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Dortmunder Familie will sich aus der Quarantäne klagen
Coronavirus
Eine Dortmunder Familie sieht sich nach einem Corona-Fall im Umfeld des Sohnes zu Unrecht unter Quarantäne gestellt. Jetzt will man kurzfristig vor Gericht ziehen.
Seit dem 27. August befinden sich alle vier Mitglieder der Familie Linder wegen des Coronavirus in häuslicher Quarantäne. Infiziert ist innerhalb der Familie niemand. Symptome sind nicht aufgetreten. Und die Familie betont: Man habe sich an alle Regeln gehalten.
Doch weiter in Quarantäne zu bleiben, bringt eine eine schwierige emotionale Lage mit sich: Die Beisetzung des unlängst verstorbenen Vaters von Herrn Linder am Mittwoch (2.9.) müsste nach jetzigem Stand ohne die Familie stattfinden.
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen soll die Quarantäne beenden
Mutter Dagmar Linder fühlt sich „wie in einer schlechten Komödie“. Die Rechtsanwältin möchte jetzt versuchen, die Quarantäne im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen zu beenden.
Dieser Schritt richte sich aber ausdrücklich nicht gegen die grundsätzlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus, sondern es gehe um die „außergewöhnliche Härte“, die in ihrem Fall vorliege.
Ältester Sohn ließ sich nach Urlaub auf Corona testen
Auslöser für die Quarantäne ist der älteste Sohn der Familie. Der 19-Jährige war bis zum 25. August mit drei Freunden im Urlaub an der französischen Atlantikküste. Dieser Teil Frankreichs ist kein Risikogebiet.
Dennoch schickten die Eltern die vier jungen Reisenden direkt nach deren Rückkehr zu einem Corona-Test. Bei einem der Mitfahrer war das Ergebnis positiv. Bei dreien, darunter auch der Sohn der Familie Linder, war es negativ.
Quarantäne für enge Kontaktperson
Als Kontaktperson der ersten Kategorie laut Robert-Koch-Institut (RKI) ordnete das Dortmunder Gesundheitsamt daraufhin Quarantäne für den 19-Jährigen an. Und für alle, die mit ihm in einem Haushalt leben - also Dagmar Linder, ihren Mann sowie das jüngste Kind (11). „Das halten wir für völlig unverhältnismäßig“, sagt Dagmar Linder.
Als Kontaktpersonen einer negativ getesteten Person besteht laut der Empfehlung des RKI keine Notwendigkeit zur Quarantäne. Das Dortmunder Gesundheitsamt ordnete diese laut Linder aber dennoch für alle Familienmitglieder an. Denn: Die lokalen Gesundheitsämter treffen die abschließende Risikoabschätzung.
Enge Kontaktperson innerhalb der Wohnung isoliert
Der 19-Jährige sei nach seiner Rückkehr nicht in infektiologisch relevanten Kontakt mit seinen Familienmitgliedern gekommen, sagt die Mutter. Er habe sich ausschließlich in seinem allein genutzten Zimmer aufgehalten und eine Gäste-Toilette benutzt. Alle Hygienemaßnahmen wie Abstand, Mund-Nasen-Schutz und das Vermeiden von längeren direkten Begegnungen seien eingehalten worden.
Die angeordnete Quarantäne fällt in eine für die Familie schwierige Zeit: Am 19. August verstarb Dagmar Linders Schwiegervater, die Beisetzung findet am 2. September statt. Nach jetzigem Stand darf die Familie nicht dabei sein. „Das ist ein massiver Eingriff in die persönliche Freiheit“, sagt Dagmar Linder.
Gesundheitsamt: Quarantäne kann nicht aufgehoben werden
In einem Schreiben an das Gesundheitsamt hatte sie um Aufhebung der Anordnung für sie, ihren Mann und den jüngsten Sohn gebeten. Am Montag (31.8.) erhielt sie eine Antwort aus der Behörde, die der Redaktion vorliegt.
Darin heißt es, dem Wunsch der Familie könne nicht entsprochen werden, die Quarantäne sei einzuhalten. Das negative Testergebnis des als enge Kontaktperson definierten Sohnes sei nicht ausschlaggebend für das Aussetzen der Quarantäne, da innerhalb der Inkubationszeit von 14 Tagen eine Erkrankung auftreten kann.
Die Stadt Dortmund verfolgt bisher die Praxis, bei engen Kontaktpersonen alle Haushaltsmitglieder unter Quarantäne zu stellen. Eine Anfrage unserer Redaktion an die Stadt Dortmund blieb bis zum Redaktionsschluss dieses Textes (31.8., 18 Uhr) unbeantwortet.
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen muss nun über die Aufhebung der Quarantäne von drei Familienmitgliedern entscheiden. Ob das rechtzeitig vor dem Termin der Beisetzung klappt, ist offen.
Seit 2010 Redakteur in Dortmund, davor im Sport- und Nachrichtengeschäft im gesamten Ruhrgebiet aktiv, Studienabschluss an der Ruhr-Universität Bochum. Ohne Ressortgrenzen immer auf der Suche nach den großen und kleinen Dingen, die Dortmund zu der Stadt machen, die sie ist.
