„Wenn der Bundesregierung nicht schleunigst ein Licht aufgeht, brechen für die Patientinnen und Patienten in Westfalen-Lippe düstere Zeiten an.“ Mit diesen Worten wies Dr. Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) jüngst auf die Lage der Ärztinnen und Ärzte hin. Bei den aktuellen Energie-Hilfsprogrammen der Bundesregierung werden diese bislang nicht berücksichtigt.
Auch die Dortmunder Ärzte sind aufgrund der Mehrkosten besorgt. Gerade die steigenden Strompreise fallen in einigen medizinischen Bereichen besonders ins Gewicht. „Wir erwarten Mitte nächsten Jahres eine Steigerung unserer reinen Stromkosten von 1,8 Millionen auf 4,2 Millionen Euro“, berichtet Prof. Dr. Detlev Uhlenbrock.
Der Radiologe ist Geschäftsführer von 17 Versorgungszentren in Dortmund und der Region. Diese bieten Leistungen in der Radiologie, Strahlentherapie und Nuklearmedizin an.

„Die höchsten Posten fallen bei unseren Geräten an“, berichtet er: „Die müssen dauerhaft gekühlt werden.“ Bei ausbleibender Kühlung würde die Helium-Ummantelung der enthaltenden Magnete austreten und kostspielige Schäden würden entstehen. „Oder die Geräte schalten sich aus, weil die Hersteller eine entsprechende Funktion verbaut haben. Dann muss man sich erstmal mit dem Service herumschlagen, bis das Gerät wieder läuft“, so Uhlenbrock.
Durchgehender Verbrauch
In der Radiologie sei es deshalb auch schwierig, zu sparen. Während in anderen Bereichen die Geräte bei mangelnder Nutzung ausgeschaltet werden könnten, verbrauche die Kühlfunktion der MRTs und Computertomographen durchgehend Strom.
„Die Vergütung ist gesetzlich festgelegt. Wir können also nicht mehr Geld für einen Vorgang verlangen“, sagt der Mediziner. Für die MRT-Untersuchung eines Knies, der Lendenwirbelsäule oder des Schädels bekämen die medizinischen Dienstleister einen festgelegten Satz von 75 Euro.
6 Euro, mit steigender Tendenz, kosteten die Stromkosten alleine für eine einzelne Untersuchung. Von den bleibenden 69 Euro müssten Miete, Personalkosten, die Abschreibungen der Geräte, aufwendige Datenschutzkonzepte und weitere Posten, wie eben die permanent mitlaufenden Kühlungskosten bezahlt werden.

Neben seiner Funktion als Geschäftsführer ist Dr. Uhlenbrock auch Vorsitzender des Berufsverbandes der Radiologen. „Wir blicken alle mit Sorgen auf die aktuelle Entwicklung“, erzählt er: „Ich denke wir werden gebraucht, aber es wird immer schwieriger zum Beispiel die Personalkosten zu stemmen.“
Dr. Volker Schrage, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KVWL wird noch drastischer: „Trotz angekündigter Strom‐ und Gaspreisbremse stehen wir, insbesondere die Hochenergiefächer, vor einer ähnlichen Situation wie die Krankenhäuser. Daher muss es für uns auch finanzielle Hilfen geben. Hier geht es nicht nur um ein paar Euro, hier stehen komplette Existenzen auf dem Spiel. Die Praxen sind mittelständische Unternehmen mit zahlreichen Mitarbeitern.“
Auswirkung in der Zahnmedizin
Auch in der Zahnmedizin wird mit energieintensiven Geräten hantiert. Vadim Wirz ist Manager der Praxis Wirz auf der Rheinischen Straße. Gerade die Kompressoren, Röntgen- und Sterilisationsgeräte würden hier stark ins Gewicht fallen. Ab Januar würde die Praxis einen zwei- bis dreimal so hohen Abschlag erwarten.
Sparen könne man dann, wenn eines der Behandlungszimmer vorübergehend nicht genutzt werde, dann könnten hier die Geräte abgeschaltet werden. Andere Möglichkeiten seien das Dimmen und regelmäßige Abschalten der Beleuchtung. An zeitweise Schließungen sei nicht zu denken. „Wir müssen klarkommen. Sonst läuft die Arbeit nicht - das ist auch wichtig für die Patienten“, erzählt er.
Plädoyer an die Regierung
In der Radiologie gebe es eigentlich nur eine effektive Methode Strom zu sparen. „Wir müssen mehr denn je den Anbietern von Medizintechnik die Frage stellen, ob sie energiesparendere Geräte auf den Markt bringen können“, so Dr. Uhlenbrock. Diese seien mit zunehmender Leistungsstärke auch immer energieintensiver geworden. Nun müsse die Gewichtung in der Herstellung anders laufen.
Darüber hinaus hoffe man auf die Politik. „Laut Gebührenordnung bekommen wir im nächsten Jahr zwar zwei Prozent mehr Geld von den Krankenkassen. Die Inflation wird dadurch aber nicht ansatzweise aufgefangen.“
Dr. Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der KVWL plädiert an die Regierung: „Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat den Kliniken und Pflegeeinrichtungen bis zu acht Milliarden Euro zugesagt. Das ist ja grundsätzlich schön und richtig, aber der ambulante Sektor darf doch in der Energiekrise nicht einfach übersehen werden.“
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