Dortmunder Quarantäne-Tagebuch - Tag 9: „Endlich frei!“

© Foto Bachmann/ Grafik Klose

Dortmunder Quarantäne-Tagebuch - Tag 9: „Endlich frei!“

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Corona - das bedeutet für viele Dortmunder auch: Quarantäne. Wie das ist, berichtet unsere Autorin täglich in diesem Tagebuch. Tag 9: Jetzt geht es endlich wieder vor die Tür.

von Felicitas Bachmann

Dortmund

, 01.04.2020, 17:55 Uhr / Lesedauer: 2 min

Ein bisschen fühle ich mich wie Jazz, der Hund unserer amerikanischen Freunde. Sollte er die Grundstücksgrenze verlassen, bekommt er durch den im Boden vergrabenen unsichtbaren Zaun einen kleinen Stromschlag über sein Halsband. Ich trete vorsichtig von unserer Einfahrt auf die Straße. Es passiert nichts!

Was ein Gefühl, endlich wieder loslaufen dürfen - ist das schön! Zum Glück ist unsere Straße breit und die erste Begegnung mit einem Gassigeher können wir in gebührendem Abstand absolvieren. Der erste Auslauf führt uns zum weitläufigen Park der Psychiatrie. Wir genießen Sonne und das erste Grün der Bäume, als ein Jeep quer über den Rasen auf uns zu gebrettert kommt. Er stoppt direkt vor uns auf dem Weg.

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„Wachdienst“ prangt an der Seite und der dazugehörige Fahrer belehrt uns aus dem Fenster, „ob wir die Schilder nicht gesehen hätten, das wäre Privatgrundstück und Betreten inzwischen verboten“. Wir entschuldigen uns und wechseln beim nächsten Trampelpfad vom Park auf die Straße. Das laminierte Din-A4 Schild mit viel Text und einem kleinen Stoppschild hatten wir zwar gesehen, aber nicht gelesen.

Belohnungs-Feuerwerk

Der Rest des Spaziergangs verläuft dann harmlos, nur dass wir die nette Colliehündin nicht streicheln dürfen, die uns schwanzwedelnd an der langen Leine entgegenkommt. Auf dem Rückweg treffen wir Bekannte. Die Unterhaltung auf Abstand ist noch gewöhnungsbedürftig, ebenso die neue Verabschiedungsformel „Bleibt gesund“, klappt aber beides. Mein Schrittzähler schießt ein Feuerwerk ab, weil ich endlich mal wieder die 10.000er-Marke knacke und wir haben das Gefühl der absoluten Freiheit!

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Nun bin ich mutig genug, die Fahrt zum Supermarkt zu wagen. Irgendwie habe ich Horrorvorstellungen von langen Schlangen und leeren Regalen. Aber es geht gesittet zu und ich bekomme alles, was sich über die letzten Tage auf meinem Einkaufszettel angesammelt hat. Sogar Klopapier! Glück gehabt und den richtigen Zeitpunkt beim Palettenauspacken erwischt. An der Kasse finde ich es jetzt viel entspannter. Die Aldi-Kassiererin scannt nicht mehr im Akkord und der nächste Kunde wartet geduldig hinter der Bodenmarkierung. Natürlich ist das Klopapier auch hier Thema, der Mann vor mir muss eine Packung wieder abgeben – ist ja nur noch eine pro Haushalt erlaubt – und ich fühle mich bemüßigt, zu erklären, dass wir wirklich keins mehr daheim haben.

Dem Gatten gefällt es so gut im Homeoffice, dass er noch ein paar Tage dranhängt, mir soll’s recht sein und für morgen bin ich mit meiner Freundin Dagmar zum Distanz-Spaziergang verabredet, ach‘, das „normale“ Coronaleben kann so schön sein!

Die Quarantäne, die in diesem Beitrag beschrieben wird, hat am 19.3. begonnen. Die Veröffentlichung des Tagesbuchs haben wir einige Tage später gestartet.