„Warum ich?“ hat sich Roman (35) früher gefragt Der Dortmunder hat eine tödliche Erkrankung - Heilung gibt es nicht

Roman Hill (35) ist seit seiner Geburt schwerbehindert: Jetzt will er Europameister werden
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„Man kann es nicht aufhalten. Es wird immer schlimmer“, sagt Roman Hill. Der 35-Jährige meint damit seinen Körper, der nicht so funktioniert, wie er es sich immer gewünscht hatte. Lange hatte er damit zu kämpfen.

Seit seiner Geburt leidet Roman Hill an einer spinalen Muskelatrophie (SMA), einer Erbkrankheit, bei der sich die Muskeln zurückbilden. „Meine Muskeln werden mit der Zeit immer schwächer“, erklärt Roman Hill. Er sitzt in seinem Rollstuhl in seinem Zimmer in der Wohnung seiner Eltern in der Dortmunder Innenstadt.

Aufgewachsen ist Roman Hill in einem kleinen Dorf in Sibirien. Die Winter in Russland waren eiskalt und die Sommer glühend heiß, erinnert er sich. Seinen ersten Rollstuhl bekam er mit sieben Jahren. Vorher wird er im Kinderwagen geschoben. Als er zwölf Jahre alt ist, beschließt die Familie nach Deutschland zu kommen. Roman Hills Vater hat deutsche Vorfahren. Dass die Versorgung von Menschen mit Behinderung hierzulande besser ist, spielte eine entscheidende Rolle für die Entscheidung, die Heimat zu verlassen.

SMA verläuft je nach Schweregrad tödlich

Laufen und stehen konnte Roman Hill noch nie, aber anfangs war Krabbeln noch möglich und sich selbst hinsetzen. Nach Definition ist das SMA Typ II. Die Lebenserwartung ist eingeschränkt. Mittlerweile kann der 35-Jährige noch seinen Kopf bewegen und minimal die Arme. Dass es schlechter wird, merkt er nicht von heute auf morgen. Aber wenn der 35-Jährige zurückblickt, spürt er die Veränderungen.

Was das in letzter Konsequenz bedeutet, scheint Roman Hill nicht aussprechen zu wollen. Aber wenn letztlich alle Muskeln versagen, setzen auch Herz und Atmung aus. Eine Heilung für die Erkrankung gibt es nicht. Roman Hill nimmt ein neues Medikament, das den Prozess verlangsamen soll.

Ob es den gewünschten Effekt hat, ist offen. „Ich habe die Hoffnung, dass es so bleibt, wie es jetzt ist“, sagt der 35-Jährige. „So komme ich gut zurecht“, sagt er in seinem Zimmer in der Dortmunder Innenstadt. Neben dem Bett steht ein Beatmungsgerät, über dem Schreibtisch sind Figuren aus Herr der Ringe aufgereiht.

Roman Hill auf der Geierlay Hängeseilbrücke in Rheinland-Pfalz - die Brücke ist 100 Meter hoch.
Roman Hill auf der Geierlay Hängeseilbrücke in Rheinland-Pfalz in über 100 Metern Höhe. © privat

So wie es jetzt ist, kann Roman Hill seinen elektrischen Rollstuhl durch die engen Türen in der Wohnung seiner Eltern steuern und er kann am Computer arbeiten. Seit eineinhalb Jahren macht Roman Hill ein duales Studium bei der Polizei und wird für die Verwaltung ausgebildet. „Ich führe jetzt ein glückliches Leben“, sagt Roman Hill. Er hat seine Behinderung akzeptiert. Das Wort „jetzt“ macht klar, dass das nicht immer so war.

„Warum ich?“

Natürlich hat Roman Hill als Kind gemerkt, dass er anders ist als die anderen Kinder. „Im Jugendalter habe ich schon nach Antworten gesucht.“ Er habe sich gefragt: „Warum ich?“ Wenn man händeringend nach Antworten sucht, die es nicht gibt, dann führt das zu Verzweiflung. Dieses Gefühl macht sich bei Roman Hill besonders stark breit, als es nach der Ausbildung zum Mediengestalter nicht so wirklich mit Jobs klappen will. Roman Hill macht sich selbstständig. Die Branche ist umkämpft, die Aufträge bleiben aus. Es ist zum Verzweifeln.

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„Das war eine harte Zeit. Zwei Jahre habe ich mich fast vollständig zurückgezogen.“ Was ihm aus dieser Zeit herausgeholfen hat, ist der Sport. Roman Hill spielt Powerchair-Hockey. Die vorherige Bezeichnung „Elektro-Rollstuhlhockey“ beschreibt den Sport vielleicht etwas buchstäblicher. Im Grunde ist es Hallen-Hockey, nur die Spielerinnen und Spieler sitzen im Rollstuhl.

Es ist der einzige Sport, der Roman Hill machen kann. Er ist ziemlich gut darin. Der 35-Jährige ist Nationalspieler, viermal wurde er zum besten Spieler der 1. Liga gewählt, der seinen Schläger fest am Rollstuhl angebracht hat. Zur aktuellen Saison ist er zum 1. ERHC Dreieich gewechselt, einem Verein in der Nähe von Frankfurt, in dem viele Mannschaftskollegen aus der Nationalmannschaft spielen. Der 35-Jährige sagt, es sei der FC Bayern des Powerchair-Hockeys. Seit 2016 ist der Verein sechsmal deutscher Meister geworden.

EM-Teilnahme von Rollstuhl abhängig

Mit seinem neuen Team will er Deutscher Meister werden. Und einen weiteren großen Traum hat Roman Hill. Im Herbst will er Europameister werden. Aber dieser Traum hängt vor allem an seinem Rollstuhl. Bei Rollstuhl-Hockey geht es zur Sache.

Die Rollstühle erreichen eine Geschwindigkeit von 15 km/h. Auf dem Feld kommt es immer wieder zu Zusammenstößen. Und das hinterlässt Spuren. Der Rollstuhl von Roman Hill fährt noch, ist aber nach zehn Jahren Nutzung arg demoliert und drohe jederzeit auszufallen, wie der Dortmunder sagt.

Der Vater des 35-Jährigen hat schon eine Metallschiene eingesetzt, damit er noch hält. Mit dem Rollstuhl ist es, wie mit dem Knie eines Fußballprofis. Wenn es damit immer Probleme gibt und der Spieler droht, auszufallen, überlegt sich der Nationaltrainer dreimal, ob er den Spieler mit zu einem wichtigen Turnier nimmt oder lieber einen anderen.

Diese Rollstühle sind extra für den Sport konzipiert und deshalb breiter und tiefer gelegt. Es gebe nur zwei Hersteller in Deutschland, erklärt Roman Hill. Auf dem Niveau, auf dem der 35-Jährige spielt, kostet ein Rollstuhl um die 20.000 Euro. Geld, das Roman Hill nicht hat. Er hofft deshalb auf ein Crowdfunding, dass er auf der Plattform des Autoherstellers Toyota ins Leben gerufen hat, um den nötigen Betrag zusammen zubekommen.

Denn Geld verdient er als Behindertensportler nicht. Die Krankenkassen unterstützen ihn auch nicht bei der Anschaffung eines neuen Rollstuhls. Roman Hill interpretiert das so: „Die sind der Meinung, Behinderte müssen keinen Sport machen.“

„Macht vielen Rollstuhlfahrern Angst“

Aber was behinderte Menschen tun sollten und was nicht, lässt sich Roman Hill nicht vorschreiben. Manche Hürden muss er in seinem Kopf aber erst selbst einreißen. Vor Reisen hatte er als Rollstuhlfahrer selbst lange Respekt. Als die Familie während Corona einige Deutschlandtouren unternimmt, ist seine Reiselust geweckt. Viele Nachbarländer Deutschlands hat er schon besucht. Er ist aber auch schon nach New York und Dubai gereist, begleitet von einer Assistenz, die ihm im Alltag hilft.

Die größte Hürde für Menschen im Rollstuhl seien Flugreisen. Den Rollstuhl müssen sie im Frachtraum lassen. „Man weiß ja, wie demoliert manchmal Koffer sind, das passiert teilweise auch mit Rollstühlen“, sagt Roman Hill. Dann stehe man da in einem fremden Land und könne sich nicht fortbewegen. „Die Vorstellung macht vielen Rollstuhlfahrern Angst.“ Er hatte bislang Glück.

Roman Hill bei einer Reise nach Barcelona
Roman Hill bei einer Reise nach Barcelona © privat

Auf seinem Instagram-Account romans.view teilt er Fotos von seinen Reisen. Mittlerweile sei er selbst ein „kleiner Reiseexperte“ geworden, wie er selbst sagt, die Menschen fragen ihn nach Tipps. Mit seinen Posts will er anderen Mut machen, wie er sagt – nicht nur Rollstuhlfahrern.

„Man muss sich trauen“

„Wenn man es einmal schafft, aus der Komfortzone herauszukommen, kann man nur gewinnen“, ist Roman Hill überzeugt. Zwar steht auch er bei seinen Reisen immer wieder vor Problemen, die ihm in Form von Treppenstufen oder Bordsteinen den Weg versperren. Aber oftmals finde sich eine Lösung, sagt Roman Hill. Man kann es auf das ganze Leben übertragen.

„Man muss sich trauen, zunächst in kleinen Schritten, danach kann man auch mutiger werden“, sagt Roman Hill. Für Roman Hill ist der nächste Schritt, seine Ausbildung fertig zu machen und bei der Polizei übernommen zu werden. Danach möchte er ausziehen. Er ist ja schließlich schon 35 Jahre alt. „Ich will selbstständig sein, wie jeder andere auch.“ Aber vorher steht noch ein großes Ziel an: In Europa will er mit Deutschland Europameister werden.

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Zum Crowdfunding

Wer Roman Hill bei seinem EM-Traum unterstützen möchte, kann dem 35-Jährigen unter www.toyota-crowd.de/bigdream bei der Finanzierung eines neuen Rollstuhls helfen.

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