Gegnerinnen auf dem Platz, Partnerinnen abseits des Feldes: Tabea (r.) und ihre Freundin Anna. Sie sind ein Beispiel dafür, dass Homosexualität nicht überall im Fußball tabuisiert wird.

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Lesbische Partnerbörse Frauenfußball? Das ist dran an dem Klischee

rnLiebe auf dem Fußballplatz

Homosexualität und Fußball passen in den Köpfen vieler Menschen nicht gut zusammen. Das gilt jedoch nur für den Männerfußball - bei den Frauen sieht die Welt ganz anders aus.

Dortmund

, 19.06.2021, 15:50 Uhr / Lesedauer: 3 min

Schon am Anfang der lesbischen Datingshow „Princess Charming“ war für die Dortmunderin Tabea „Tabi“ Suhl Schluss. Nicht so recht ins Spiel gefunden, die Chance vertan oder etwas grob ausgedrückt: den Ball nicht versenkt.

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Die Verwendung von Fußballfloskeln, die im Alltag ja eh omnipräsent sind, bietet sich an. Denn Tabi, die Datingshow-Teilnehmerin und Jurastudentin, spielt beim Wambeler SV Fußball. In einem Interview, das wir vor Ausstrahlung der ersten Folge geführt hatten, sagte sie: „In Dortmund sind viele lesbische Frauen vertreten - gerade weil es hier auch viel Frauenfußball gibt.“

Klischee oder Kernbestandteil?

Sind lesbische Frauen im Fußball Klischee oder Kernbestandteil? Annika Faulker ist Mitspielerin von Tabi und gleichzeitig Kapitänin der ersten Damenmannschaft. Für sie ist die Sache klar: „Es war immer normal, dass auch viele lesbische Frauen in der Mannschaft sind.“

Wie viele, das sei im Moment schwierig zu sagen. Wegen der coronabedingten, monatelangen Spielpause habe sich die Mannschaft neu aufgestellt. „In der vergangenen Saisons würde ich sagen, dass schon 70-80 Prozent lesbisch oder bisexuell waren“, schätzt Annika. Aktuell seien es 30-40 Prozent.

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Hoher Anteil lesbischer Mitspielerinnen

Welche Gesellschaft bildet das ab? Sicher nicht die, in der RTL mit der ersten lesbischen Datingshow im deutschen TV werben kann, in der sie ihr Show-Konzept als großen Tabu-Bruch präsentieren und in der fast alle Kandidatinnen betonen, dass sie für die lesbische Community einstehen und Vorurteile abbauen wollen.

Eine Gesellschaft, in der es notwendig ist, dass ein Fußballmagazin mit #ihrkönntau­funs­zählen eine Solidaritäts-Aktion für homosexuelle Fußballer startet, Ex-Profi Philipp Lahm aber vom Coming-out abrät.

Außenstehende mag es deshalb verwundern, wie selbstverständlich lesbische und heterosexuelle Frauen im Amateurfußball zusammenspielen - oder wie Annika es ausdrückt: „Das war eigentlich nie ein Thema.“

Null Berührungsängste: Beim Wambeler SV spielen heterosexuelle und lesbische Frauen harmonisch zusammen.

Null Berührungsängste: Beim Wambeler SV spielen heterosexuelle und lesbische Frauen harmonisch zusammen. © privat

Der restlichen Gesellschaft weit voraus

Ihr Trainer Timo Weißwange sieht das ähnlich. „Heutzutage sollte das auch kein Problem mehr sein“, sagt er. Dass sich innerhalb der Mannschaft ab und zu Pärchen finden, sieht er gelassen, kann und möchte er nicht verbieten.

Ganz so einfach ist es aber offenbar nicht.

Denn wer sich findet, trennt sich unter Umständen auch wieder. Trotzdem spielt man danach noch in derselben Mannschaft. Damit umzugehen sei „natürlich ein bisschen schwierig“, räumt Annika ein. „Dann stehen Teile der Mannschaft hinter der einen Person und Teile der Mannschaft hinter der anderen.“

In seinen drei Jahren als Trainer der Wambeler Frauenmannschaft hat Weißwange eine solche Trennungssituation erlebt. Aber auch die habe man „gut geregelt“ bekommen. Nur klappt das leider nicht immer.

Trainer Timo Weißwange hat kein Problem mit Pärchen innerhalb der Mannschaft.

Trainer Timo Weißwange hat kein Problem mit Pärchen innerhalb der Mannschaft. © privat

Spielerin verlässt den Verein

Gerold genannt „Gerry“ Klein hat schon ein paar Trainerjahre auf dem Buckel. Zuerst hat er die Frauenmannschaft der TuS Niederaden in Lünen trainiert, mittlerweile ist es die Erste der TuS Eichlinghofen.

Bei seinem alten Verein habe es einen Trennungsstreit gegeben, bei dem man am Ende nicht mehr vermitteln konnte. „Eine Frau hat dann auch die Mannschaft, hat den Verein dann verlassen“, berichtet Klein.

Zurück zu Weißwange. Der findet es natürlich blöd, wenn Streits in den Beziehungen seiner Spielerinnen das Sportliche beeinflussen, nur könne man das manchmal nicht verhindern. „Das ist das Leben.“

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Kapitänin freut sich mit

Und eine Beziehung, die vielleicht mal schlecht endet, hatte oft genug ja eine unbeschwerte Kennenlernphase. Bekommt man mit, wie sich zwei Mitspielerinnen daten, sei das ähnlich wie bei zwei Freunden, die miteinander anbandeln. „Da ist man auch erstmal vorsichtig, wenn man davon hört“, erklärt Annika. „Aber wenn es gut läuft, ist man auch einfach froh, dass sich da zwei gefunden haben.“

Entscheidend ist, dass man die Freundin von der Mitspielerin trennen kann. Das sei eine ungeschriebene Regel, meint die Kapitänin. Vor und nach dem Spiel könne man ein Bierchen trinken, sich einen Kuss geben, Zärtlichkeiten austauschen. „Aber solange man auf dem Platz ist, geht es um das Spiel. Darum, mit der Mannschaft zu gewinnen.“

Kapitänin Annika hat erst spät gemerkt, dass sie mehr homosexuelle und bisexuelle Menschen kennt als ihre Freunde, die nicht Fußball spielen.

Kapitänin Annika hat erst spät gemerkt, dass sie mehr homosexuelle und bisexuelle Menschen kennt als ihre Freunde, die nicht Fußball spielen. © privat

Entscheidend is auf’m Platz

Anders hätte sie das aber auch noch nie erlebt. Davon berichten die Spielerinnen Tabi und Annika, die Trainer Timo und Gerry unisono. Dabei sind sie schon jahrelang im Fußball aktiv, waren teilweise schon bei mehreren Vereinen und haben natürlich auch Einblicke bekommen, wie es bei den gegnerischen Vereinen so läuft.

Überall sehen sie das gleiche Bild: Sexualität spielt bei den Frauenmannschaften keine große Rolle mehr. Warum ist das bei den Männern anders?

Eine Antwort darauf weiß keiner. Oft wird die Gesellschaft als Begründung angeführt. Timo und Gerry berichten beide von Gesprächen mit Männern, die Angst davor hätten, von Homosexuellen angebaggert zu werden, wenn man ihnen zu nahe käme. Das sei natürlich Quatsch, meinen beide.

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Deutlich lockerer als die Männer

Nur deckt sich das mit einer unsäglichen Aussage von Jens Lehmann. Der meinte für seinen ehemaligen Mitspieler Thomas Hitzlesberger, der sich nach seiner Karriere outete, müsse das gemeinsame Duschen ja so gewesen sein wie wenn er, Lehmann, mit zwei hübschen Frauen geduscht hätte.

Das gemeinsame Duschen mit ihren lesbischen Mitspielerinnen - für Annika ein Problem? „Man geht da in die Kabine, geht duschen, zieht sich um und geht wieder“, sagt sie. Ganz normal eben.

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