
© Grafik Martin Klose
Dortmund kann zeigen, was es digital drauf hat – doch OB Westphal kneift
Meinung
Wenn die Landesregierung nach Ostern bekannt gibt, welche Städte Modellkommunen zur Corona-Bekämpfung werden, ist jetzt schon klar: Dortmund ist nicht dabei. Chance vertan, meint unsere Autorin.
Köln ist weiter am Ball, Münster ebenso und auch der Hochsauerlandkreis. Alle möchten zu den sechs bis acht Kommunen beziehungsweise Kreisen gehören, die mit Modellprojekten eine Pandemie-sichere Öffnung von Einzelhandel, Gastronomie und Veranstaltungsstätten erproben sollen.
Anders Dortmund. Die Stadtspitze hat nach anfänglichem zögerlichen Interesse einen Rückzieher gemacht und stattdessen die Landesregierung gebeten, die kommunalen Modellprojekte zu verschieben, wohl wissend, dass das nicht passieren wird und Dortmund dann außen vor bleibt.
Dabei hätte Dortmund – gemessen am Kriterienkatalog des Landes – sehr viel zu bieten gehabt; denn die Landesregierung setzt bei den Modellprojekten auf ein digital gesteuertes Pandemie-Management. Die Digitalisierung soll das Testen, Impfen und die Kontaktnachverfolgung beschleunigen und damit effektiver machen.
Statt des nicht fälschungssicheren Papierkrams sollen zum Beispiel Registrierungen, wie man sie von Restaurantbesuchen und jetzt vom Termin-Shoppen kennt, über QR-Codes und Apps laufen.
Es geht nicht um flächendeckende Öffnungen
Dortmund, dessen Rathaus-Spitze immer wieder gern mit der Auszeichnung „Digitalste Stadt Deutschlands“ hausieren gegangen ist, will nicht mitmachen. Ein Armutszeugnis. Dortmund hat genau die Elemente, die im Kriterienkatalog stehen und die so einen Modellversuch zum Erfolg werden lassen könnten: die IT-Unternehmen, die innovativen Start-ups, die Hochschulen, die Wissenschaftler und die großen Kliniken.
OB Thomas Westphal dagegen duckt sich weg, wenn es ernst wird, Dortmunds digitales Knowhow unter Beweis zu stellen, und argumentiert, so ein Modellprojekt passe nicht zur aktuellen Entwicklung des Infektionsgeschehens. Damit blendet er aus, dass es der Landesregierung nicht um flächendeckende Öffnungen aller gesellschaftlichen Lebensbereiche oder ganzer Innenstädte geht.
Nein, es sollen Öffnungsstrategien einhergehend mit Testungen und Kontaktnachverfolgung nur in jeweils einzelnen Bereichen unter Nutzung aller technischen Möglichkeiten erprobt werden. Die eine Kommune macht Sport, die andere Gastronomie, wieder eine andere Kultur oder Handel.
Erkenntnisgewinn über Corona-Hotspots
Am Ende soll auch die Erkenntnis stehen, wo die Hauptinfektionsherde tatsächlich sind und wo sich sichere Öffnungsmöglichkeiten für ein bisschen mehr Normalität in Pandemie-Zeiten ergeben; denn wer viel testet und dafür Anreize schafft, statt nur in den harten Lockdown zu gehen, entdeckt auch die Infizierten ohne Symptome und schneidet so potenzielle Infektionswege ab.
Auch wenn es für die Modellstädte keine Begrenzung bei den 7-Tage-Inzidenzen gibt, haben die Modellversuche bei steigenden Inzidenzzahlen einen Sicherheitsgurt eingezogen. Es sind klare Abbruchkriterien festgelegt. Dazu zählen gegenüber dem Landesdurchschnitt erheblich steigende Inzidenzen oder unklare, nicht zuzuordnende Infektionscluster.
Sollten die Infektionszahlen weiter aus dem Ruder laufen, könnten auch die begleitenden Wissenschaftler das Projekt abbrechen. Es ist ein sehr überschaubares Risiko, unter diesen Bedingungen und unter Federführung des Gesundheitsamtes als Modellkommune teilzunehmen.
Es gibt bereits einen Modellversuch
Und für Dortmund spricht noch ein weiteres, gewichtiges Argument: Wir haben bereits so ein ausbaufähiges Modellprojekt in den Stadtmauern. Die Technische Universität Dortmund (TU) möchte mit einer intelligenten Teststrategie zum Sommersemester teilweise in den Präsenzbetrieb zurückkehren – und zeigen, wie das funktioniert. Das soll verhindern, dass die Infektionszahlen weiter steigen und einen erneuten harten Lockdown unnötig machen.
Ein mögliches Argument gegen die Modellprojekte könnte sein, dass die teilnehmenden Kommunen selbst dafür zahlen müssen. Aber dieses Argument hat OB Westphal nicht ins Feld geführt. Und alles, was die Stadt im Umgang mit der Pandemie weiterbringt, ist den Euro wert.
Bis alle geimpft sind, wird es wohl September werden. Vor diesem Hintergrund ist die Chancenverwertung der Stadtspitze mangelhaft. Statt als Pionierstadt wie Tübingen und Rostock nach einem Jahr Pandemie intelligente Maßnahmen zu erproben, versteckt sich der OB hinter der Linie der SPD-Opposition im Landtag.
Traut er den innovativen Kräften seiner Stadt nichts zu? Vielleicht hätte seine Reaktion anders ausgesehen, wenn der Vorschlag der Modellversuche aus den Reihen der Genossen in Düsseldorf gekommen wäre.
Furchtsam, zaghaft und mutlos
Aber es war eine Idee, die ausdrücklich auch in der Bund-Länder Schalte am 22. März von allen 16 Ministerpräsidenten und -präsidentinnen zugelassen wurde.
Dieses Experiment mit Sicherheitsnetz nicht zu wagen, zeugt nicht von Vorsicht, sondern von Furchtsamkeit, politischer Zaghaftigkeit und von sträflicher Mutlosigkeit. Und das von einem OB, der noch vor wenigen Wochen in Konfrontation mit der schwarz-gelben Landesregierung alle Schule schließen wollte.
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
