zwanzig Stufen hoch auf die zweite, letzte Galerie.

Gerrit Hecht in der Kathedrale des Dortmunder U: Unter ihm liegt das Restaurant "Brauturm", über ihm ist die Unterkonstruktion des elf Meter großen U auf dem Dach. Um zu der Treppe zu gelangen, muss man sich an mehreren Stahlträgern vorbeizwängen, die den Weg über die Galerie versperren.

Gerrit Hecht in der Kathedrale des Dortmunder U: Unter ihm liegt das Restaurant "Brauturm", über ihm ist die Unterkonstruktion des elf Meter großen U auf dem Dach. Um zu der Treppe zu gelangen, muss man sich an mehreren Stahlträgern vorbeizwängen, die den Weg über die Galerie versperren. © Thomas Thiel

Hier, auf etwa 55 Metern, direkt unter der Dachplattform des U-Turms, liegt Hechts höchster Arbeitsplatz: Fallen im oberen Beton-Umlauf des Daches Lamellen aus, steigt er ein paar Außenstufen herab und tauscht sie aus.

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Inzwischen hat er darin Routine, er erinnert sich aber noch gut an den Nervenkitzel der Anfangszeit: „Bei jedem Austausch habe ich geschwitzt wie nur was“, erzählt er. Besonders im Moment, wenn er eine Schraube herausdrehte, war Anspannung pur: „‚Bloß nichts verlieren!‘, hab ich mir immer gedacht.“ Denn eine herunterfallende Schraube würde auf dem Weg nach unten zu einem gefährlichen Geschoss.

Gerrit Hecht bei der Arbeit: Der Techniker kontrolliert die Lamellen der "fliegenden Bilder" am obersten Beton-Umlauf des Turms auf etwa 55 Metern Höhe.

Gerrit Hecht bei der Arbeit: Der Techniker kontrolliert die Lamellen der "fliegenden Bilder" am obersten Beton-Umlauf des Turms auf etwa 55 Metern Höhe. © Thomas Thiel

Lange Zeit war die Pflege der „fliegenden Bilder“ technisch sehr herausfordernd, berichtet Hecht, der sich vor seinem Filmstudium an der FH Dortmund auch in Informatik und Elektrotechnik ausprobiert hatte. „Die Lamellen waren alles Einzelanfertigungen, das war eine einzige Flickschusterei“, erinnert er sich.

„Es ist ein Traum“

Die Technik, angeschafft 2010 und damals in ihrer Form einzigartig, war in die Jahre gekommen. Hecht kam mit der Reparatur gar nicht so schnell hinterher, wie die Lamellen ausfielen.

Das änderte sich Anfang 2021: Die „fliegenden Bilder“ wurden grundlegend modernisiert, alle Lamellen erneuert. „Seit anderthalb Jahren haben wir paradiesische Zustände“, sagt Hecht.

Leuchttest an einer der 6000 Lamellen der "fliegenden Bilder": Seit ihrer Erneuerung sind die Lamellen bedeutend leichter zu warten als vorher.

Leuchttest an einer der 6000 Lamellen der "fliegenden Bilder": Seit ihrer Erneuerung sind die Lamellen bedeutend leichter zu warten als vorher. © Thomas Thiel

Die Lamellen sind jetzt standardisiert, in der Schaltzentrale der „fliegenden Bilder“ im ersten Stock des U stehen nun mehrere große Pakete voller Ersatzlamellen. „Jedes Bauteil, das kaputtgehen kann, habe ich jetzt dreimal - es ist ein Traum“, freut sich Hecht.

Ganz selten gönnt sich Hecht, noch eine Ebene höher zu klettern, auf die Dachplattform, auf der das U thront, um von oben die Träger-Konstruktion der „fliegenden Bilder“ zu begutachten.

Die letzte Leiter: Mit ihr klettert Gerrit Hecht in einen dunklen, verrußten Raum, von dem es durch eine kleine Tür auf die Dachterrasse des U geht.

Die letzte Leiter: Mit ihr klettert Gerrit Hecht in einen dunklen, verrußten Raum, von dem es durch eine kleine Tür auf die Dachterrasse des U geht. © Thomas Thiel

Der Weg dorthin führt durch ein schwarzes Rohr, in dem eine Leiter senkrecht nach oben in die Dunkelheit führt, in einen Raum, der mit seinen verrußten Wände aussieht wie das Innere eines großen Ofens.

Doch was dort hinter einem kleinen stählernen Türchen wartet, entschädigt den beschwerlichen Aufstieg: Direkt unterhalb des riesigen vierfachen U wartet Dortmunds spektakulärste Dachterrasse auf die Kletterer. Aus rund 60 Metern Höhe hat man einen atemberaubenden 360-Grad-Blick über Dortmund.

Der Himmel über Dortmund: Direkt unterhalb des vierfachen goldenen U (eines für jede Himmelsrichtung) genießt Hecht den Blick über Dortmunds City. Es ist die wohl spektakulärste Dachterrasse der Stadt.

Der Himmel über Dortmund: Direkt unterhalb des vierfachen goldenen U (eines für jede Himmelsrichtung) genießt Hecht den Blick über Dortmunds City. Es ist die wohl spektakulärste Dachterrasse der Stadt. © Thomas Thiel

Gerrit Hecht beugt sich über die dicke Balustrade und schaut schnell auf die „fliegenden Bilder“. Bedeutend länger bleibt sein Blick aber am Stadt-Panorama hängen. In diesem Augenblick denkt man kurz nach, ob man ihm einen Jobtausch vorschlagen will. In Sachen Ausblick ist sein Arbeitsplatz zumindest unschlagbar.

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