Nach jahrelangem Missbrauch Malia (20) braucht Assistenzhündin Hermine - aber es fehlt an Geld

Nach Missbrauch: Malia braucht Assistenzhündin Hermine - aber es fehlt an Geld
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Malia (20) spricht ruhig, formuliert präzise und eher nüchtern und beschreibt mit ihren bedächtig gewählten Worten dennoch die Hölle auf Erden: Seit sie klein war, litt sie unter häuslicher und sexualisierter Gewalt, durfte nie allein das Haus verlassen.

Wenige Tage vor ihrem Abitur floh die damals 18-Jährige aus ihrem Elternhaus, ging zur Polizei. Die brachte sie in ein Frauenhaus.

Name geändert

Das Mädchen von damals gibt es heute nicht mehr. Name, Krankenkassen- und Steuernummer wurden geändert. Einzelheiten zu den Vorfällen aus Malias Kindheit und Jugend bleiben im Gespräch mit der Redaktion aus Sicherheitsgründen tabu.

Malia ist inzwischen 20 Jahre alt und versucht, sich mithilfe von Therapeuten und ihrer Hündin Hermine ein eigenes Leben aufzubauen. Wenn die junge Frau gar nicht über das reden kann, was jahrelang passierte, malt sie und zeigt dem Therapeuten die Bilder. Sie zeigen beunruhigende Motive. Zusammengekauerte Körper, schreiende und verzerrte Gesichter. Ein Auge, mit Tränen gefüllt, in Nahaufnahme.

Zeichnungen
Das sind einige der Bilder, die Malia gezeichnet hat. Das Malen hilft der jungen Frau, Vergangenes zu bewältigen. © Britta Linnhoff

Das neue, eigene Leben ist begleitet von Depressionen, Panikattacken, Schlafstörungen, Flashbacks und dissoziativen Krampfanfällen, die für Außenstehende wie epileptische Anfälle aussehen – posttraumatische Belastungsstörungen.

Malia hat diese Attacken jeden Tag. Jeder Tag ist für die 20-Jährige verbunden mit der Angst, dass es wieder geschehen könnte. Manche Trigger kennt sie. „Männer sind Trigger“, sagt sie. Andere kennt sie nicht. Und bevor Malia bemerkt, dass es passiert, merkt es Hermine. Deshalb ist die knapp eineinhalbjährige Labradoodle-Mischlingshündin eine Art Lebensversicherung.

„Mein Körper schüttet dann Cortisol aus“, erklärt Malia. „Und das riecht Hermine.“ Der Hund greift ein, eilt zu seinem Frauchen und sorgt dafür, dass Malia nicht fällt. „Sie springt mich an und verhindert, dass ich bei einem Sturz auf den Kopf falle. Ich kann mich mit ihrer Hilfe setzen und in meine Medikamententasche greifen.“ Diese hat Hermine immer bei sich.

Assistenzhund
Im August 2022 kam Hermine zu Malia. Seitdem lernt sie, der jungen Frau zu helfen. Und sie lernt schnell, sagt Malia. © privat

Assistenzhund-Ausbildung kostet bis zu 20.000 Euro

Die Hündin liegt bei den ersten Sätzen von Malias Bericht entspannt unter dem Tisch. Wenig später drängt sie sich auf deren Schoß, leckt Malias Hände. Das Tier spürt die Nervosität der jungen Frau, die nur scheinbar ruhig ist. „Alles gut, Hermine“, sagt Malia. Aber die Hündin bleibt zur Sicherheit auf dem Schoß liegen und lässt sich zu ihrer und Malias Beruhigung lieber noch ein bisschen kraulen.

Hermine ist ein Assistenzhund in Ausbildung. Einen großen Teil hat die junge Hündin schon hinter sich. Malia kümmert sich im Wesentlichen selbst darum, denn es handelt sich um eine „selbst angeleitete Ausbildung“. Das ist die preiswerteste Variante, die dennoch 10.000 bis 20.000 Euro kostet. Seit Oktober 2022 sind Hermine und Malia einmal im Monat in der Hundeschule. Dann macht Hermine die Prüfung.

Doch es fehlt an Geld: rund 10.000 Euro, so schätzen Malia und die „Aufwind-Jugendhilfe“, die sich um Malia kümmert. Für Blindenhunde gibt es eine finanzielle Unterstützung der Krankenkassen, für Assistenzhunde hingegen nicht. Und nicht nur die Ausbildung kostet Geld, auch der Tierarzt und die notwendige Gesundheitsprüfung müssen bezahlt werden.

Dabei braucht Malia Hermine schon allein deshalb, weil sie sich allein nicht vor die Tür traut: Selbst wenn sie mit Hermine Gassi geht, muss noch eine Begleitperson mit. „Aber Hermine zwingt mich, dass ich rausgehe. Sie sorgt dafür, dass ich wieder mein Leben leben kann. Hermine hat mir mein Lachen wiedergebracht.“ Eindringlicher kann man es wohl kaum sagen.

Heilung ist ein langer Weg

Vor zwei Jahren schrieb Malia, die damals noch anders hieß, an ihrem Gymnasium die Vorklausuren zum Abitur mit, bevor sie dann unmittelbar vor den eigentlichen Prüfungen – in einer Art Kurzschlusshandlung, wie sie heute sagt – zur Polizei und ins Frauenhaus flüchtete. „Ich wusste bis dahin gar nicht, dass es so etwas wie ein Frauenhaus gibt“, erinnert sich Malia.

Reden mit Freunden über die Probleme sei damals undenkbar gewesen: „Familie bleibt Familie, hieß es immer.“ Das ging niemanden etwas an. Eine Freundin hatte sie allerdings an jenem Tag, der für sie ein Neubeginn war, unterstützt.

Malia hat schon viel erreicht in den letzten zwei Jahren. Allein die Tatsache, dass sie von zu Hause geflüchtet ist, ist für eine Jugendliche, die nie allein auf die Straße durfte, ein unfassbarer Schritt. Inzwischen hat die heute 20-Jährige ihr Abitur nachgeholt. Und sie hat eine eigene Wohnung – ambulant betreutes Wohnen.

Wenn vor allem nachts eine der häufigen Panikattacken kommt, ist Hermine da. Dass es die Hündin in ihrem Leben gibt, hat Malia der Autorin Nina Ziegler und ihrem Buch „Schmerzenskind“ zu verdanken. Darin geht es um ein Leben voller Gewalt und darum, wie später ein Assistenzhund half. Malia las es und machte sich darüber schlau.

Spendenkonto für Malia und Hermine

Damit der Neuanfang in Malias Leben nicht auf halbem Weg endet, brauchen der Verein und die junge Frau jetzt finanzielle Unterstützung für Hermine. Zum Start der Ausbildung als Assistenzhund hat der Weiße Ring Malia unterstützt, durch den Fond „Sexueller Missbrauch“.

Die Aufwind-Jugendhilfe, die auch im Dortmunder Süden tätig ist, nimmt Spenden für Hermine auf ihrem Konto an: Sparkasse Dortmund,

IBAN DE 47 4405 0199 0001 3193 53, Verwendungszweck: Hermine.

Übrigens: Wer ein bisschen mehr von Hermine sehen möchten, kann das bei Instagram: assistenzhund_hermine.

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