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Dortmunder Klinikdirektor: Schulen sicherer machen, statt sie zu schließen
Debatte zu Schulschließungen
Die Politik streitet sich um den Vorstoß von OB Thomas Westphal, die Schulen wieder zu schließen. Doch es gibt Wege zu einem sicheren Schulbetrieb, sagt der Direktor der Dortmunder Kinderklinik.
Prof. Dr. Dominik Schneider, Direktor der Dortmunder Kinderklinik, hatte am Dienstag Dienst in der Ambulanz, als Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal wegen steigender Infektionszahlen kurzfristig die Schulen wieder schließen wollte. „Ich habe viele lange Gesichter gesehen, bei den Eltern und den Schülern“, berichtet der Mediziner.
Ohne Westphal kritisieren zu wollen, bezeichnete er die Forderung, die Schulen wieder zu schließen, als „unguten politischen Schritt“. Er verstehe die Sorge des Oberbürgermeisters, doch im selben Atemzug fragt Schneider; „Was bedeuteten Schulschließungen für die Kinder und ihre Entwicklung?“
Gerade in problematischen Familien, darunter auch solche mit Sprachbarrieren und Integrationsproblemen, in denen die Kinder nicht ausreichend schulisch und sozial gefördert würden, blieben diese Kinder zurück, so Schneider. Diese Familien gebe es auch in Dortmund.
Balance finden zwischen Corona-Schutz und Entwicklung der Kinder
Die Kinder hätten schlechtere Chancen auf einen guten Schulabschluss und damit auf einen sozialen Aufstieg. Und das setze sich langfristig wie auf einer Perlenschnur fort. „Wir müssen eine Balance finden zwischen dem Schutz der Kinder und der Familien vor einer Infektion und der gedeihlichen Entwicklung der Kinder“, fordert Schneider.
Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, deren Vorstand Prof. Schneider angehört, habe schon sehr früh in der Pandemie Maßnahmen genannt, die einen sicheren Schulbetrieb ermöglichen, und sich über den Konsens in Deutschland gefreut, die Schulen als Letztes zu schließen und als Erstes wieder zu öffnen.
Ein Schulbetrieb unter Pandemie-Bedingungen sei nach wie vor möglich, ist Schneider überzeugt. Seit dem vergangenen Frühsommer gebe es dafür umfangreiche Konzepte, die über die Aha-Regeln hinausgingen, angefangen mit einem guten Hygienemanagement und gestaffelten Unterrichtsbeginn über sichere Schulwege und konstante Gruppen im Unterricht bis hin zu Testkonzepten.
Schulen die notwendigen Ressourcen geben
Zudem müsse man den Schulen die entsprechenden Ressourcen geben, beim Personal, der Ausrüstung und den Tests, einschließlich eines Hygienebeauftragten in den Schulen, um bei positiven Befunden Hand in Hand mit dem Gesundheitsamt schnell zu reagieren. Schneider: „Das ist bis jetzt alles noch nicht befriedigend umgesetzt.“
Bei den Tests gibt der Mediziner allerdings zu bedenken, dass auch Schnelltests „mehr versprechen, als sie halten können“. Es bestehe die Sorge, dass zum Beispiel ein falsches negatives Ergebnis eine Scheinsicherheit suggeriere und man deshalb die anderen Schutzmaßnahmen nicht mehr so wichtig nehme.
Kinder sind nicht die Risikogruppe
Zumindest ohne die britische Virus-Mutante hätten die Hygienekonzepte im Sommer vor den erneuten Schulschließungen gut gegriffen. „Wir hatten keine großen Ausbrüche.“ Bei höherem Ansteckungsrisiko und steigender Inzidenz solle man nicht die Schulen dichtmachen, sondern die Gruppen kleiner wählen oder die Präsenztage reduzieren, rät der Klinikdirektor.
Nicht die Kinder selbst seien die Risikogruppen, unterstreicht Schneider, „das sind die Alten. Und in dieser Gruppe sinken die Inzidenzzahlen aufgrund der Impfungen. Die Zahlen steigen durch alle Altersgruppen mit Ausnahme der Senioren.“
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
