Dating-Apps bringen Menschen zusammen – in Corona-Zeiten aber nur im Internet. Wir haben getestet, wie sich Online-Dating durch Corona verändert hat, und ob es gegen die Einsamkeit hilft.
„Jeder dritte Single fürchtet sich vor Einsamkeit während der Corona-Pandemie“ – das ergab eine Untersuchung der Internet-Partnervermittlungsbörse Parship. Vor allem junge Menschen fürchten sich vor dem Alleinsein durch das anhaltende Kontaktverbot. Vielen bleibt nur der virtuelle Kontakt im Internet – zum Beispiel durch Dating-Apps.
Tinder-App
Die App Tinder ist bei jungen Menschen in Deutschland sehr beliebt, um sich im Internet kennenzulernen, zu flirten und sich zu verabreden. Das Prinzip ist einfach: Ein Nutzer erstellt ein Profil mit Bildern und kurzen Charakter-Beschreibungen und legt seine Zielgruppe fest.
Die App schlägt andere Nutzer-Profile vor, die in die Zielgruppe passen. Äußern die Nutzer gegenseitiges Interesse per Herz-Button, haben sie ein „Match“ – fertig ist die Vermittlung. Die Dating-App Lovoo funktioniert ähnlich.
Mehr Neuregistrierungen, höhere Kontaktfreudigkeit
Die Anzahl an Neuregistrierungen und die Kontaktfreudigkeit ist bei Tinder seit Ausbruch der Corona-Krise deutlich gestiegen. In einer Pressemitteilung von Tinder heißt es, die Anzahl an Unterhaltungen in Deutschland sei um 33 Prozent gewachsen. Basierend auf Erhebungen vom 20. Februar bis zum 26. März sei die Dauer der Gespräche um 17 Prozent gestiegen.
Außerdem haben sich laut Tinder seit Ausbruch der Corona-Krise bestimmte Profilangaben der Nutzer verändert. Die Sätze „stay home, be safe, social distancing” und „wie geht es dir" seien in den Profilen nun besonders beliebt.
Auch Händewaschen- und Gesichts-Emojis würden häufiger genutzt werden. „Und ja, JEDER spricht über Toilettenpapier, zumindest in ihren Bios", also den Profil-Beschreibungen, schreibt Tinder auf Anfrage unserer Redaktion.
Lovoo-App
Neben der Chat-Vermittlung bietet Lovoo die Möglichkeit zum Live-Dating per Video-Unterhaltung, zum Beispiel über das virtuelle Dating-Spiel NextDate und die Livestreaming-Plattform LOVOO Live.
Auch dort interagieren die Nutzer seit der Corona-Pandemie häufiger und länger: „Alleine in der vorletzten Woche haben wir einen Anstieg von 25 Prozent bei der in Videochats verbrachten Zeit beobachtet im Vergleich zu der Woche, bevor COVID-19 von der WHO als globale Epidemie eingestuft wurde“, schreibt der Dienst auf Anfrage.
„Die Menschen brauchen Gemeinschaft mehr als je zuvor und unsere Live-Video Angebote sind in diesen unsicheren Zeiten eine sehr gute Möglichkeit, um Unterstützung, Verbindung und Liebe zu finden“, erklärt Lovoo den Anstieg. Auch die Chats würden bei der App nun mehr genutzt werden.
Video-Konferenz auch bei Parship
Seit Donnerstag (16.4.) können sich Nutzer der Partnervermittlungsbörse Parship ebenfalls per Video-Konferenz im Internet „zu einem Kennenlern-Kaffee oder Candle-Light-Dinner“ verabreden, so Parship in einer Pressemitteilung. „Dabei bewegen sich die Singles weiterhin innerhalb der für sie gewohnten und sicheren Umgebung ihrer Parship-App“, heißt es weiter.
Dortmunder berichtet: „Aktuelle Lage schwingt oft im Hinterkopf mit.“
Der 26-jährige Julian aus Dortmund nutzt sowohl Tinder als auch Lovoo seit mehreren Jahren. Sein Profil gehört nach unserem Eindruck zu den Klassikern der Tinder- und Lovoo-Profile: Student, sportlich, auf der Suche nach 18- bis 36-jährigen Singles und dann mal schauen, wohin der Weg führt.
Ihm ist die veränderte Nutzung der Apps bereits aufgefallen: „Seit ein paar Wochen sind deutlich mehr Frauen bei beiden Apps aktiv“, sagt er unserer Redaktion. „Matches hat man nun deutlich öfter“, ergänzt er.
Zusätzlich hätten sich auch die Unterhaltungen verändert. Es gäbe nur noch zwei Extreme: Seiner Meinung nach seien seine Chat-Partnerinnen entweder ,,gelangweilter als vorher, oder sie sind umso offener, wenn sie ansonsten weniger soziale Kontakte haben.“
Ob es an einem leicht vergebenen ,,Icebreaker“ liegt – also der ersten Nachricht, die Nutzer einer anderen Person schreiben –, oder tatsächlich an der Krisen-Stimmung, dass die Frauen „gelangweilter“ sind, wissen wohl nur seine Chat-Partnerinnen selbst.
Und treffen sich Singles zurzeit auch in der Realität, um sich kennenzulernen? „Das ist unterschiedlich“, sagt der 26-Jährige. „Einige wollen sich trotzdem treffen. Aber viele Nutzer von Tinder und Lovoo sind ja auch nicht in der vermeintlichen Risikogruppe. Ich halte mir die Frauen lieber für die Zeit nach Corona warm“, so Julian.
Für den alleinstehenden Julian helfen die Dating-Apps auch gegen die Einsamkeit: „Wenn man sonst schon nicht viele Kontakte wegen Corona hat, helfen die Apps, sich trotzdem auszuleben“ – in Zeiten, in denen sein Studentenleben brachliegt.
Abwechslung zum Corona-Alltag
Wir haben Lovoo und Tinder für jeweils eine Woche getestet. Unser Fazit: So ganz ersetzt das Chatten im Internet den persönlichen Kontakt natürlich nicht. Matches zu bekommen, einen „Icebreaker“ erfolgreich zu versenden und sich mit Personen außerhalb der eigenen vier Wände zu unterhalten, ist trotzdem eine schöne Alternative für Corona-Singles.
Ganz am Corona-Thema sind wir in den Chats nicht vorbeigekommen. Tatsächlich ist alles rund um Corona ein einfacher Lückenfüller, wenn alle sporadischen Fragen wie „Wie geht's dir?" oder „Was machst du so?" schon beantwortet sind. Alle Dortmunder haben zum Thema was zu sagen.
Auf das persönliche Kennenlernen von Gesicht zu Gesicht haben wir verzichtet. Nach Quarantäne, Kontaktverbot und Corona-Virus kann das schließlich immer noch nachgeholt werden.
2000 in Heinsberg geboren, seit 2020 als freier Mitarbeiter bei den Ruhr Nachrichten. Ich studiere Journalistik und Politikwissenschaft in Dortmund. Mit 16 Jahren habe ich meine ersten Erfahrungen im Lokaljournalismus gemacht - und dort fühle ich mich zuhause.
