Tödliche Unfälle: Dieses Projekt soll Dortmunds Kinder schützen

© Peter Bandermann

Tödliche Unfälle: Dieses Projekt soll Dortmunds Kinder schützen

rnProjekt „Toter Winkel“

Vier von sechs getöteten Verkehrsteilnehmern waren 2018 in Dortmund und Lünen als Radfahrer unterwegs. Ein neues Konzept soll helfen, die Zahl zu reduzieren. Im Mittelpunkt stehen Kinder.

Dortmund

, 15.04.2019, 19:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die Dortmunder Polizei sagt dem Unfalltod auf den Straßen den Kampf an und spielt dem Sicherheitstraining an Grundschulen ein wichtiges Update auf: Kinder sollen im toten Winkel eines großen Container-Transporters lernen, dass sie sich im toten Winkel und damit im Gefahrenbereich eines Lkw aufhalten.

Das Risiko für Radfahrer

Weil vier von sechs getöteten Verkehrsteilnehmern in Dortmund und Lünen 2018 als Radfahrer unterwegs waren, setzt die Polizei auf die seit Jahrzehnten bewährte Zusammenarbeit mit den Grundschulen in beiden Städten und hat zusätzlich die Dekra und das Entsorgungsunternehmen Remondis aus Lünen ins Boot geholt, um im toten Winkel zu trainieren. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und die Verkehrswacht unterstützen das Konzept „Toter Winkel“.

Übertragen die Projekt-Partner den jungen Verkehrsteilnehmer damit nicht eine zu große Verantwortung? Darauf antwortet Marc Jochheim von der Polizei Dortmund und Lünen in unserem Videoformat „3 Fragen an“:

Video
Kinder lernen im toten Winkel fürs Leben

Jedes Jahr eine Projektwoche, der Besuch der Polizei-Puppenbühne im Westfalenpark, ein Fahrradtraining, der Fußgänger-Führerschein und jetzt das Projekt „Toter Winkel“: Mit Tempo und Tiefgang sind auch das Lehrerkollegium und die Jungen und Mädchen der Oesterholz-Grundschule in der Dortmunder Nordstadt unterwegs, damit die Kinder die Gefahren im Straßenverkehr richtig einschätzen können.

Prävention zahlt sich aus

„Hier am Borsigplatz haben wir eine komplizierte Lage. Viele Pendler und Lkw sind unterwegs. Wir müssen viel Prävention betreiben - und das zahlt sich aus“, sagt der kommissarische Schulleiter Philipp Fröhlich, „wir haben schon längere Zeit keinen Unfall mehr.“ Bessam, Bedirhan, Finja, Hanin, Ibu und Mouad aus der Klasse 4d - die Löwenklasse - von Klassenlehrerin Marie Anlahr hatten in dem einwöchigen Training gut aufgepasst. Übereinstimmend sagten sie:

„Wenn du im toten Winkel eines Lkw stehst, kann dich der Fahrer nicht sehen. Da ist es besser, wenn du auf die Vorfahrt verzichtest, statt im Krankenhaus zu landen.“

Was haben sie im toten Winkel gelernt? Welche Erfahrungen machen sie im Nordstadt-Straßenverkehr? Weitere Antworten stehen in dieser Bildergalerie:

FOTOSTRECKE
Bildergalerie

Kinder lernen im toten winkel für das Leben

Jungen und Mädchen der Oesterholz-Grundschule in Dortmund lernten im toten Winkel für das Leben: Sie sollen Gefahren im Straßenverkehr besser einschätzen können. Was ist hängenblieben?
15.04.2019
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Das grüne Dreieck der Projektpartner zeigt den Kindern den toten Winkel. Diesen Gefahrenbereich lernten sie genau kennen, um im Straßenverkehr umsichtig handeln zu können.© Peter Bandermann
Bassam (11): "Ich habe gelernt, dass Lkw- und Autofahrer mich nicht immer sehen können. Wenn sie kommen, muss ich einen Blickkontakt herstellen. Wenn das nicht geht: Besser den Lkw oder das Auto vorfahren lassen."© Peter Bandermann
Bedirhan (10): "Es ist gut, dass wir das mit dem toten Winkel gelernt haben. Ein Radfahrer sollte in so einer Situation lieber auf seine Vorfahrt verzichten."© Peter Bandermann
Finja (11): "Ich hatte schon einmal den Blickkontakt zu einem Lkw-Fahrer. Er hat genickt und ich bin vorgefahren. Aber lieber auf die Vorfsahrt verzichten und nicht im Krankenhaus landen."© Peter Bandermann
Hanin (9): "Ich fühle mich im Straßenverkehr nicht sicher, denn es gibt Leute, die Regeln nicht beachten. Manche denken, sie hätten immer die Vorfahrt."© Peter Bandermann
Ibu (10): "Wenn du als Radfahrer an der Ampel neben einem Lkw stehst, solltest lieber auf deine Vorfahrt verzichten, anstatt dass du im Krankenhaus liegst."© Peter Bandermann
Mouad (10): "Wenn ein Radfahrer im toten Winkel eines Lkw fährt, kann es einen Unfall geben. Manche Lkw haben aber eine Kamera, damit der Fahrer in den toten Winkel gucken kann. Eigentliche sollten alle Lkw so eine Kamera haben."© Peter Banderman
Phillip Fröhlich, kommissarischer Leiter der Oesterholz-Grundschule: "Jährlich haben wir eine Projektwoche zum Straßenverkehr. Die Arbeit mit vielen Partner zahlt sich aus, denn trotz der schwierigen Situation hier am Borsigplatz hatten wir in den vergangenen Jahren noch keinen Schulwegunfall."© Peter Bandermann
Remondis-Fahrtrainer Paul Fikus: "Alle Verkehrsteilnehmer sollten sich die Frage stellen, ob sie sich im Gefahrenbereich eines Lkw aufhalten und selber etwas tun müssen, um sich vor einer Gefahr zu schützen. Lkw-Fahrer müssen beim Abbiegen sehr sensibel sein. Systeme können sie unterstützen."© Peter Bandermann
Eine Weitwinkelkamera blickt in den toten Winkel des Lkw.© Peter Bandermann
Die kleine Kamera in der Mitte filmt den Bereich im toten Winkel und überträgt das Bild auf einen Monitor. Ein Nachrüstsatz kostet rund 2500 Euro.© Peter Bandermann
Eine über der Beifahrertür installierte Kamera übertragt das Bild aus dem toten Winkel auf einen Monitor. Die Technik warnt den Fahrer mit einem Ton, wenn ein Radfahrer oder Fußgänger im toten Winkel zu erkennen ist.© Peter Bandermann
Remondis-Werkstattleiter Thomas Bartel rät Unternehmen mit Lkw im Fuhrpark, die Fahrzeuge mit Kameratechnik auszustatten.© Peter Bandermann

Remondis-Fahrtrainer Paul Fikus rät allen Verkehrsteilnehmern, auch mit den Augen eines Lkw-Fahrers zu sehen. Und Lkw-Fahrer sollten beim Abbiegen besonders sensibel sein. Unternehmen mit Lkw im Fuhrpark können die Brummis mit einer Kameratechnik nachrüsten. Das kostet rund 2500 Euro. Paul Fikus: „Diese Systeme erleichtern das Abbiegen.“

Thomas Bartel, Werkstattleiter bei Remondis, erklärt die Technik: „Die Kamera filmt den toten Winkel und überträgt das Bild auf einen Monitor. Sobald ein Fußgänger oder Radfahrer im toten Winkel auftaucht, ertönt im Cockpit ein Warnsignal. Der Fahrer muss merken: Da ist irgendwas.“

Mehrere tödliche Unfälle

In Dortmund haben sich in den vergangenen Jahren mehrere tödliche Unfälle zwischen Lkw- und Radfahrern ereignet. Ende November 2017 überfuhr ein nach rechts abbiegender Lkw einen elfjährigen Schüler auf der Münsterstraße / Ecke Mallinckrodtstraße. Keine vier Monate später, Mitte März 2018, überrollte ein Transporter auf der Schützenstraße / Ecke Mallinckrodtstraße einen 65-jährigen Radfahrer.

Auch in den Jahren davor wurden Radfahrer von abbiegenden Lkw überfahren und getötetet. Radfahrer-Initiativen stellten mehrfach Ghost-Bikes auf und warnten vor den Gefahren für Radfahrer im Straßenverkehr.

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" Mindestens 500 Radfahrer fuhren durch die Dortmunder Innenstadt, um an der Unfallkreuzung Schützenstraße / Mallinckrodtstraße ein Ghostbike aufzustellen.

500 Radfahrer demonstrierten in der Innenstadt für ein respektvolles Miteinander im Straßenverkehr. Dortmund hat nach einem tödlichen Unfall das vierte Ghostbike bekommen. Von Peter Bandermann